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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Venezianische Irrungen.
blatt, machte Leonardo Donato den Geistlichen den Beschluß
der Republik bekannt, die fürstliche Autorität, "die in welt-
lichen Dingen keinen Obern außer Gott erkenne", aufrecht
zu erhalten: ihre getreue Geistlichkeit werde schon von selbst
die Nullität der gegen sie ergangenen Censuren erkennen,
und in ihren Amtsverrichtungen, Seelsorge und Gottes-
dienst, ununterbrochen fortfahren. Keine Befürchtung, keine
Drohung ward ausgesprochen: es war nur eine Erklärung
des Vertrauens. Obwohl man denn mündlich wohl etwas
Mehreres gethan haben mag 1).

Und hiedurch ward nun aus der Frage des Anspru-
ches, des Rechtes unmittelbar eine Frage der Macht und
des Besitzes. Von ihren beiden Oberherrn, dem Papst und
der Republik, zu entgegengesetzten Beweisen des Gehorsams
aufgefordert, mußte die venezianische Geistlichkeit sich ent-
scheiden, wem sie dieselben leisten wolle.

Sie schwankte nicht: sie gehorchte der Republik. Von
dem päpstlichen Breve ward nicht ein einziges Exemplar
angeschlagen 2). Die Fristen die der Papst gesetzt, verstrichen.
Allenthalben ging der Gottesdienst auf die gewohnte Weise
fort. Wie die Weltgeistlichen, thaten auch die Klöster.

Nur die neugegründeten Orden, welche das Prinzip

1) Dieser Erlaß vom 6ten Mai 1606 ist bei Rampazetto,
stampator ducale, gedruckt. Auf dem Titelblatt sieht man den
Evangelisten S. Marcus mit dem Evangelienbuch und dem erhobe-
nen Schwert. In dem Senat erörterte man, wie Priuli sagt, le
nullita molte e notorie
des päpstlichen Breve.
2) P. Sarpi: Historia particolare lib. II, p. 55 versichert, es
seyen Leute die die Bullen hätten anschlagen wollen, von den Ein-
wohnern selbst festgenommen worden.

Venezianiſche Irrungen.
blatt, machte Leonardo Donato den Geiſtlichen den Beſchluß
der Republik bekannt, die fuͤrſtliche Autoritaͤt, „die in welt-
lichen Dingen keinen Obern außer Gott erkenne“, aufrecht
zu erhalten: ihre getreue Geiſtlichkeit werde ſchon von ſelbſt
die Nullitaͤt der gegen ſie ergangenen Cenſuren erkennen,
und in ihren Amtsverrichtungen, Seelſorge und Gottes-
dienſt, ununterbrochen fortfahren. Keine Befuͤrchtung, keine
Drohung ward ausgeſprochen: es war nur eine Erklaͤrung
des Vertrauens. Obwohl man denn muͤndlich wohl etwas
Mehreres gethan haben mag 1).

Und hiedurch ward nun aus der Frage des Anſpru-
ches, des Rechtes unmittelbar eine Frage der Macht und
des Beſitzes. Von ihren beiden Oberherrn, dem Papſt und
der Republik, zu entgegengeſetzten Beweiſen des Gehorſams
aufgefordert, mußte die venezianiſche Geiſtlichkeit ſich ent-
ſcheiden, wem ſie dieſelben leiſten wolle.

Sie ſchwankte nicht: ſie gehorchte der Republik. Von
dem paͤpſtlichen Breve ward nicht ein einziges Exemplar
angeſchlagen 2). Die Friſten die der Papſt geſetzt, verſtrichen.
Allenthalben ging der Gottesdienſt auf die gewohnte Weiſe
fort. Wie die Weltgeiſtlichen, thaten auch die Kloͤſter.

Nur die neugegruͤndeten Orden, welche das Prinzip

1) Dieſer Erlaß vom 6ten Mai 1606 iſt bei Rampazetto,
stampator ducale, gedruckt. Auf dem Titelblatt ſieht man den
Evangeliſten S. Marcus mit dem Evangelienbuch und dem erhobe-
nen Schwert. In dem Senat eroͤrterte man, wie Priuli ſagt, le
nullità molte e notorie
des paͤpſtlichen Breve.
2) P. Sarpi: Historia particolare lib. II, p. 55 verſichert, es
ſeyen Leute die die Bullen haͤtten anſchlagen wollen, von den Ein-
wohnern ſelbſt feſtgenommen worden.
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[343/0355] Venezianiſche Irrungen. blatt, machte Leonardo Donato den Geiſtlichen den Beſchluß der Republik bekannt, die fuͤrſtliche Autoritaͤt, „die in welt- lichen Dingen keinen Obern außer Gott erkenne“, aufrecht zu erhalten: ihre getreue Geiſtlichkeit werde ſchon von ſelbſt die Nullitaͤt der gegen ſie ergangenen Cenſuren erkennen, und in ihren Amtsverrichtungen, Seelſorge und Gottes- dienſt, ununterbrochen fortfahren. Keine Befuͤrchtung, keine Drohung ward ausgeſprochen: es war nur eine Erklaͤrung des Vertrauens. Obwohl man denn muͤndlich wohl etwas Mehreres gethan haben mag 1). Und hiedurch ward nun aus der Frage des Anſpru- ches, des Rechtes unmittelbar eine Frage der Macht und des Beſitzes. Von ihren beiden Oberherrn, dem Papſt und der Republik, zu entgegengeſetzten Beweiſen des Gehorſams aufgefordert, mußte die venezianiſche Geiſtlichkeit ſich ent- ſcheiden, wem ſie dieſelben leiſten wolle. Sie ſchwankte nicht: ſie gehorchte der Republik. Von dem paͤpſtlichen Breve ward nicht ein einziges Exemplar angeſchlagen 2). Die Friſten die der Papſt geſetzt, verſtrichen. Allenthalben ging der Gottesdienſt auf die gewohnte Weiſe fort. Wie die Weltgeiſtlichen, thaten auch die Kloͤſter. Nur die neugegruͤndeten Orden, welche das Prinzip 1) Dieſer Erlaß vom 6ten Mai 1606 iſt bei Rampazetto, stampator ducale, gedruckt. Auf dem Titelblatt ſieht man den Evangeliſten S. Marcus mit dem Evangelienbuch und dem erhobe- nen Schwert. In dem Senat eroͤrterte man, wie Priuli ſagt, le nullità molte e notorie des paͤpſtlichen Breve. 2) P. Sarpi: Historia particolare lib. II, p. 55 verſichert, es ſeyen Leute die die Bullen haͤtten anſchlagen wollen, von den Ein- wohnern ſelbſt feſtgenommen worden.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/355>, abgerufen am 25.11.2024.