Politik und Ritterschaft. Die Pracht wird durch ihren Sinn geadelt, die Geringfügigkeit der Mittel durch den Geist ergänzt.
In den Reimen und dem epischen Gedichte des Tasso tritt uns dieser Hof lebendig entgegen. Der Fürst, "dem man Hochherzigkeit und Kraft ansieht, von dem man nicht weiß ob er ein besserer Ritter oder Anführer ist", seine Gemahlinn, vor allem seine Schwestern. Die ältere, Lucrezia, die nur eine kurze Zeit bei ihrem Gemahl in Ur- bino, übrigens aber immer in Ferrara lebte, und hier auch Einfluß auf die Geschäfte hatte, hauptsächlich aber litera- rischen und musikalischen Bestrebungen Schwung und An- trieb gab: sie ist es die Tasso an dem Hofe befördert hat: die jüngere, Leonora, in beschränktern Verhältnissen, still, kränklich, zurückgezogen: aber wie ihre Schwester von star- ken Zügen des Gemüths 1). Während eines Erdbebens weigerten sie sich beide das Schloß zu verlassen: besonders Leonora gefiel sich in einer stoischen Gleichmüthigkeit: als sie endlich nachgaben, war es die höchste Zeit: unmittel- bar hinter ihnen stürzte die Decke ein. Man hielt Leo- nora fast für eine Heilige: ihren Gebeten schrieb man die Rettung von einer Ueberschwemmung zu 2). Tasso widmet ihnen eine ihrer Gemüthsart entsprechende Verehrung: der jüngern gemäßigt, selten, immer als ginge er mit Absicht
1) Im Jahre 1566 hat sie in Abwesenheit des Herzogs die Regentschaft geführt, nach Manolesso "con infinita sodisfattione de' sudditi": -- non ha preso, fährt er fort, ne vuol prendere marito, per esser di debolissima complessione: e pero di gran spirito.
2)Serassi: Vita di Torquato Tasso p. 150.
Ferrara unter AlfonſoII.
Politik und Ritterſchaft. Die Pracht wird durch ihren Sinn geadelt, die Geringfuͤgigkeit der Mittel durch den Geiſt ergaͤnzt.
In den Reimen und dem epiſchen Gedichte des Taſſo tritt uns dieſer Hof lebendig entgegen. Der Fuͤrſt, „dem man Hochherzigkeit und Kraft anſieht, von dem man nicht weiß ob er ein beſſerer Ritter oder Anfuͤhrer iſt“, ſeine Gemahlinn, vor allem ſeine Schweſtern. Die aͤltere, Lucrezia, die nur eine kurze Zeit bei ihrem Gemahl in Ur- bino, uͤbrigens aber immer in Ferrara lebte, und hier auch Einfluß auf die Geſchaͤfte hatte, hauptſaͤchlich aber litera- riſchen und muſikaliſchen Beſtrebungen Schwung und An- trieb gab: ſie iſt es die Taſſo an dem Hofe befoͤrdert hat: die juͤngere, Leonora, in beſchraͤnktern Verhaͤltniſſen, ſtill, kraͤnklich, zuruͤckgezogen: aber wie ihre Schweſter von ſtar- ken Zuͤgen des Gemuͤths 1). Waͤhrend eines Erdbebens weigerten ſie ſich beide das Schloß zu verlaſſen: beſonders Leonora gefiel ſich in einer ſtoiſchen Gleichmuͤthigkeit: als ſie endlich nachgaben, war es die hoͤchſte Zeit: unmittel- bar hinter ihnen ſtuͤrzte die Decke ein. Man hielt Leo- nora faſt fuͤr eine Heilige: ihren Gebeten ſchrieb man die Rettung von einer Ueberſchwemmung zu 2). Taſſo widmet ihnen eine ihrer Gemuͤthsart entſprechende Verehrung: der juͤngern gemaͤßigt, ſelten, immer als ginge er mit Abſicht
1) Im Jahre 1566 hat ſie in Abweſenheit des Herzogs die Regentſchaft gefuͤhrt, nach Manoleſſo „con infinita sodisfattione de’ sudditi“: — non ha preso, faͤhrt er fort, nè vuol prendere marito, per esser di debolissima complessione: è però di gran spirito.
2)Serassi: Vita di Torquato Tasso p. 150.
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Ferrara unter Alfonſo II.
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Geiſt ergaͤnzt.
In den Reimen und dem epiſchen Gedichte des Taſſo
tritt uns dieſer Hof lebendig entgegen. Der Fuͤrſt, „dem
man Hochherzigkeit und Kraft anſieht, von dem man
nicht weiß ob er ein beſſerer Ritter oder Anfuͤhrer iſt“,
ſeine Gemahlinn, vor allem ſeine Schweſtern. Die aͤltere,
Lucrezia, die nur eine kurze Zeit bei ihrem Gemahl in Ur-
bino, uͤbrigens aber immer in Ferrara lebte, und hier auch
Einfluß auf die Geſchaͤfte hatte, hauptſaͤchlich aber litera-
riſchen und muſikaliſchen Beſtrebungen Schwung und An-
trieb gab: ſie iſt es die Taſſo an dem Hofe befoͤrdert hat:
die juͤngere, Leonora, in beſchraͤnktern Verhaͤltniſſen, ſtill,
kraͤnklich, zuruͤckgezogen: aber wie ihre Schweſter von ſtar-
ken Zuͤgen des Gemuͤths 1). Waͤhrend eines Erdbebens
weigerten ſie ſich beide das Schloß zu verlaſſen: beſonders
Leonora gefiel ſich in einer ſtoiſchen Gleichmuͤthigkeit: als
ſie endlich nachgaben, war es die hoͤchſte Zeit: unmittel-
bar hinter ihnen ſtuͤrzte die Decke ein. Man hielt Leo-
nora faſt fuͤr eine Heilige: ihren Gebeten ſchrieb man die
Rettung von einer Ueberſchwemmung zu 2). Taſſo widmet
ihnen eine ihrer Gemuͤthsart entſprechende Verehrung: der
juͤngern gemaͤßigt, ſelten, immer als ginge er mit Abſicht
1) Im Jahre 1566 hat ſie in Abweſenheit des Herzogs die
Regentſchaft gefuͤhrt, nach Manoleſſo „con infinita sodisfattione
de’ sudditi“: — non ha preso, faͤhrt er fort, nè vuol prendere
marito, per esser di debolissima complessione: è però di gran
spirito.
2) Serassi: Vita di Torquato Tasso p. 150.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/273>, abgerufen am 25.11.2024.
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