lichen Gütern ziehen. Von den Laien möge er seine Ab- gaben nehmen: von den Priestern werde ihm die bei wei- tem größere Beihülfe des Gebetes und des Opfers gelei- stet. Von allen sachlichen und persönlichen Lasten sey der Geistliche eximirt: er gehöre zur Familie Christi. Beruhe diese Exemtion auch nicht auf einem ausdrücklichen Gebot in der heiligen Schrift, so gründe sie sich doch auf Fol- gerung aus derselben und Analogie. Den Geistlichen des neuen Testaments komme eben das Recht zu, was den Le- viten des alten zugestanden 1).
Eine Lehre, welche jener geistlichen Republik, der ein so großer Einfluß auf den Staat zufallen sollte, eine nicht minder vollkommene Unabhängigkeit von den Rückwirkun- gen desselben zusprach: die man in Rom mit unzähligen Beweisen aus Schrift, Concilien, kaiserlichen und päpstli- chen Constitutionen zu befestigen suchte, und im Ganzen für unwiderlegbar hielt. Wer sollte es in Venedig wagen sich einem Bellarmin, einem Baronius zu widersetzen?
Die Venezianer besaßen in ihrem Staatsconsultor, Paul Sarpi, einen Mann den Natur und Umstände zu einer Gesinnung ausgebildet, in eine Stellung geführt hat- ten, daß er es wagen konnte die Waffen gegen die geist- liche Macht zu ergreifen.
Paul Sarpi war der Sohn eines Kaufmannes, der
sacerdotes et omnes clerici suum habent principem spiritualem a quo non in spiritualibus solum sed etiam in temporalibus re- guntur.
1) Diese Sätze finden sich wörtlich entweder in obgedachter Risposta, oder in dem Buche Bellarmins de clericis besonders lib. I, c. 30.
BuchVI.Innere Streitigkeiten.
lichen Guͤtern ziehen. Von den Laien moͤge er ſeine Ab- gaben nehmen: von den Prieſtern werde ihm die bei wei- tem groͤßere Beihuͤlfe des Gebetes und des Opfers gelei- ſtet. Von allen ſachlichen und perſoͤnlichen Laſten ſey der Geiſtliche eximirt: er gehoͤre zur Familie Chriſti. Beruhe dieſe Exemtion auch nicht auf einem ausdruͤcklichen Gebot in der heiligen Schrift, ſo gruͤnde ſie ſich doch auf Fol- gerung aus derſelben und Analogie. Den Geiſtlichen des neuen Teſtaments komme eben das Recht zu, was den Le- viten des alten zugeſtanden 1).
Eine Lehre, welche jener geiſtlichen Republik, der ein ſo großer Einfluß auf den Staat zufallen ſollte, eine nicht minder vollkommene Unabhaͤngigkeit von den Ruͤckwirkun- gen deſſelben zuſprach: die man in Rom mit unzaͤhligen Beweiſen aus Schrift, Concilien, kaiſerlichen und paͤpſtli- chen Conſtitutionen zu befeſtigen ſuchte, und im Ganzen fuͤr unwiderlegbar hielt. Wer ſollte es in Venedig wagen ſich einem Bellarmin, einem Baronius zu widerſetzen?
Die Venezianer beſaßen in ihrem Staatsconſultor, Paul Sarpi, einen Mann den Natur und Umſtaͤnde zu einer Geſinnung ausgebildet, in eine Stellung gefuͤhrt hat- ten, daß er es wagen konnte die Waffen gegen die geiſt- liche Macht zu ergreifen.
Paul Sarpi war der Sohn eines Kaufmannes, der
sacerdotes et omnes clerici suum habent principem spiritualem a quo non in spiritualibus solum sed etiam in temporalibus re- guntur.
1) Dieſe Saͤtze finden ſich woͤrtlich entweder in obgedachter Risposta, oder in dem Buche Bellarmins de clericis beſonders lib. I, c. 30.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0346"n="334"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">VI.</hi><hirendition="#g">Innere Streitigkeiten</hi>.</fw><lb/>
lichen Guͤtern ziehen. Von den Laien moͤge er ſeine Ab-<lb/>
gaben nehmen: von den Prieſtern werde ihm die bei wei-<lb/>
tem groͤßere Beihuͤlfe des Gebetes und des Opfers gelei-<lb/>ſtet. Von allen ſachlichen und perſoͤnlichen Laſten ſey der<lb/>
Geiſtliche eximirt: er gehoͤre zur Familie Chriſti. Beruhe<lb/>
dieſe Exemtion auch nicht auf einem ausdruͤcklichen Gebot<lb/>
in der heiligen Schrift, ſo gruͤnde ſie ſich doch auf Fol-<lb/>
gerung aus derſelben und Analogie. Den Geiſtlichen des<lb/>
neuen Teſtaments komme eben das Recht zu, was den Le-<lb/>
viten des alten zugeſtanden <noteplace="foot"n="1)">Dieſe Saͤtze finden ſich woͤrtlich entweder in obgedachter<lb/><hirendition="#aq">Risposta,</hi> oder in dem Buche Bellarmins <hirendition="#aq">de clericis</hi> beſonders <hirendition="#aq">lib.<lb/>
I, c.</hi> 30.</note>.</p><lb/><p>Eine Lehre, welche jener geiſtlichen Republik, der ein<lb/>ſo großer Einfluß auf den Staat zufallen ſollte, eine nicht<lb/>
minder vollkommene Unabhaͤngigkeit von den Ruͤckwirkun-<lb/>
gen deſſelben zuſprach: die man in Rom mit unzaͤhligen<lb/>
Beweiſen aus Schrift, Concilien, kaiſerlichen und paͤpſtli-<lb/>
chen Conſtitutionen zu befeſtigen ſuchte, und im Ganzen<lb/>
fuͤr unwiderlegbar hielt. Wer ſollte es in Venedig wagen<lb/>ſich einem Bellarmin, einem Baronius zu widerſetzen?</p><lb/><p>Die Venezianer beſaßen in ihrem Staatsconſultor,<lb/>
Paul Sarpi, einen Mann den Natur und Umſtaͤnde zu<lb/>
einer Geſinnung ausgebildet, in eine Stellung gefuͤhrt hat-<lb/>
ten, daß er es wagen konnte die Waffen gegen die geiſt-<lb/>
liche Macht zu ergreifen.</p><lb/><p>Paul Sarpi war der Sohn eines Kaufmannes, der<lb/><notexml:id="seg2pn_30_2"prev="#seg2pn_30_1"place="foot"n="2)"><hirendition="#aq">sacerdotes et omnes clerici suum habent principem spiritualem<lb/>
a quo non in spiritualibus solum sed etiam in temporalibus re-<lb/>
guntur.</hi></note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[334/0346]
Buch VI. Innere Streitigkeiten.
lichen Guͤtern ziehen. Von den Laien moͤge er ſeine Ab-
gaben nehmen: von den Prieſtern werde ihm die bei wei-
tem groͤßere Beihuͤlfe des Gebetes und des Opfers gelei-
ſtet. Von allen ſachlichen und perſoͤnlichen Laſten ſey der
Geiſtliche eximirt: er gehoͤre zur Familie Chriſti. Beruhe
dieſe Exemtion auch nicht auf einem ausdruͤcklichen Gebot
in der heiligen Schrift, ſo gruͤnde ſie ſich doch auf Fol-
gerung aus derſelben und Analogie. Den Geiſtlichen des
neuen Teſtaments komme eben das Recht zu, was den Le-
viten des alten zugeſtanden 1).
Eine Lehre, welche jener geiſtlichen Republik, der ein
ſo großer Einfluß auf den Staat zufallen ſollte, eine nicht
minder vollkommene Unabhaͤngigkeit von den Ruͤckwirkun-
gen deſſelben zuſprach: die man in Rom mit unzaͤhligen
Beweiſen aus Schrift, Concilien, kaiſerlichen und paͤpſtli-
chen Conſtitutionen zu befeſtigen ſuchte, und im Ganzen
fuͤr unwiderlegbar hielt. Wer ſollte es in Venedig wagen
ſich einem Bellarmin, einem Baronius zu widerſetzen?
Die Venezianer beſaßen in ihrem Staatsconſultor,
Paul Sarpi, einen Mann den Natur und Umſtaͤnde zu
einer Geſinnung ausgebildet, in eine Stellung gefuͤhrt hat-
ten, daß er es wagen konnte die Waffen gegen die geiſt-
liche Macht zu ergreifen.
Paul Sarpi war der Sohn eines Kaufmannes, der
2)
1) Dieſe Saͤtze finden ſich woͤrtlich entweder in obgedachter
Risposta, oder in dem Buche Bellarmins de clericis beſonders lib.
I, c. 30.
2) sacerdotes et omnes clerici suum habent principem spiritualem
a quo non in spiritualibus solum sed etiam in temporalibus re-
guntur.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/346>, abgerufen am 30.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.