Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VII. Kap. 1. Fortschritte
die Absichten des römischen Hofes auch sogleich zu den seini-
gen gemacht habe. So viel sich aus seinen eigenen Erklä-
rungen abnehmen läßt, mochte zunächst sein Sinn dahin gehn,
den Katholischen nur erst einige Freiheiten zu verschaf-
fen ohne die protestantische Verfassung umzustürzen. Aber
sollte er fähig seyn dem starken religiösen Antriebe Ein-
halt zu thun, der seine Umgebung beherrschte, dessen Re-
präsentanten er mit sich führte? Durfte man glauben,
daß er an jenem Punkte, wenn er ihn erreicht hätte, stehn
bleiben würde?

Die Protestanten wollten es nicht erwarten. Die
Absichten die man diesseit hegte, riefen jenseit unmittelbar,
fast unbewußt, ihr Gegentheil hervor.

Gleich nach dem Tode Johanns vereinigten sich die
schwedischen Reichsräthe -- früher und später berühmte
Namen: Gyllenstern, Bielke, Baner, Sparre, Oxenstern
-- mit dem Bruder des verstorbenen, dem Oheim des jun-
gen Königs, noch Einem von den Söhnen Gustav Wa-
sas, dem eifrig protestantischen Herzog Carl, "ihn in Abwe-
senheit seines Neffen als Reichsgubernator anzuerkennen
und ihm in alle dem Gehorsam zu versprechen, was er zur
Erhaltung der augsburgischen Confession in Schweden thun
werde." In diesem Sinne ward im Merz 1593 ein Con-
cilium zu Upsala gehalten. Das augsburgische Bekennt-
niß ward hier aufs neue proclamirt, die Liturgie des Kö-
nigs Johann verdammt, selbst in dem frühern Ritus alles
das ermäßigt, was noch an katholische Gebräuche zu erin-
nern schien, -- den Exorcismus behielt man nur in mil-
dern Ausdrücken und um seiner moralischen Bedeutung wil-

Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte
die Abſichten des roͤmiſchen Hofes auch ſogleich zu den ſeini-
gen gemacht habe. So viel ſich aus ſeinen eigenen Erklaͤ-
rungen abnehmen laͤßt, mochte zunaͤchſt ſein Sinn dahin gehn,
den Katholiſchen nur erſt einige Freiheiten zu verſchaf-
fen ohne die proteſtantiſche Verfaſſung umzuſtuͤrzen. Aber
ſollte er faͤhig ſeyn dem ſtarken religioͤſen Antriebe Ein-
halt zu thun, der ſeine Umgebung beherrſchte, deſſen Re-
praͤſentanten er mit ſich fuͤhrte? Durfte man glauben,
daß er an jenem Punkte, wenn er ihn erreicht haͤtte, ſtehn
bleiben wuͤrde?

Die Proteſtanten wollten es nicht erwarten. Die
Abſichten die man dieſſeit hegte, riefen jenſeit unmittelbar,
faſt unbewußt, ihr Gegentheil hervor.

Gleich nach dem Tode Johanns vereinigten ſich die
ſchwediſchen Reichsraͤthe — fruͤher und ſpaͤter beruͤhmte
Namen: Gyllenſtern, Bielke, Baner, Sparre, Oxenſtern
— mit dem Bruder des verſtorbenen, dem Oheim des jun-
gen Koͤnigs, noch Einem von den Soͤhnen Guſtav Wa-
ſas, dem eifrig proteſtantiſchen Herzog Carl, „ihn in Abwe-
ſenheit ſeines Neffen als Reichsgubernator anzuerkennen
und ihm in alle dem Gehorſam zu verſprechen, was er zur
Erhaltung der augsburgiſchen Confeſſion in Schweden thun
werde.“ In dieſem Sinne ward im Merz 1593 ein Con-
cilium zu Upſala gehalten. Das augsburgiſche Bekennt-
niß ward hier aufs neue proclamirt, die Liturgie des Koͤ-
nigs Johann verdammt, ſelbſt in dem fruͤhern Ritus alles
das ermaͤßigt, was noch an katholiſche Gebraͤuche zu erin-
nern ſchien, — den Exorcismus behielt man nur in mil-
dern Ausdruͤcken und um ſeiner moraliſchen Bedeutung wil-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0388" n="376"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VII.</hi><hi rendition="#g">Kap. 1. Fort&#x017F;chritte</hi></fw><lb/>
die Ab&#x017F;ichten des ro&#x0364;mi&#x017F;chen Hofes auch &#x017F;ogleich zu den &#x017F;eini-<lb/>
gen gemacht habe. So viel &#x017F;ich aus &#x017F;einen eigenen Erkla&#x0364;-<lb/>
rungen abnehmen la&#x0364;ßt, mochte zuna&#x0364;ch&#x017F;t &#x017F;ein Sinn dahin gehn,<lb/>
den Katholi&#x017F;chen nur er&#x017F;t einige Freiheiten zu ver&#x017F;chaf-<lb/>
fen ohne die prote&#x017F;tanti&#x017F;che Verfa&#x017F;&#x017F;ung umzu&#x017F;tu&#x0364;rzen. Aber<lb/>
&#x017F;ollte er fa&#x0364;hig &#x017F;eyn dem &#x017F;tarken religio&#x0364;&#x017F;en Antriebe Ein-<lb/>
halt zu thun, der &#x017F;eine Umgebung beherr&#x017F;chte, de&#x017F;&#x017F;en Re-<lb/>
pra&#x0364;&#x017F;entanten er mit &#x017F;ich fu&#x0364;hrte? Durfte man glauben,<lb/>
daß er an jenem Punkte, wenn er ihn erreicht ha&#x0364;tte, &#x017F;tehn<lb/>
bleiben wu&#x0364;rde?</p><lb/>
              <p>Die Prote&#x017F;tanten wollten es nicht erwarten. Die<lb/>
Ab&#x017F;ichten die man die&#x017F;&#x017F;eit hegte, riefen jen&#x017F;eit unmittelbar,<lb/>
fa&#x017F;t unbewußt, ihr Gegentheil hervor.</p><lb/>
              <p>Gleich nach dem Tode Johanns vereinigten &#x017F;ich die<lb/>
&#x017F;chwedi&#x017F;chen Reichsra&#x0364;the &#x2014; fru&#x0364;her und &#x017F;pa&#x0364;ter beru&#x0364;hmte<lb/>
Namen: Gyllen&#x017F;tern, Bielke, Baner, Sparre, Oxen&#x017F;tern<lb/>
&#x2014; mit dem Bruder des ver&#x017F;torbenen, dem Oheim des jun-<lb/>
gen Ko&#x0364;nigs, noch Einem von den So&#x0364;hnen Gu&#x017F;tav Wa-<lb/>
&#x017F;as, dem eifrig prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Herzog Carl, &#x201E;ihn in Abwe-<lb/>
&#x017F;enheit &#x017F;eines Neffen als Reichsgubernator anzuerkennen<lb/>
und ihm in alle dem Gehor&#x017F;am zu ver&#x017F;prechen, was er zur<lb/>
Erhaltung der augsburgi&#x017F;chen Confe&#x017F;&#x017F;ion in Schweden thun<lb/>
werde.&#x201C; In die&#x017F;em Sinne ward im Merz 1593 ein Con-<lb/>
cilium zu Up&#x017F;ala gehalten. Das augsburgi&#x017F;che Bekennt-<lb/>
niß ward hier aufs neue proclamirt, die Liturgie des Ko&#x0364;-<lb/>
nigs Johann verdammt, &#x017F;elb&#x017F;t in dem fru&#x0364;hern Ritus alles<lb/>
das erma&#x0364;ßigt, was noch an katholi&#x017F;che Gebra&#x0364;uche zu erin-<lb/>
nern &#x017F;chien, &#x2014; den Exorcismus behielt man nur in mil-<lb/>
dern Ausdru&#x0364;cken und um &#x017F;einer morali&#x017F;chen Bedeutung wil-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0388] Buch VII. Kap. 1. Fortſchritte die Abſichten des roͤmiſchen Hofes auch ſogleich zu den ſeini- gen gemacht habe. So viel ſich aus ſeinen eigenen Erklaͤ- rungen abnehmen laͤßt, mochte zunaͤchſt ſein Sinn dahin gehn, den Katholiſchen nur erſt einige Freiheiten zu verſchaf- fen ohne die proteſtantiſche Verfaſſung umzuſtuͤrzen. Aber ſollte er faͤhig ſeyn dem ſtarken religioͤſen Antriebe Ein- halt zu thun, der ſeine Umgebung beherrſchte, deſſen Re- praͤſentanten er mit ſich fuͤhrte? Durfte man glauben, daß er an jenem Punkte, wenn er ihn erreicht haͤtte, ſtehn bleiben wuͤrde? Die Proteſtanten wollten es nicht erwarten. Die Abſichten die man dieſſeit hegte, riefen jenſeit unmittelbar, faſt unbewußt, ihr Gegentheil hervor. Gleich nach dem Tode Johanns vereinigten ſich die ſchwediſchen Reichsraͤthe — fruͤher und ſpaͤter beruͤhmte Namen: Gyllenſtern, Bielke, Baner, Sparre, Oxenſtern — mit dem Bruder des verſtorbenen, dem Oheim des jun- gen Koͤnigs, noch Einem von den Soͤhnen Guſtav Wa- ſas, dem eifrig proteſtantiſchen Herzog Carl, „ihn in Abwe- ſenheit ſeines Neffen als Reichsgubernator anzuerkennen und ihm in alle dem Gehorſam zu verſprechen, was er zur Erhaltung der augsburgiſchen Confeſſion in Schweden thun werde.“ In dieſem Sinne ward im Merz 1593 ein Con- cilium zu Upſala gehalten. Das augsburgiſche Bekennt- niß ward hier aufs neue proclamirt, die Liturgie des Koͤ- nigs Johann verdammt, ſelbſt in dem fruͤhern Ritus alles das ermaͤßigt, was noch an katholiſche Gebraͤuche zu erin- nern ſchien, — den Exorcismus behielt man nur in mil- dern Ausdruͤcken und um ſeiner moraliſchen Bedeutung wil-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/388
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/388>, abgerufen am 19.05.2024.