Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VII. Kap. 1. Fortschritte
kommen: die nächsten Erben waren beide protestantisch.
Allein auch hier war das Prinzip der religiösen Spaltung
das stärkere. Von den protestantischen Prätendenten tritt
der eine zum Katholicismus über: auch hier setzen sich die
Parteien auseinander. Da sie keinen höchsten Richter an-
erkennen, so schreiten sie 1614 zu Thätlichkeiten. Der eine
greift mit spanischer, der andere mit niederländischer Hülfe
so weit um sich als er vermag, und reformirt ohne Weiteres
den ihm zugefallenen Antheil auf seine Weise.

Wohl macht man Versuche der Aussöhnung. Es wird
auf einen Churfürstentag angetragen: aber Churpfalz will
davon nichts hören, da es seinem Collegen von Sachsen nicht
traut: -- oder auf einen allgemeinen Compositionstag: die
katholischen Stände haben unzählige Gründe ihm zu wider-
sprechen. Andere blicken auf den Kaiser: sie rathen ihm
durch die Aufstellung einer ansehnlichen Truppenmasse sein
Ansehen herzustellen. Aber was wäre von Matthias zu er-
warten gewesen, der schon durch den Ursprung seiner Gewalt
beiden Parteien angehörte, aber von den Fesseln erdrückt,
die er sich angelegt, sich zu keiner freien Thätigkeit erheben
konnte. Laut beschwerte sich der Papst über ihn: er er-
klärte ihn für untauglich eine so große Würde in diesen
Zeiten zu bekleiden, er ließ ihm in den stärksten Ausdrücken
Vorstellungen machen, und wunderte sich nur daß der Kaiser
das so hinnahm. Später waren die Katholiken nicht so
unzufrieden mit ihm. Selbst die Eiferer erklärten, er sey
ihrer Kirche nützlicher geworden, als man hätte glauben
können. Aber in Sachen des Reichs vermochte er nichts. Im
Jahre 1617 machte er einen Versuch die beiden Bündnisse

Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte
kommen: die naͤchſten Erben waren beide proteſtantiſch.
Allein auch hier war das Prinzip der religioͤſen Spaltung
das ſtaͤrkere. Von den proteſtantiſchen Praͤtendenten tritt
der eine zum Katholicismus uͤber: auch hier ſetzen ſich die
Parteien auseinander. Da ſie keinen hoͤchſten Richter an-
erkennen, ſo ſchreiten ſie 1614 zu Thaͤtlichkeiten. Der eine
greift mit ſpaniſcher, der andere mit niederlaͤndiſcher Huͤlfe
ſo weit um ſich als er vermag, und reformirt ohne Weiteres
den ihm zugefallenen Antheil auf ſeine Weiſe.

Wohl macht man Verſuche der Ausſoͤhnung. Es wird
auf einen Churfuͤrſtentag angetragen: aber Churpfalz will
davon nichts hoͤren, da es ſeinem Collegen von Sachſen nicht
traut: — oder auf einen allgemeinen Compoſitionstag: die
katholiſchen Staͤnde haben unzaͤhlige Gruͤnde ihm zu wider-
ſprechen. Andere blicken auf den Kaiſer: ſie rathen ihm
durch die Aufſtellung einer anſehnlichen Truppenmaſſe ſein
Anſehen herzuſtellen. Aber was waͤre von Matthias zu er-
warten geweſen, der ſchon durch den Urſprung ſeiner Gewalt
beiden Parteien angehoͤrte, aber von den Feſſeln erdruͤckt,
die er ſich angelegt, ſich zu keiner freien Thaͤtigkeit erheben
konnte. Laut beſchwerte ſich der Papſt uͤber ihn: er er-
klaͤrte ihn fuͤr untauglich eine ſo große Wuͤrde in dieſen
Zeiten zu bekleiden, er ließ ihm in den ſtaͤrkſten Ausdruͤcken
Vorſtellungen machen, und wunderte ſich nur daß der Kaiſer
das ſo hinnahm. Spaͤter waren die Katholiken nicht ſo
unzufrieden mit ihm. Selbſt die Eiferer erklaͤrten, er ſey
ihrer Kirche nuͤtzlicher geworden, als man haͤtte glauben
koͤnnen. Aber in Sachen des Reichs vermochte er nichts. Im
Jahre 1617 machte er einen Verſuch die beiden Buͤndniſſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0432" n="420"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VII.</hi><hi rendition="#g">Kap. 1. Fort&#x017F;chritte</hi></fw><lb/>
kommen: die na&#x0364;ch&#x017F;ten Erben waren beide prote&#x017F;tanti&#x017F;ch.<lb/>
Allein auch hier war das Prinzip der religio&#x0364;&#x017F;en Spaltung<lb/>
das &#x017F;ta&#x0364;rkere. Von den prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Pra&#x0364;tendenten tritt<lb/>
der eine zum Katholicismus u&#x0364;ber: auch hier &#x017F;etzen &#x017F;ich die<lb/>
Parteien auseinander. Da &#x017F;ie keinen ho&#x0364;ch&#x017F;ten Richter an-<lb/>
erkennen, &#x017F;o &#x017F;chreiten &#x017F;ie 1614 zu Tha&#x0364;tlichkeiten. Der eine<lb/>
greift mit &#x017F;pani&#x017F;cher, der andere mit niederla&#x0364;ndi&#x017F;cher Hu&#x0364;lfe<lb/>
&#x017F;o weit um &#x017F;ich als er vermag, und reformirt ohne Weiteres<lb/>
den ihm zugefallenen Antheil auf &#x017F;eine Wei&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>Wohl macht man Ver&#x017F;uche der Aus&#x017F;o&#x0364;hnung. Es wird<lb/>
auf einen Churfu&#x0364;r&#x017F;tentag angetragen: aber Churpfalz will<lb/>
davon nichts ho&#x0364;ren, da es &#x017F;einem Collegen von Sach&#x017F;en nicht<lb/>
traut: &#x2014; oder auf einen allgemeinen Compo&#x017F;itionstag: die<lb/>
katholi&#x017F;chen Sta&#x0364;nde haben unza&#x0364;hlige Gru&#x0364;nde ihm zu wider-<lb/>
&#x017F;prechen. Andere blicken auf den Kai&#x017F;er: &#x017F;ie rathen ihm<lb/>
durch die Auf&#x017F;tellung einer an&#x017F;ehnlichen Truppenma&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ein<lb/>
An&#x017F;ehen herzu&#x017F;tellen. Aber was wa&#x0364;re von Matthias zu er-<lb/>
warten gewe&#x017F;en, der &#x017F;chon durch den Ur&#x017F;prung &#x017F;einer Gewalt<lb/>
beiden Parteien angeho&#x0364;rte, aber von den Fe&#x017F;&#x017F;eln erdru&#x0364;ckt,<lb/>
die er &#x017F;ich angelegt, &#x017F;ich zu keiner freien Tha&#x0364;tigkeit erheben<lb/>
konnte. Laut be&#x017F;chwerte &#x017F;ich der Pap&#x017F;t u&#x0364;ber ihn: er er-<lb/>
kla&#x0364;rte ihn fu&#x0364;r untauglich eine &#x017F;o große Wu&#x0364;rde in die&#x017F;en<lb/>
Zeiten zu bekleiden, er ließ ihm in den &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Ausdru&#x0364;cken<lb/>
Vor&#x017F;tellungen machen, und wunderte &#x017F;ich nur daß der Kai&#x017F;er<lb/>
das &#x017F;o hinnahm. Spa&#x0364;ter waren die Katholiken nicht &#x017F;o<lb/>
unzufrieden mit ihm. Selb&#x017F;t die Eiferer erkla&#x0364;rten, er &#x017F;ey<lb/>
ihrer Kirche nu&#x0364;tzlicher geworden, als man ha&#x0364;tte glauben<lb/>
ko&#x0364;nnen. Aber in Sachen des Reichs vermochte er nichts. Im<lb/>
Jahre 1617 machte er einen Ver&#x017F;uch die beiden Bu&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0432] Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte kommen: die naͤchſten Erben waren beide proteſtantiſch. Allein auch hier war das Prinzip der religioͤſen Spaltung das ſtaͤrkere. Von den proteſtantiſchen Praͤtendenten tritt der eine zum Katholicismus uͤber: auch hier ſetzen ſich die Parteien auseinander. Da ſie keinen hoͤchſten Richter an- erkennen, ſo ſchreiten ſie 1614 zu Thaͤtlichkeiten. Der eine greift mit ſpaniſcher, der andere mit niederlaͤndiſcher Huͤlfe ſo weit um ſich als er vermag, und reformirt ohne Weiteres den ihm zugefallenen Antheil auf ſeine Weiſe. Wohl macht man Verſuche der Ausſoͤhnung. Es wird auf einen Churfuͤrſtentag angetragen: aber Churpfalz will davon nichts hoͤren, da es ſeinem Collegen von Sachſen nicht traut: — oder auf einen allgemeinen Compoſitionstag: die katholiſchen Staͤnde haben unzaͤhlige Gruͤnde ihm zu wider- ſprechen. Andere blicken auf den Kaiſer: ſie rathen ihm durch die Aufſtellung einer anſehnlichen Truppenmaſſe ſein Anſehen herzuſtellen. Aber was waͤre von Matthias zu er- warten geweſen, der ſchon durch den Urſprung ſeiner Gewalt beiden Parteien angehoͤrte, aber von den Feſſeln erdruͤckt, die er ſich angelegt, ſich zu keiner freien Thaͤtigkeit erheben konnte. Laut beſchwerte ſich der Papſt uͤber ihn: er er- klaͤrte ihn fuͤr untauglich eine ſo große Wuͤrde in dieſen Zeiten zu bekleiden, er ließ ihm in den ſtaͤrkſten Ausdruͤcken Vorſtellungen machen, und wunderte ſich nur daß der Kaiſer das ſo hinnahm. Spaͤter waren die Katholiken nicht ſo unzufrieden mit ihm. Selbſt die Eiferer erklaͤrten, er ſey ihrer Kirche nuͤtzlicher geworden, als man haͤtte glauben koͤnnen. Aber in Sachen des Reichs vermochte er nichts. Im Jahre 1617 machte er einen Verſuch die beiden Buͤndniſſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/432
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/432>, abgerufen am 22.11.2024.