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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Würde diese ihr Ansehen verlieren, so würden sogleich Em-
pörungen erfolgen."

Schon dadurch nun bekam das südliche System einen
unmittelbaren Einfluß auf das gesammte Europa, daß die-
ser Fürst die Niederlande beherrschte: aber außerdem war
doch in den übrigen Reichen noch lange nicht alles verlo-
ren. Noch hielten sich der Kaiser, die Könige von Frank-
reich und von Polen, die Herzoge von Baiern zu der ka-
tholischen Kirche: noch gab es allenthalben geistliche Für-
sten, deren erkalteter Eifer aufs neue belebt werden konnte:
noch war auch der Protestantismus an vielen Orten nicht
in die Masse der Bevölkerung eingedrungen. Die Mehr-
zahl des Landvolkes in Frankreich, wohl auch in Ungarn 1)
und Polen hielt sich noch katholisch: Paris, welches schon
damals einen großen Einfluß auf die andern französischen
Städte ausübte, war von der Neuerung nicht fortgerissen
worden. In England war ein guter Theil des Adels und
der Gemeinen, in Irland die gesammte alt-irische Nation
katholisch geblieben. In die Tyroler, die Schweizer Alpen
hatte der Protestantismus keinen Zugang gefunden. Auch
in dem baierischen Landvolk mochte er noch nicht viel Fort-
schritte gemacht haben. Wenigstens verglich Canisius die
Tyroler und Baiern mit den beiden israelitischen Stäm-
men, "die dem Herrn allein getreu geblieben." Es ver-
diente wohl eine genauere Erörterung, auf welchen in-

1) Wenn es hier nicht mehr Unwissenheit war, wie wenigstens
Lazarus Schwendi angiebt: "En Ungarie tout est confusion et mi-
sere: ils sont de la plus parte Huguenots, mais avec une ex-
treme ignorance du peuple." Schwendi au prince d'Orange. Ar-
chives de la maison d'Orange-Nassau I, p.
288.

Buch V. Gegenreformationen.
Wuͤrde dieſe ihr Anſehen verlieren, ſo wuͤrden ſogleich Em-
poͤrungen erfolgen.“

Schon dadurch nun bekam das ſuͤdliche Syſtem einen
unmittelbaren Einfluß auf das geſammte Europa, daß die-
ſer Fuͤrſt die Niederlande beherrſchte: aber außerdem war
doch in den uͤbrigen Reichen noch lange nicht alles verlo-
ren. Noch hielten ſich der Kaiſer, die Koͤnige von Frank-
reich und von Polen, die Herzoge von Baiern zu der ka-
tholiſchen Kirche: noch gab es allenthalben geiſtliche Fuͤr-
ſten, deren erkalteter Eifer aufs neue belebt werden konnte:
noch war auch der Proteſtantismus an vielen Orten nicht
in die Maſſe der Bevoͤlkerung eingedrungen. Die Mehr-
zahl des Landvolkes in Frankreich, wohl auch in Ungarn 1)
und Polen hielt ſich noch katholiſch: Paris, welches ſchon
damals einen großen Einfluß auf die andern franzoͤſiſchen
Staͤdte ausuͤbte, war von der Neuerung nicht fortgeriſſen
worden. In England war ein guter Theil des Adels und
der Gemeinen, in Irland die geſammte alt-iriſche Nation
katholiſch geblieben. In die Tyroler, die Schweizer Alpen
hatte der Proteſtantismus keinen Zugang gefunden. Auch
in dem baieriſchen Landvolk mochte er noch nicht viel Fort-
ſchritte gemacht haben. Wenigſtens verglich Caniſius die
Tyroler und Baiern mit den beiden iſraelitiſchen Staͤm-
men, „die dem Herrn allein getreu geblieben.“ Es ver-
diente wohl eine genauere Eroͤrterung, auf welchen in-

1) Wenn es hier nicht mehr Unwiſſenheit war, wie wenigſtens
Lazarus Schwendi angiebt: „En Ungarie tout est confusion et mi-
sère: ils sont de la plus parte Huguenots, mais avec une ex-
trème ignorance du peuple.“ Schwendi au prince d’Orange. Ar-
chives de la maison d’Orange-Nassau I, p.
288.
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[22/0034] Buch V. Gegenreformationen. Wuͤrde dieſe ihr Anſehen verlieren, ſo wuͤrden ſogleich Em- poͤrungen erfolgen.“ Schon dadurch nun bekam das ſuͤdliche Syſtem einen unmittelbaren Einfluß auf das geſammte Europa, daß die- ſer Fuͤrſt die Niederlande beherrſchte: aber außerdem war doch in den uͤbrigen Reichen noch lange nicht alles verlo- ren. Noch hielten ſich der Kaiſer, die Koͤnige von Frank- reich und von Polen, die Herzoge von Baiern zu der ka- tholiſchen Kirche: noch gab es allenthalben geiſtliche Fuͤr- ſten, deren erkalteter Eifer aufs neue belebt werden konnte: noch war auch der Proteſtantismus an vielen Orten nicht in die Maſſe der Bevoͤlkerung eingedrungen. Die Mehr- zahl des Landvolkes in Frankreich, wohl auch in Ungarn 1) und Polen hielt ſich noch katholiſch: Paris, welches ſchon damals einen großen Einfluß auf die andern franzoͤſiſchen Staͤdte ausuͤbte, war von der Neuerung nicht fortgeriſſen worden. In England war ein guter Theil des Adels und der Gemeinen, in Irland die geſammte alt-iriſche Nation katholiſch geblieben. In die Tyroler, die Schweizer Alpen hatte der Proteſtantismus keinen Zugang gefunden. Auch in dem baieriſchen Landvolk mochte er noch nicht viel Fort- ſchritte gemacht haben. Wenigſtens verglich Caniſius die Tyroler und Baiern mit den beiden iſraelitiſchen Staͤm- men, „die dem Herrn allein getreu geblieben.“ Es ver- diente wohl eine genauere Eroͤrterung, auf welchen in- 1) Wenn es hier nicht mehr Unwiſſenheit war, wie wenigſtens Lazarus Schwendi angiebt: „En Ungarie tout est confusion et mi- sère: ils sont de la plus parte Huguenots, mais avec une ex- trème ignorance du peuple.“ Schwendi au prince d’Orange. Ar- chives de la maison d’Orange-Nassau I, p. 288.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/34>, abgerufen am 24.04.2024.