Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.Buch VI. Innere Streitigkeiten. ohne Bewegung, ohne Unruhen wegkamen. Doch hatten sieMacht genug sich auch wieder zu rächen. Auch sie besetz- ten nun die untergeordneten Aemter bloß mit ihren persön- lichen Anhängern: denn an Anhängern konnte es ihnen bei der monarchischen Verfassung des Ordens und dem Ehr- geiz der Mitglieder auf die Länge nicht fehlen: sie schickten ihre hartnäckigsten Gegner fort, und zwar gerade dann am liebsten, wenn eine wichtige Berathung im Werke war: sie versetzten sie in andere Provinzen. So löste sich alles in Druck und Gegendruck von Persönlichkeiten auf. Je- des Mitglied hatte nicht allein das Recht, sondern sogar die Pflicht die Fehler anzuzeigen, die es an Andern be- merke: eine Einrichtung, die bei der Unschuld einer kleinen Genossenschaft nicht ohne moralischen Zweck seyn mochte: jetzt aber entwickelte sie sich zur widerwärtigsten Angebe- rei: sie ward ein Mittel des geheimen Ehrgeizes, des un- ter der Maske der Freundschaft verborgenen Hasses: "wollte man das Archiv zu Rom nachsehen," ruft Mariana aus, "so würde sich vielleicht kein einziger rechtschaffener Mann wenigstens unter uns Entferntern finden": es riß ein allge- meines Mißtrauen ein: Keiner hätte sich seinem Bruder vollkommen eröffnet. Dazu kam nun, daß Aquaviva nicht bewogen wer- Buch VI. Innere Streitigkeiten. ohne Bewegung, ohne Unruhen wegkamen. Doch hatten ſieMacht genug ſich auch wieder zu raͤchen. Auch ſie beſetz- ten nun die untergeordneten Aemter bloß mit ihren perſoͤn- lichen Anhaͤngern: denn an Anhaͤngern konnte es ihnen bei der monarchiſchen Verfaſſung des Ordens und dem Ehr- geiz der Mitglieder auf die Laͤnge nicht fehlen: ſie ſchickten ihre hartnaͤckigſten Gegner fort, und zwar gerade dann am liebſten, wenn eine wichtige Berathung im Werke war: ſie verſetzten ſie in andere Provinzen. So loͤſte ſich alles in Druck und Gegendruck von Perſoͤnlichkeiten auf. Je- des Mitglied hatte nicht allein das Recht, ſondern ſogar die Pflicht die Fehler anzuzeigen, die es an Andern be- merke: eine Einrichtung, die bei der Unſchuld einer kleinen Genoſſenſchaft nicht ohne moraliſchen Zweck ſeyn mochte: jetzt aber entwickelte ſie ſich zur widerwaͤrtigſten Angebe- rei: ſie ward ein Mittel des geheimen Ehrgeizes, des un- ter der Maske der Freundſchaft verborgenen Haſſes: „wollte man das Archiv zu Rom nachſehen,“ ruft Mariana aus, „ſo wuͤrde ſich vielleicht kein einziger rechtſchaffener Mann wenigſtens unter uns Entferntern finden“: es riß ein allge- meines Mißtrauen ein: Keiner haͤtte ſich ſeinem Bruder vollkommen eroͤffnet. Dazu kam nun, daß Aquaviva nicht bewogen wer- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0298" n="286"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#g">Innere Streitigkeiten</hi>.</fw><lb/> ohne Bewegung, ohne Unruhen wegkamen. Doch hatten ſie<lb/> Macht genug ſich auch wieder zu raͤchen. Auch ſie beſetz-<lb/> ten nun die untergeordneten Aemter bloß mit ihren perſoͤn-<lb/> lichen Anhaͤngern: denn an Anhaͤngern konnte es ihnen bei<lb/> der monarchiſchen Verfaſſung des Ordens und dem Ehr-<lb/> geiz der Mitglieder auf die Laͤnge nicht fehlen: ſie ſchickten<lb/> ihre hartnaͤckigſten Gegner fort, und zwar gerade dann am<lb/> liebſten, wenn eine wichtige Berathung im Werke war:<lb/> ſie verſetzten ſie in andere Provinzen. So loͤſte ſich alles<lb/> in Druck und Gegendruck von Perſoͤnlichkeiten auf. Je-<lb/> des Mitglied hatte nicht allein das Recht, ſondern ſogar<lb/> die Pflicht die Fehler anzuzeigen, die es an Andern be-<lb/> merke: eine Einrichtung, die bei der Unſchuld einer kleinen<lb/> Genoſſenſchaft nicht ohne moraliſchen Zweck ſeyn mochte:<lb/> jetzt aber entwickelte ſie ſich zur widerwaͤrtigſten Angebe-<lb/> rei: ſie ward ein Mittel des geheimen Ehrgeizes, des un-<lb/> ter der Maske der Freundſchaft verborgenen Haſſes: „wollte<lb/> man das Archiv zu Rom nachſehen,“ ruft Mariana aus,<lb/> „ſo wuͤrde ſich vielleicht kein einziger rechtſchaffener Mann<lb/> wenigſtens unter uns Entferntern finden“: es riß ein allge-<lb/> meines Mißtrauen ein: Keiner haͤtte ſich ſeinem Bruder<lb/> vollkommen eroͤffnet.</p><lb/> <p>Dazu kam nun, daß Aquaviva nicht bewogen wer-<lb/> den konnte Rom zu verlaſſen und die Provinzen zu be-<lb/> ſuchen, wie doch noch Lainez und Borgia gethan. Man<lb/> entſchuldigte dieß damit, daß es auch ſeinen Vortheil habe<lb/> die Dinge ſchriftlich in Erfahrung zu bringen, in ununter-<lb/> brochenem Fortgang, ohne die Stoͤrung der Zufaͤlligkei-<lb/> ten einer Reiſe. Allein zunaͤchſt folgte doch auf jeden<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0298]
Buch VI. Innere Streitigkeiten.
ohne Bewegung, ohne Unruhen wegkamen. Doch hatten ſie
Macht genug ſich auch wieder zu raͤchen. Auch ſie beſetz-
ten nun die untergeordneten Aemter bloß mit ihren perſoͤn-
lichen Anhaͤngern: denn an Anhaͤngern konnte es ihnen bei
der monarchiſchen Verfaſſung des Ordens und dem Ehr-
geiz der Mitglieder auf die Laͤnge nicht fehlen: ſie ſchickten
ihre hartnaͤckigſten Gegner fort, und zwar gerade dann am
liebſten, wenn eine wichtige Berathung im Werke war:
ſie verſetzten ſie in andere Provinzen. So loͤſte ſich alles
in Druck und Gegendruck von Perſoͤnlichkeiten auf. Je-
des Mitglied hatte nicht allein das Recht, ſondern ſogar
die Pflicht die Fehler anzuzeigen, die es an Andern be-
merke: eine Einrichtung, die bei der Unſchuld einer kleinen
Genoſſenſchaft nicht ohne moraliſchen Zweck ſeyn mochte:
jetzt aber entwickelte ſie ſich zur widerwaͤrtigſten Angebe-
rei: ſie ward ein Mittel des geheimen Ehrgeizes, des un-
ter der Maske der Freundſchaft verborgenen Haſſes: „wollte
man das Archiv zu Rom nachſehen,“ ruft Mariana aus,
„ſo wuͤrde ſich vielleicht kein einziger rechtſchaffener Mann
wenigſtens unter uns Entferntern finden“: es riß ein allge-
meines Mißtrauen ein: Keiner haͤtte ſich ſeinem Bruder
vollkommen eroͤffnet.
Dazu kam nun, daß Aquaviva nicht bewogen wer-
den konnte Rom zu verlaſſen und die Provinzen zu be-
ſuchen, wie doch noch Lainez und Borgia gethan. Man
entſchuldigte dieß damit, daß es auch ſeinen Vortheil habe
die Dinge ſchriftlich in Erfahrung zu bringen, in ununter-
brochenem Fortgang, ohne die Stoͤrung der Zufaͤlligkei-
ten einer Reiſe. Allein zunaͤchſt folgte doch auf jeden
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/298 |
Zitationshilfe: | Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/298>, abgerufen am 30.07.2024. |