Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.Jesuitische Bewegungen. Fall hieraus, daß die Provinzialen, in deren Händen dieganze Correspondenz lag, eine noch größere Selbständig- keit erhielten. Es war vergebens über sie zu klagen: sie konnten dieß leicht vorhersehen und die Wirkung um so eher in voraus vernichten, da Aquaviva sie ohnehin begünstigte: sie behielten ihre Stellen so gut wie auf Lebenszeit. Unter diesen Umständen sahen die alten Jesuiten in Zuerst wandten sie sich an die nationale geistliche Ge- 1) Sacchinus pars V, lib. VI, n. 85. Quidam e confessa-
riis seu vere seu falso delatus ad provincialem tum Castellae, Antonium Marcenium, erat de tentata puellae per sacras confes- siones pudicitia, quod crimen in Hispania sacrorum quaesitorum judicio reservabatur. Jeſuitiſche Bewegungen. Fall hieraus, daß die Provinzialen, in deren Haͤnden dieganze Correſpondenz lag, eine noch groͤßere Selbſtaͤndig- keit erhielten. Es war vergebens uͤber ſie zu klagen: ſie konnten dieß leicht vorherſehen und die Wirkung um ſo eher in voraus vernichten, da Aquaviva ſie ohnehin beguͤnſtigte: ſie behielten ihre Stellen ſo gut wie auf Lebenszeit. Unter dieſen Umſtaͤnden ſahen die alten Jeſuiten in Zuerſt wandten ſie ſich an die nationale geiſtliche Ge- 1) Sacchinus pars V, lib. VI, n. 85. Quidam e confessa-
riis seu vere seu falso delatus ad provincialem tum Castellae, Antonium Marcenium, erat de tentata puellae per sacras confes- siones pudicitia, quod crimen in Hispania sacrorum quaesitorum judicio reservabatur. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0299" n="287"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Jeſuitiſche Bewegungen</hi>.</fw><lb/> Fall hieraus, daß die Provinzialen, in deren Haͤnden die<lb/> ganze Correſpondenz lag, eine noch groͤßere Selbſtaͤndig-<lb/> keit erhielten. Es war vergebens uͤber ſie zu klagen: ſie<lb/> konnten dieß leicht vorherſehen und die Wirkung um ſo eher<lb/> in voraus vernichten, da Aquaviva ſie ohnehin beguͤnſtigte:<lb/> ſie behielten ihre Stellen ſo gut wie auf Lebenszeit.</p><lb/> <p>Unter dieſen Umſtaͤnden ſahen die alten Jeſuiten in<lb/> Spanien, daß ſich eine Lage der Dinge, die ſie als Ty-<lb/> rannei fuͤhlten, innerhalb der Grenzen der Geſellſchaft allein<lb/> niemals wuͤrde abaͤndern laſſen, ſie beſchloſſen ſich nach<lb/> fremder Huͤlfe umzuſehen.</p><lb/> <p>Zuerſt wandten ſie ſich an die nationale geiſtliche Ge-<lb/> walt ihres Landes, an die Inquiſition. Die Inquiſition<lb/> hatte, wie man weiß, gar manches Vergehn ihrem Rich-<lb/> terſpruch vorbehalten. Ein mißvergnuͤgter Jeſuit klagte<lb/> — wie er erklaͤrte, durch Gewiſſensſcrupel bewogen —<lb/> ſeinen Orden an, daß er Verbrechen dieſer Art, wenn ſie<lb/> von ſeinen Mitgliedern begangen worden, verberge und ſelbſt<lb/> abmache. Ploͤtzlich ließ die Inquiſition den Provinzial, der<lb/> bei einem Falle dieſer Art betheiligt war, und einige ſeiner<lb/> thaͤtigſten Genoſſen einziehen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Sacchinus pars V, lib. VI, n. 85. Quidam e confessa-<lb/> riis seu vere seu falso delatus ad provincialem tum Castellae,<lb/> Antonium Marcenium, erat de tentata puellae per sacras confes-<lb/> siones pudicitia, quod crimen in Hispania sacrorum quaesitorum<lb/> judicio reservabatur.</hi></note>. Da nach dieſem erſten<lb/> Anfang auch andere Anklagen hervortraten, ließ ſich die<lb/> Inquiſition die Statuten des Ordens aushaͤndigen, und<lb/> ſchritt zu neuen Verhaftungen. Es entſtand eine um ſo<lb/> lebhaftere Aufregung in den glaͤubigen Spaniern, da man<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [287/0299]
Jeſuitiſche Bewegungen.
Fall hieraus, daß die Provinzialen, in deren Haͤnden die
ganze Correſpondenz lag, eine noch groͤßere Selbſtaͤndig-
keit erhielten. Es war vergebens uͤber ſie zu klagen: ſie
konnten dieß leicht vorherſehen und die Wirkung um ſo eher
in voraus vernichten, da Aquaviva ſie ohnehin beguͤnſtigte:
ſie behielten ihre Stellen ſo gut wie auf Lebenszeit.
Unter dieſen Umſtaͤnden ſahen die alten Jeſuiten in
Spanien, daß ſich eine Lage der Dinge, die ſie als Ty-
rannei fuͤhlten, innerhalb der Grenzen der Geſellſchaft allein
niemals wuͤrde abaͤndern laſſen, ſie beſchloſſen ſich nach
fremder Huͤlfe umzuſehen.
Zuerſt wandten ſie ſich an die nationale geiſtliche Ge-
walt ihres Landes, an die Inquiſition. Die Inquiſition
hatte, wie man weiß, gar manches Vergehn ihrem Rich-
terſpruch vorbehalten. Ein mißvergnuͤgter Jeſuit klagte
— wie er erklaͤrte, durch Gewiſſensſcrupel bewogen —
ſeinen Orden an, daß er Verbrechen dieſer Art, wenn ſie
von ſeinen Mitgliedern begangen worden, verberge und ſelbſt
abmache. Ploͤtzlich ließ die Inquiſition den Provinzial, der
bei einem Falle dieſer Art betheiligt war, und einige ſeiner
thaͤtigſten Genoſſen einziehen 1). Da nach dieſem erſten
Anfang auch andere Anklagen hervortraten, ließ ſich die
Inquiſition die Statuten des Ordens aushaͤndigen, und
ſchritt zu neuen Verhaftungen. Es entſtand eine um ſo
lebhaftere Aufregung in den glaͤubigen Spaniern, da man
1) Sacchinus pars V, lib. VI, n. 85. Quidam e confessa-
riis seu vere seu falso delatus ad provincialem tum Castellae,
Antonium Marcenium, erat de tentata puellae per sacras confes-
siones pudicitia, quod crimen in Hispania sacrorum quaesitorum
judicio reservabatur.
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