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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Kirchlich politische Theorie.
chen Autorität. So weit geht Bellarmin nicht, dem
Papste eine weltliche Gewalt direct, durch göttliches Recht
zuzuschreiben 1): obwohl Sixtus V. diese Meinung hegte,
und es sogar übel nahm, wenn man sie fahren ließ: aber
desto unzweifelhafter mißt er ihm eine solche indirect bei.
Die weltliche Gewalt vergleicht er mit dem Leibe, die geist-
liche mit der Seele des Menschen: er schreibt der Kirche
die nemliche Herrschaft über den Staat zu, welche die Seele
über den Leib ausübe. Die geistliche Gewalt habe das
Recht und die Pflicht, der weltlichen Zügel anzulegen, so-
bald sie den Zwecken der Religion schädlich werde. Man
könne nicht sagen, daß dem Papste ein regelmäßiger Ein-
fluß auf die Gesetzgebung des Staates zukomme 2); wäre
aber ein Gesetz zum Heile der Seelen nothwendig, und wei-
gerte sich der Fürst es zu erlassen, und wäre ein Gesetz
dem Heile der Seelen nachtheilig und wollte der Fürst hart-
näckig dabei verharren, so sey der Papst allerdings berech-
tiget das eine anzuordnen, das andere abzuschaffen. Und
auch schon mit diesem Princip kommt er doch sehr weit.

1) Bellarminus de Romano pontifice V, VI: Asserimus
pontificem ut pontificem, etsi non habeat ullam meram tempo-
ralem potestatem, tamen habere in ordine ad bonum spirituale
summam potestatem disponendi de temporalibus rebus omnium
Christianorum
.
2) Bellarminus de Romano pontifice V, VI: Quantum ad
personas, non potest papa ut papa ordinarie temporales princi-
pes deponere, etiam justa de causa, eo modo quo deponit epi-
scopos, id est tanquam ordinarius judex: tamen potest mutare
regna et uni auferre atque alteri conferre tanquam summus
princeps spiritualis, si id necessarium sit ad animarum salu-
tem: etc. etc
.

Kirchlich politiſche Theorie.
chen Autoritaͤt. So weit geht Bellarmin nicht, dem
Papſte eine weltliche Gewalt direct, durch goͤttliches Recht
zuzuſchreiben 1): obwohl Sixtus V. dieſe Meinung hegte,
und es ſogar uͤbel nahm, wenn man ſie fahren ließ: aber
deſto unzweifelhafter mißt er ihm eine ſolche indirect bei.
Die weltliche Gewalt vergleicht er mit dem Leibe, die geiſt-
liche mit der Seele des Menſchen: er ſchreibt der Kirche
die nemliche Herrſchaft uͤber den Staat zu, welche die Seele
uͤber den Leib ausuͤbe. Die geiſtliche Gewalt habe das
Recht und die Pflicht, der weltlichen Zuͤgel anzulegen, ſo-
bald ſie den Zwecken der Religion ſchaͤdlich werde. Man
koͤnne nicht ſagen, daß dem Papſte ein regelmaͤßiger Ein-
fluß auf die Geſetzgebung des Staates zukomme 2); waͤre
aber ein Geſetz zum Heile der Seelen nothwendig, und wei-
gerte ſich der Fuͤrſt es zu erlaſſen, und waͤre ein Geſetz
dem Heile der Seelen nachtheilig und wollte der Fuͤrſt hart-
naͤckig dabei verharren, ſo ſey der Papſt allerdings berech-
tiget das eine anzuordnen, das andere abzuſchaffen. Und
auch ſchon mit dieſem Princip kommt er doch ſehr weit.

1) Bellarminus de Romano pontifice V, VI: Asserimus
pontificem ut pontificem, etsi non habeat ullam meram tempo-
ralem potestatem, tamen habere in ordine ad bonum spirituale
summam potestatem disponendi de temporalibus rebus omnium
Christianorum
.
2) Bellarminus de Romano pontifice V, VI: Quantum ad
personas, non potest papa ut papa ordinarie temporales princi-
pes deponere, etiam justa de causa, eo modo quo deponit epi-
scopos, id est tanquam ordinarius judex: tamen potest mutare
regna et uni auferre atque alteri conferre tanquam summus
princeps spiritualis, si id necessarium sit ad animarum salu-
tem: etc. etc
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[183/0195] Kirchlich politiſche Theorie. chen Autoritaͤt. So weit geht Bellarmin nicht, dem Papſte eine weltliche Gewalt direct, durch goͤttliches Recht zuzuſchreiben 1): obwohl Sixtus V. dieſe Meinung hegte, und es ſogar uͤbel nahm, wenn man ſie fahren ließ: aber deſto unzweifelhafter mißt er ihm eine ſolche indirect bei. Die weltliche Gewalt vergleicht er mit dem Leibe, die geiſt- liche mit der Seele des Menſchen: er ſchreibt der Kirche die nemliche Herrſchaft uͤber den Staat zu, welche die Seele uͤber den Leib ausuͤbe. Die geiſtliche Gewalt habe das Recht und die Pflicht, der weltlichen Zuͤgel anzulegen, ſo- bald ſie den Zwecken der Religion ſchaͤdlich werde. Man koͤnne nicht ſagen, daß dem Papſte ein regelmaͤßiger Ein- fluß auf die Geſetzgebung des Staates zukomme 2); waͤre aber ein Geſetz zum Heile der Seelen nothwendig, und wei- gerte ſich der Fuͤrſt es zu erlaſſen, und waͤre ein Geſetz dem Heile der Seelen nachtheilig und wollte der Fuͤrſt hart- naͤckig dabei verharren, ſo ſey der Papſt allerdings berech- tiget das eine anzuordnen, das andere abzuſchaffen. Und auch ſchon mit dieſem Princip kommt er doch ſehr weit. 1) Bellarminus de Romano pontifice V, VI: Asserimus pontificem ut pontificem, etsi non habeat ullam meram tempo- ralem potestatem, tamen habere in ordine ad bonum spirituale summam potestatem disponendi de temporalibus rebus omnium Christianorum. 2) Bellarminus de Romano pontifice V, VI: Quantum ad personas, non potest papa ut papa ordinarie temporales princi- pes deponere, etiam justa de causa, eo modo quo deponit epi- scopos, id est tanquam ordinarius judex: tamen potest mutare regna et uni auferre atque alteri conferre tanquam summus princeps spiritualis, si id necessarium sit ad animarum salu- tem: etc. etc.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/195>, abgerufen am 24.11.2024.