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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
an der Verwaltung, der ihnen den Worten der Verfassung
nach allerdings zukam.

Nun hatte zwar auch die bisherige Regierung niemals
versäumt ihre Selbständigkeit sorgfältig zu behaupten; aber
sie hatte sich doch so viel es immer thunlich gewesen, den
Maaßregeln der Spanier und der Kirche angeschlossen: die
neue nahm diese Rücksichten nicht mehr: schon um des Ge-
gensatzes willen hegte sie die Neigung diesen Mächten Wi-
derpart zu halten.

Den Venezianern lag dieß allerdings sehr nahe.

Auf der einen Seite bemerkten sie mit Mißvergnü-
gen, daß die Lehre von der päpstlichen Allmacht, von dem
blinden Gehorsam auch bei ihnen gepredigt wurde: auf der
andern befürchteten sie den völligen Untergang des europäi-
schen Gleichgewichtes, wenn es den Spaniern gelingen sollte
sich einen vorherrschenden Einfluß in Frankreich zu ver-
schaffen. Auf der Feindseligkeit der beiden Länder hatte
die Freiheit von Europa bisher zu beruhen geschienen.

Und so folgte man der Entwickelung der französischen
Angelegenheiten mit doppelt lebendigem Antheil. Mit Be-
gierde griff man nach den Schriften welche die königlichen
Rechte vertheidigten. Besonders war eine Gesellschaft von
Staatsmännern und Gelehrten einflußreich, die sich bei
Andrea Morosini versammelte, an der Leonardo Donato,
Niccolo Contarini, nachher beide Dogen, Domenico Mo-
lino, später ein leitendes Oberhaupt der Republik, Fra
Paolo Sarpi, und einige andere ausgezeichnete Männer
Theil nahmen: alle noch in den Jahren, in denen man
geeignet ist neue Gedanken nicht allein zu ergreifen, son-

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
an der Verwaltung, der ihnen den Worten der Verfaſſung
nach allerdings zukam.

Nun hatte zwar auch die bisherige Regierung niemals
verſaͤumt ihre Selbſtaͤndigkeit ſorgfaͤltig zu behaupten; aber
ſie hatte ſich doch ſo viel es immer thunlich geweſen, den
Maaßregeln der Spanier und der Kirche angeſchloſſen: die
neue nahm dieſe Ruͤckſichten nicht mehr: ſchon um des Ge-
genſatzes willen hegte ſie die Neigung dieſen Maͤchten Wi-
derpart zu halten.

Den Venezianern lag dieß allerdings ſehr nahe.

Auf der einen Seite bemerkten ſie mit Mißvergnuͤ-
gen, daß die Lehre von der paͤpſtlichen Allmacht, von dem
blinden Gehorſam auch bei ihnen gepredigt wurde: auf der
andern befuͤrchteten ſie den voͤlligen Untergang des europaͤi-
ſchen Gleichgewichtes, wenn es den Spaniern gelingen ſollte
ſich einen vorherrſchenden Einfluß in Frankreich zu ver-
ſchaffen. Auf der Feindſeligkeit der beiden Laͤnder hatte
die Freiheit von Europa bisher zu beruhen geſchienen.

Und ſo folgte man der Entwickelung der franzoͤſiſchen
Angelegenheiten mit doppelt lebendigem Antheil. Mit Be-
gierde griff man nach den Schriften welche die koͤniglichen
Rechte vertheidigten. Beſonders war eine Geſellſchaft von
Staatsmaͤnnern und Gelehrten einflußreich, die ſich bei
Andrea Moroſini verſammelte, an der Leonardo Donato,
Niccolo Contarini, nachher beide Dogen, Domenico Mo-
lino, ſpaͤter ein leitendes Oberhaupt der Republik, Fra
Paolo Sarpi, und einige andere ausgezeichnete Maͤnner
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[196/0208] Buch VI. Innere Streitigkeiten. an der Verwaltung, der ihnen den Worten der Verfaſſung nach allerdings zukam. Nun hatte zwar auch die bisherige Regierung niemals verſaͤumt ihre Selbſtaͤndigkeit ſorgfaͤltig zu behaupten; aber ſie hatte ſich doch ſo viel es immer thunlich geweſen, den Maaßregeln der Spanier und der Kirche angeſchloſſen: die neue nahm dieſe Ruͤckſichten nicht mehr: ſchon um des Ge- genſatzes willen hegte ſie die Neigung dieſen Maͤchten Wi- derpart zu halten. Den Venezianern lag dieß allerdings ſehr nahe. Auf der einen Seite bemerkten ſie mit Mißvergnuͤ- gen, daß die Lehre von der paͤpſtlichen Allmacht, von dem blinden Gehorſam auch bei ihnen gepredigt wurde: auf der andern befuͤrchteten ſie den voͤlligen Untergang des europaͤi- ſchen Gleichgewichtes, wenn es den Spaniern gelingen ſollte ſich einen vorherrſchenden Einfluß in Frankreich zu ver- ſchaffen. Auf der Feindſeligkeit der beiden Laͤnder hatte die Freiheit von Europa bisher zu beruhen geſchienen. Und ſo folgte man der Entwickelung der franzoͤſiſchen Angelegenheiten mit doppelt lebendigem Antheil. Mit Be- gierde griff man nach den Schriften welche die koͤniglichen Rechte vertheidigten. Beſonders war eine Geſellſchaft von Staatsmaͤnnern und Gelehrten einflußreich, die ſich bei Andrea Moroſini verſammelte, an der Leonardo Donato, Niccolo Contarini, nachher beide Dogen, Domenico Mo- lino, ſpaͤter ein leitendes Oberhaupt der Republik, Fra Paolo Sarpi, und einige andere ausgezeichnete Maͤnner Theil nahmen: alle noch in den Jahren, in denen man geeignet iſt neue Gedanken nicht allein zu ergreifen, ſon-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/208>, abgerufen am 24.11.2024.