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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Verweltlichung der Kirche.

Schon an sich besaßen die Bettelorden außerordentliche
Privilegien. Sixtus IV., selber ein Franziscaner, hatte
sie ihnen noch vermehrt. Das Recht, Beichte zu hören,
das Abendmahl auszutheilen, die letzte Oelung zu geben,
auf dem Grund und Boden, ja in der Kutte des Ordens
zu begraben, -- Rechte, die Ansehn und Vortheil brach-
ten, hatte er ihnen in aller ihrer Fülle gewährt, und die
Ungehorsamen, die Pfarrer, diejenigen, welche die Orden,
namentlich in Hinsicht der Verlassenschaften, beunruhigen
würden mit dem Verluste ihrer Aemter bedroht 1).

Da sie nun zugleich auch die Bisthümer, die Pfarren
selbst zu verwalten bekamen, so sieht man, welch einen un-
ermeßlichen Einfluß sie ausübten. Alle höhere Stellen und
bedeutende Würden, der Genuß der Einkünfte war in den
Händen der großen Geschlechter und ihrer Anhänger, der
Begünstigten der Höfe und der Curie: die wirkliche Amts-
führung war in den Händen der Bettelmönche. Die Päpste
beschützten sie dabei. Waren sie es doch, die unter andern den
Ablaß vertrieben, dem man in diesen Zeiten, -- erst Alexan-
der VI. erklärte offiziell, daß er aus dem Fegefeuer erlöse,
-- eine so ungemeine Ausdehnung gab. Aber auch sie
waren in völlige Weltlichkeit versunken. Welch ein Trei-
ben in den Orden um die höheren Stellen! Wie suchte

1) Amplissimae gratiae et privilegia fratrum minerum con-
ventualium ordinis S. Francisci, quae propterea mare magnum
nuncupantur 31 Aug. 1474. Bullarium Rom. III, 3, 139.
Für
die Dominicaner war eine ähnliche Bulle gegeben. Auf dem Late-
ranconcilium von 1512 beschäftigte man sich viel mit diesem mare
magnum
: doch sind Privilegien -- wenigstens waren sie es damals
-- leichter gegeben als genommen.
Verweltlichung der Kirche.

Schon an ſich beſaßen die Bettelorden außerordentliche
Privilegien. Sixtus IV., ſelber ein Franziscaner, hatte
ſie ihnen noch vermehrt. Das Recht, Beichte zu hoͤren,
das Abendmahl auszutheilen, die letzte Oelung zu geben,
auf dem Grund und Boden, ja in der Kutte des Ordens
zu begraben, — Rechte, die Anſehn und Vortheil brach-
ten, hatte er ihnen in aller ihrer Fuͤlle gewaͤhrt, und die
Ungehorſamen, die Pfarrer, diejenigen, welche die Orden,
namentlich in Hinſicht der Verlaſſenſchaften, beunruhigen
wuͤrden mit dem Verluſte ihrer Aemter bedroht 1).

Da ſie nun zugleich auch die Bisthuͤmer, die Pfarren
ſelbſt zu verwalten bekamen, ſo ſieht man, welch einen un-
ermeßlichen Einfluß ſie ausuͤbten. Alle hoͤhere Stellen und
bedeutende Wuͤrden, der Genuß der Einkuͤnfte war in den
Haͤnden der großen Geſchlechter und ihrer Anhaͤnger, der
Beguͤnſtigten der Hoͤfe und der Curie: die wirkliche Amts-
fuͤhrung war in den Haͤnden der Bettelmoͤnche. Die Paͤpſte
beſchuͤtzten ſie dabei. Waren ſie es doch, die unter andern den
Ablaß vertrieben, dem man in dieſen Zeiten, — erſt Alexan-
der VI. erklaͤrte offiziell, daß er aus dem Fegefeuer erloͤſe,
— eine ſo ungemeine Ausdehnung gab. Aber auch ſie
waren in voͤllige Weltlichkeit verſunken. Welch ein Trei-
ben in den Orden um die hoͤheren Stellen! Wie ſuchte

1) Amplissimae gratiae et privilegia fratrum minerum con-
ventualium ordinis S. Francisci, quae propterea mare magnum
nuncupantur 31 Aug. 1474. Bullarium Rom. III, 3, 139.
Fuͤr
die Dominicaner war eine aͤhnliche Bulle gegeben. Auf dem Late-
ranconcilium von 1512 beſchaͤftigte man ſich viel mit dieſem mare
magnum
: doch ſind Privilegien — wenigſtens waren ſie es damals
— leichter gegeben als genommen.
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[59/0085] Verweltlichung der Kirche. Schon an ſich beſaßen die Bettelorden außerordentliche Privilegien. Sixtus IV., ſelber ein Franziscaner, hatte ſie ihnen noch vermehrt. Das Recht, Beichte zu hoͤren, das Abendmahl auszutheilen, die letzte Oelung zu geben, auf dem Grund und Boden, ja in der Kutte des Ordens zu begraben, — Rechte, die Anſehn und Vortheil brach- ten, hatte er ihnen in aller ihrer Fuͤlle gewaͤhrt, und die Ungehorſamen, die Pfarrer, diejenigen, welche die Orden, namentlich in Hinſicht der Verlaſſenſchaften, beunruhigen wuͤrden mit dem Verluſte ihrer Aemter bedroht 1). Da ſie nun zugleich auch die Bisthuͤmer, die Pfarren ſelbſt zu verwalten bekamen, ſo ſieht man, welch einen un- ermeßlichen Einfluß ſie ausuͤbten. Alle hoͤhere Stellen und bedeutende Wuͤrden, der Genuß der Einkuͤnfte war in den Haͤnden der großen Geſchlechter und ihrer Anhaͤnger, der Beguͤnſtigten der Hoͤfe und der Curie: die wirkliche Amts- fuͤhrung war in den Haͤnden der Bettelmoͤnche. Die Paͤpſte beſchuͤtzten ſie dabei. Waren ſie es doch, die unter andern den Ablaß vertrieben, dem man in dieſen Zeiten, — erſt Alexan- der VI. erklaͤrte offiziell, daß er aus dem Fegefeuer erloͤſe, — eine ſo ungemeine Ausdehnung gab. Aber auch ſie waren in voͤllige Weltlichkeit verſunken. Welch ein Trei- ben in den Orden um die hoͤheren Stellen! Wie ſuchte 1) Amplissimae gratiae et privilegia fratrum minerum con- ventualium ordinis S. Francisci, quae propterea mare magnum nuncupantur 31 Aug. 1474. Bullarium Rom. III, 3, 139. Fuͤr die Dominicaner war eine aͤhnliche Bulle gegeben. Auf dem Late- ranconcilium von 1512 beſchaͤftigte man ſich viel mit dieſem mare magnum: doch ſind Privilegien — wenigſtens waren ſie es damals — leichter gegeben als genommen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/85>, abgerufen am 06.05.2024.