17. Mai 1579 -- in dem Lager zu Mastricht ward der Vertrag abgeschlossen. Aber zu welchen Bedingungen mußte sich der König verstehn! Es war eine Restauration sei- ner Macht, die aber nur unter den strengsten Beschränkun- gen Statt hatte. Er versprach nicht allein, alle Fremde aus seinem Heere zu entlassen und sich nur niederländischer Truppen zu bedienen: er bestätigte auch alle Angestellte in den Aemtern, die sie während der Unruhen bekommen: die Einwohner verpflichteten sich sogar, keine Besatzung aufzu- nehmen, von der den Ständen des Landes nicht vorher Nachricht gegeben worden: zwei Drittheil des Staatsraths sollten aus Leuten bestehn, welche in die Unruhen mit ver- flochten gewesen. In diesem Sinne sind auch die übrigen Artikel 1). Die Provinzen bekamen eine Selbständigkeit, wie sie nie gehabt.
Es liegt hierin eine Wendung der Dinge von allge- meiner Bedeutung. In dem ganzen westlichen Europa hatte man bisher den Katholicismus nur durch die Anwendung offener Gewalt zu erhalten und wiedereinzuführen gesucht: die fürstliche Macht hatte unter diesem Vorwand die pro- vinzialen Rechte noch vollends zu unterdrücken gestrebt. Jetzt sah sie sich genöthigt, einen andern Weg einzuschla- gen. Wollte sie den Katholicismus wiederherstellen, und sich selbst behaupten, so konnte sie dieß nur im Verein mit Ständen und Privilegien ausrichten.
Wie sehr aber auch die königliche Macht beschränkt ward, so hatte sie doch unendlich viel gewonnen. Sie be-
1) In seiner ganzen Ausführlichkeit theilt Tassis diesen Ver- trag mit: lib. V, 394--405.
Entſcheidung in den Niederlanden.
17. Mai 1579 — in dem Lager zu Maſtricht ward der Vertrag abgeſchloſſen. Aber zu welchen Bedingungen mußte ſich der Koͤnig verſtehn! Es war eine Reſtauration ſei- ner Macht, die aber nur unter den ſtrengſten Beſchraͤnkun- gen Statt hatte. Er verſprach nicht allein, alle Fremde aus ſeinem Heere zu entlaſſen und ſich nur niederlaͤndiſcher Truppen zu bedienen: er beſtaͤtigte auch alle Angeſtellte in den Aemtern, die ſie waͤhrend der Unruhen bekommen: die Einwohner verpflichteten ſich ſogar, keine Beſatzung aufzu- nehmen, von der den Staͤnden des Landes nicht vorher Nachricht gegeben worden: zwei Drittheil des Staatsraths ſollten aus Leuten beſtehn, welche in die Unruhen mit ver- flochten geweſen. In dieſem Sinne ſind auch die uͤbrigen Artikel 1). Die Provinzen bekamen eine Selbſtaͤndigkeit, wie ſie nie gehabt.
Es liegt hierin eine Wendung der Dinge von allge- meiner Bedeutung. In dem ganzen weſtlichen Europa hatte man bisher den Katholicismus nur durch die Anwendung offener Gewalt zu erhalten und wiedereinzufuͤhren geſucht: die fuͤrſtliche Macht hatte unter dieſem Vorwand die pro- vinzialen Rechte noch vollends zu unterdruͤcken geſtrebt. Jetzt ſah ſie ſich genoͤthigt, einen andern Weg einzuſchla- gen. Wollte ſie den Katholicismus wiederherſtellen, und ſich ſelbſt behaupten, ſo konnte ſie dieß nur im Verein mit Staͤnden und Privilegien ausrichten.
Wie ſehr aber auch die koͤnigliche Macht beſchraͤnkt ward, ſo hatte ſie doch unendlich viel gewonnen. Sie be-
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Entſcheidung in den Niederlanden.
17. Mai 1579 — in dem Lager zu Maſtricht ward der
Vertrag abgeſchloſſen. Aber zu welchen Bedingungen mußte
ſich der Koͤnig verſtehn! Es war eine Reſtauration ſei-
ner Macht, die aber nur unter den ſtrengſten Beſchraͤnkun-
gen Statt hatte. Er verſprach nicht allein, alle Fremde
aus ſeinem Heere zu entlaſſen und ſich nur niederlaͤndiſcher
Truppen zu bedienen: er beſtaͤtigte auch alle Angeſtellte in
den Aemtern, die ſie waͤhrend der Unruhen bekommen: die
Einwohner verpflichteten ſich ſogar, keine Beſatzung aufzu-
nehmen, von der den Staͤnden des Landes nicht vorher
Nachricht gegeben worden: zwei Drittheil des Staatsraths
ſollten aus Leuten beſtehn, welche in die Unruhen mit ver-
flochten geweſen. In dieſem Sinne ſind auch die uͤbrigen
Artikel 1). Die Provinzen bekamen eine Selbſtaͤndigkeit,
wie ſie nie gehabt.
Es liegt hierin eine Wendung der Dinge von allge-
meiner Bedeutung. In dem ganzen weſtlichen Europa hatte
man bisher den Katholicismus nur durch die Anwendung
offener Gewalt zu erhalten und wiedereinzufuͤhren geſucht:
die fuͤrſtliche Macht hatte unter dieſem Vorwand die pro-
vinzialen Rechte noch vollends zu unterdruͤcken geſtrebt.
Jetzt ſah ſie ſich genoͤthigt, einen andern Weg einzuſchla-
gen. Wollte ſie den Katholicismus wiederherſtellen, und
ſich ſelbſt behaupten, ſo konnte ſie dieß nur im Verein mit
Staͤnden und Privilegien ausrichten.
Wie ſehr aber auch die koͤnigliche Macht beſchraͤnkt
ward, ſo hatte ſie doch unendlich viel gewonnen. Sie be-
1) In ſeiner ganzen Ausfuͤhrlichkeit theilt Taſſis dieſen Ver-
trag mit: lib. V, 394—405.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/113>, abgerufen am 30.07.2024.
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