Bouillon, Christian von Anhalt, welcher das ganze Ge- triebe der europäischen Politik übersah, und sich überzeugt hielt, es werde Niemand den Muth und die Macht ha- ben sich dem vollzogenen Ereigniß zu widersetzen, seine vertrautesten Räthe feuerten ihn an: die unermeßliche Aus- sicht, Ehrgeiz und Religionseifer zugleich rissen ihn hin: er nahm die Krone an (August 1619). Welch einen Er- folg mußte es haben, wenn er sich behauptete! Die Macht des Hauses Oestreich im östlichen Europa wäre gebrochen, der Fortgang des Katholicismus auf immer gehemmt ge- wesen.
Und schon regten sich ihm allenthalben mächtige Sym- pathien. In Frankreich erhob sich eine allgemeine Bewe- gung unter den Hugenotten: die Bearner widersetzten sich jenem königlichen Befehle: die Assemblee zu Loudun nahm sich ihrer an: nichts wäre der Königin Mutter erwünsch- ter gewesen als diese kriegsbereite Opposition für sich zu gewinnen: schon war Rohan auf ihrer Seite, und hatte ihr den Beitritt der Uebrigen versprochen.
Da war auch in dem unaufhörlich wogenden Grau- bündten die katholisch-spanische Partei wieder einmal unter- drückt, die protestantische zur Herrschaft emporgestiegen: mit Vergnügen empfing das Gericht zu Davos die Botschafter des neuen Königs von Böhmen, und versprach ihm, die Pässe des Landes den Spaniern auf ewig verschlossen zu halten 1).
Bemerken wir wohl, daß sich hiemit auch zugleich die
1) Den Zusammenhang dieser Ereignisse, auf den man später nicht mehr achtete, fühlten die Zeitgenossen. Fürstl. Anhaltische Geh. Canzlei Fortsetzung p. 67.
Päpste* 29
eines allgemeinen Krieges.
Bouillon, Chriſtian von Anhalt, welcher das ganze Ge- triebe der europaͤiſchen Politik uͤberſah, und ſich uͤberzeugt hielt, es werde Niemand den Muth und die Macht ha- ben ſich dem vollzogenen Ereigniß zu widerſetzen, ſeine vertrauteſten Raͤthe feuerten ihn an: die unermeßliche Aus- ſicht, Ehrgeiz und Religionseifer zugleich riſſen ihn hin: er nahm die Krone an (Auguſt 1619). Welch einen Er- folg mußte es haben, wenn er ſich behauptete! Die Macht des Hauſes Oeſtreich im oͤſtlichen Europa waͤre gebrochen, der Fortgang des Katholicismus auf immer gehemmt ge- weſen.
Und ſchon regten ſich ihm allenthalben maͤchtige Sym- pathien. In Frankreich erhob ſich eine allgemeine Bewe- gung unter den Hugenotten: die Bearner widerſetzten ſich jenem koͤniglichen Befehle: die Aſſemblee zu Loudun nahm ſich ihrer an: nichts waͤre der Koͤnigin Mutter erwuͤnſch- ter geweſen als dieſe kriegsbereite Oppoſition fuͤr ſich zu gewinnen: ſchon war Rohan auf ihrer Seite, und hatte ihr den Beitritt der Uebrigen verſprochen.
Da war auch in dem unaufhoͤrlich wogenden Grau- buͤndten die katholiſch-ſpaniſche Partei wieder einmal unter- druͤckt, die proteſtantiſche zur Herrſchaft emporgeſtiegen: mit Vergnuͤgen empfing das Gericht zu Davos die Botſchafter des neuen Koͤnigs von Boͤhmen, und verſprach ihm, die Paͤſſe des Landes den Spaniern auf ewig verſchloſſen zu halten 1).
Bemerken wir wohl, daß ſich hiemit auch zugleich die
1) Den Zuſammenhang dieſer Ereigniſſe, auf den man ſpaͤter nicht mehr achtete, fuͤhlten die Zeitgenoſſen. Fuͤrſtl. Anhaltiſche Geh. Canzlei Fortſetzung p. 67.
Päpſte* 29
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eines allgemeinen Krieges.
Bouillon, Chriſtian von Anhalt, welcher das ganze Ge-
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hielt, es werde Niemand den Muth und die Macht ha-
ben ſich dem vollzogenen Ereigniß zu widerſetzen, ſeine
vertrauteſten Raͤthe feuerten ihn an: die unermeßliche Aus-
ſicht, Ehrgeiz und Religionseifer zugleich riſſen ihn hin:
er nahm die Krone an (Auguſt 1619). Welch einen Er-
folg mußte es haben, wenn er ſich behauptete! Die Macht
des Hauſes Oeſtreich im oͤſtlichen Europa waͤre gebrochen,
der Fortgang des Katholicismus auf immer gehemmt ge-
weſen.
Und ſchon regten ſich ihm allenthalben maͤchtige Sym-
pathien. In Frankreich erhob ſich eine allgemeine Bewe-
gung unter den Hugenotten: die Bearner widerſetzten ſich
jenem koͤniglichen Befehle: die Aſſemblee zu Loudun nahm
ſich ihrer an: nichts waͤre der Koͤnigin Mutter erwuͤnſch-
ter geweſen als dieſe kriegsbereite Oppoſition fuͤr ſich zu
gewinnen: ſchon war Rohan auf ihrer Seite, und hatte ihr
den Beitritt der Uebrigen verſprochen.
Da war auch in dem unaufhoͤrlich wogenden Grau-
buͤndten die katholiſch-ſpaniſche Partei wieder einmal unter-
druͤckt, die proteſtantiſche zur Herrſchaft emporgeſtiegen: mit
Vergnuͤgen empfing das Gericht zu Davos die Botſchafter
des neuen Koͤnigs von Boͤhmen, und verſprach ihm, die Paͤſſe
des Landes den Spaniern auf ewig verſchloſſen zu halten 1).
Bemerken wir wohl, daß ſich hiemit auch zugleich die
1) Den Zuſammenhang dieſer Ereigniſſe, auf den man ſpaͤter
nicht mehr achtete, fuͤhlten die Zeitgenoſſen. Fuͤrſtl. Anhaltiſche Geh.
Canzlei Fortſetzung p. 67.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/461>, abgerufen am 18.06.2024.
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