Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Erweiterung des Kirchenstaates. erwartete er die Erfüllung seiner Wünsche, aber er hieltsie in sich verschlossen. Betrachte ich, was ihm seine Hal- tung gab, so finde ich: es war vor allem, daß er seine Tendenz nennen, daß er sich zu ihr bekennen, sich ihrer rüh- men durfte. Den Kirchenstaat herstellen zu wollen, hielt die damalige Welt für ein rühmliches Unternehmen: sie fand es selbst religiös: alle Schritte des Papstes hatten diesen einzigen Zweck: von dieser Idee waren alle seine Ge- danken belebt, sie waren, ich möchte sagen gestählt darin. Da er nun zu den kühnsten Combinationen griff, da er alles an alles setzte -- er ging selber zu Felde: und in Mirandula, das er erobert, ist er über den gefrornen Gra- ben durch die Bresche eingezogen: -- da das entschiedene Unglück ihn nicht bewog, nachzugeben, sondern nur neue Hülfsquellen in ihm zu erwecken schien: so gelang es ihm auch: er entriß nicht allein seine Ortschaften den Ve- nezianern: in dem heißen Kampfe, der sich hierauf entzündete, brachte er zuletzt Parma, Piacenza, selbst Reggio an sich; er gründete eine Macht, wie nie ein Papst sie besessen. Von Piacenza bis Terracina gehorchte ihm das schönste Land. Er hatte immer als ein Befreier erscheinen wollen: seine neuen Unterthanen behandelte er gut und weise: er erwarb ihre Zuneigung und Ergebenheit. Nicht ohne Furcht sah die übrige Welt so viel kriegerisch gesinnte Bevölkerungen in dem Gehorsam eines Papstes. Sonst, sagt Machiavell, existirt eine zweite Relation von Polo Capello von 1510, aus der
hier ein paar Notizen aufgenommen sind. Francesco Vettori: Som- mario dell' istoria d'Italia, Ms. sagt von ihm: Julio piu fortu- nato che prudente e piu animoso, che forte ma ambitioso e de- sideroso di grandezze oltra a modo. Erweiterung des Kirchenſtaates. erwartete er die Erfuͤllung ſeiner Wuͤnſche, aber er hieltſie in ſich verſchloſſen. Betrachte ich, was ihm ſeine Hal- tung gab, ſo finde ich: es war vor allem, daß er ſeine Tendenz nennen, daß er ſich zu ihr bekennen, ſich ihrer ruͤh- men durfte. Den Kirchenſtaat herſtellen zu wollen, hielt die damalige Welt fuͤr ein ruͤhmliches Unternehmen: ſie fand es ſelbſt religioͤs: alle Schritte des Papſtes hatten dieſen einzigen Zweck: von dieſer Idee waren alle ſeine Ge- danken belebt, ſie waren, ich moͤchte ſagen geſtaͤhlt darin. Da er nun zu den kuͤhnſten Combinationen griff, da er alles an alles ſetzte — er ging ſelber zu Felde: und in Mirandula, das er erobert, iſt er uͤber den gefrornen Gra- ben durch die Breſche eingezogen: — da das entſchiedene Ungluͤck ihn nicht bewog, nachzugeben, ſondern nur neue Huͤlfsquellen in ihm zu erwecken ſchien: ſo gelang es ihm auch: er entriß nicht allein ſeine Ortſchaften den Ve- nezianern: in dem heißen Kampfe, der ſich hierauf entzuͤndete, brachte er zuletzt Parma, Piacenza, ſelbſt Reggio an ſich; er gruͤndete eine Macht, wie nie ein Papſt ſie beſeſſen. Von Piacenza bis Terracina gehorchte ihm das ſchoͤnſte Land. Er hatte immer als ein Befreier erſcheinen wollen: ſeine neuen Unterthanen behandelte er gut und weiſe: er erwarb ihre Zuneigung und Ergebenheit. Nicht ohne Furcht ſah die uͤbrige Welt ſo viel kriegeriſch geſinnte Bevoͤlkerungen in dem Gehorſam eines Papſtes. Sonſt, ſagt Machiavell, exiſtirt eine zweite Relation von Polo Capello von 1510, aus der
hier ein paar Notizen aufgenommen ſind. Francesco Vettori: Som- mario dell’ istoria d’Italia, Ms. ſagt von ihm: Julio piu fortu- nato che prudente e piu animoso, che forte ma ambitioso e de- sideroso di grandezze oltra a modo. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0081" n="55"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erweiterung des Kirchenſtaates</hi>.</fw><lb/> erwartete er die Erfuͤllung ſeiner Wuͤnſche, aber er hielt<lb/> ſie in ſich verſchloſſen. Betrachte ich, was ihm ſeine Hal-<lb/> tung gab, ſo finde ich: es war vor allem, daß er ſeine<lb/> Tendenz nennen, daß er ſich zu ihr bekennen, ſich ihrer ruͤh-<lb/> men durfte. Den Kirchenſtaat herſtellen zu wollen, hielt<lb/> die damalige Welt fuͤr ein ruͤhmliches Unternehmen: ſie<lb/> fand es ſelbſt religioͤs: alle Schritte des Papſtes hatten<lb/> dieſen einzigen Zweck: von dieſer Idee waren alle ſeine Ge-<lb/> danken belebt, ſie waren, ich moͤchte ſagen geſtaͤhlt darin.<lb/> Da er nun zu den kuͤhnſten Combinationen griff, da er<lb/> alles an alles ſetzte — er ging ſelber zu Felde: und in<lb/> Mirandula, das er erobert, iſt er uͤber den gefrornen Gra-<lb/> ben durch die Breſche eingezogen: — da das entſchiedene<lb/> Ungluͤck ihn nicht bewog, nachzugeben, ſondern nur neue<lb/> Huͤlfsquellen in ihm zu erwecken ſchien: ſo gelang es<lb/> ihm auch: er entriß nicht allein ſeine Ortſchaften den Ve-<lb/> nezianern: in dem heißen Kampfe, der ſich hierauf entzuͤndete,<lb/> brachte er zuletzt Parma, Piacenza, ſelbſt Reggio an ſich;<lb/> er gruͤndete eine Macht, wie nie ein Papſt ſie beſeſſen.<lb/> Von Piacenza bis Terracina gehorchte ihm das ſchoͤnſte Land.<lb/> Er hatte immer als ein Befreier erſcheinen wollen: ſeine<lb/> neuen Unterthanen behandelte er gut und weiſe: er erwarb<lb/> ihre Zuneigung und Ergebenheit. Nicht ohne Furcht ſah<lb/> die uͤbrige Welt ſo viel kriegeriſch geſinnte Bevoͤlkerungen<lb/> in dem Gehorſam eines Papſtes. Sonſt, ſagt Machiavell,<lb/><note xml:id="note-0081" prev="#note-0080" place="foot" n="1)">exiſtirt eine zweite Relation von Polo Capello von 1510, aus der<lb/> hier ein paar Notizen aufgenommen ſind. <hi rendition="#aq">Francesco Vettori: Som-<lb/> mario dell’ istoria d’Italia, Ms.</hi> ſagt von ihm: <hi rendition="#aq">Julio piu fortu-<lb/> nato che prudente e piu animoso, che forte ma ambitioso e de-<lb/> sideroso di grandezze oltra a modo.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0081]
Erweiterung des Kirchenſtaates.
erwartete er die Erfuͤllung ſeiner Wuͤnſche, aber er hielt
ſie in ſich verſchloſſen. Betrachte ich, was ihm ſeine Hal-
tung gab, ſo finde ich: es war vor allem, daß er ſeine
Tendenz nennen, daß er ſich zu ihr bekennen, ſich ihrer ruͤh-
men durfte. Den Kirchenſtaat herſtellen zu wollen, hielt
die damalige Welt fuͤr ein ruͤhmliches Unternehmen: ſie
fand es ſelbſt religioͤs: alle Schritte des Papſtes hatten
dieſen einzigen Zweck: von dieſer Idee waren alle ſeine Ge-
danken belebt, ſie waren, ich moͤchte ſagen geſtaͤhlt darin.
Da er nun zu den kuͤhnſten Combinationen griff, da er
alles an alles ſetzte — er ging ſelber zu Felde: und in
Mirandula, das er erobert, iſt er uͤber den gefrornen Gra-
ben durch die Breſche eingezogen: — da das entſchiedene
Ungluͤck ihn nicht bewog, nachzugeben, ſondern nur neue
Huͤlfsquellen in ihm zu erwecken ſchien: ſo gelang es
ihm auch: er entriß nicht allein ſeine Ortſchaften den Ve-
nezianern: in dem heißen Kampfe, der ſich hierauf entzuͤndete,
brachte er zuletzt Parma, Piacenza, ſelbſt Reggio an ſich;
er gruͤndete eine Macht, wie nie ein Papſt ſie beſeſſen.
Von Piacenza bis Terracina gehorchte ihm das ſchoͤnſte Land.
Er hatte immer als ein Befreier erſcheinen wollen: ſeine
neuen Unterthanen behandelte er gut und weiſe: er erwarb
ihre Zuneigung und Ergebenheit. Nicht ohne Furcht ſah
die uͤbrige Welt ſo viel kriegeriſch geſinnte Bevoͤlkerungen
in dem Gehorſam eines Papſtes. Sonſt, ſagt Machiavell,
1)
1) exiſtirt eine zweite Relation von Polo Capello von 1510, aus der
hier ein paar Notizen aufgenommen ſind. Francesco Vettori: Som-
mario dell’ istoria d’Italia, Ms. ſagt von ihm: Julio piu fortu-
nato che prudente e piu animoso, che forte ma ambitioso e de-
sideroso di grandezze oltra a modo.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |