Einfluß auf die Weltbegebenheiten gehabt haben, lag diese einzige Rücksicht ausschließend zu Grunde; wie ein Papst seine Kinder verheirathen, ausstatten, einrichten wollte, ward ein Moment der Weltbewegung.
Cesar Borgia, sein Sohn, trat in die Fußtapfen des Riario. Er begann an dem nemlichen Punkte; eben das war seine erste Unternehmung, daß er die Witwe Riarios aus Imola und Forli verjagte. Mit herzhafter Rück- sichtslosigkeit schritt er weiter; was jener nur versucht, nur begonnen hatte, setzte er ins Werk. Man betrachte, wel- chen Weg er hierbei einschlug: mit ein paar Worten läßt es sich sagen. Der Kirchenstaat war bisher von den bei- den Parteien der Guelfen und der Gibellinen, der Colonna und der Orsinen in Entzweiung gehalten worden. Wie die andren päpstlichen Gewalten, wie noch Sixtus IV., verbanden sich auch Alexander und sein Sohn anfangs mit der einen von beiden, mit der orsinisch-guelfischen. In diesem Bunde gelang es ihnen bald, aller ihrer Feinde Herr zu werden. Sie verjagten die Sforza von Pesaro, die Malatesta von Rimini, die Manfreddi von Faenza; sie nah- men diese mächtigen wohlbefestigten Städte ein; schon grün- deten sie hier eine bedeutende Herrschaft. Kaum aber wa- ren sie so weit; kaum hatten sie ihre Feinde beseitigt, so wandten sie sich wider ihre Freunde. Dadurch unterschied sich die borgianische Gewalt von den früheren, welche im- mer selber wieder von der Partei, der sie sich angeschlos- sen, waren gefesselt worden. Cesar griff ohne viel Zau- dern auch seine Verbündeten an. Den Herzog von Urbino, der ihm bisher Vorschub geleistet, hatte er, ehe dieser das
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Kap. II.Die Kirche im Anf. d. 16. Jahrh.
Einfluß auf die Weltbegebenheiten gehabt haben, lag dieſe einzige Ruͤckſicht ausſchließend zu Grunde; wie ein Papſt ſeine Kinder verheirathen, ausſtatten, einrichten wollte, ward ein Moment der Weltbewegung.
Ceſar Borgia, ſein Sohn, trat in die Fußtapfen des Riario. Er begann an dem nemlichen Punkte; eben das war ſeine erſte Unternehmung, daß er die Witwe Riarios aus Imola und Forli verjagte. Mit herzhafter Ruͤck- ſichtsloſigkeit ſchritt er weiter; was jener nur verſucht, nur begonnen hatte, ſetzte er ins Werk. Man betrachte, wel- chen Weg er hierbei einſchlug: mit ein paar Worten laͤßt es ſich ſagen. Der Kirchenſtaat war bisher von den bei- den Parteien der Guelfen und der Gibellinen, der Colonna und der Orſinen in Entzweiung gehalten worden. Wie die andren paͤpſtlichen Gewalten, wie noch Sixtus IV., verbanden ſich auch Alexander und ſein Sohn anfangs mit der einen von beiden, mit der orſiniſch-guelfiſchen. In dieſem Bunde gelang es ihnen bald, aller ihrer Feinde Herr zu werden. Sie verjagten die Sforza von Peſaro, die Malateſta von Rimini, die Manfreddi von Faenza; ſie nah- men dieſe maͤchtigen wohlbefeſtigten Staͤdte ein; ſchon gruͤn- deten ſie hier eine bedeutende Herrſchaft. Kaum aber wa- ren ſie ſo weit; kaum hatten ſie ihre Feinde beſeitigt, ſo wandten ſie ſich wider ihre Freunde. Dadurch unterſchied ſich die borgianiſche Gewalt von den fruͤheren, welche im- mer ſelber wieder von der Partei, der ſie ſich angeſchloſ- ſen, waren gefeſſelt worden. Ceſar griff ohne viel Zau- dern auch ſeine Verbuͤndeten an. Den Herzog von Urbino, der ihm bisher Vorſchub geleiſtet, hatte er, ehe dieſer das
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Kap. II. Die Kirche im Anf. d. 16. Jahrh.
Einfluß auf die Weltbegebenheiten gehabt haben, lag dieſe
einzige Ruͤckſicht ausſchließend zu Grunde; wie ein Papſt
ſeine Kinder verheirathen, ausſtatten, einrichten wollte,
ward ein Moment der Weltbewegung.
Ceſar Borgia, ſein Sohn, trat in die Fußtapfen des
Riario. Er begann an dem nemlichen Punkte; eben das
war ſeine erſte Unternehmung, daß er die Witwe Riarios
aus Imola und Forli verjagte. Mit herzhafter Ruͤck-
ſichtsloſigkeit ſchritt er weiter; was jener nur verſucht, nur
begonnen hatte, ſetzte er ins Werk. Man betrachte, wel-
chen Weg er hierbei einſchlug: mit ein paar Worten laͤßt
es ſich ſagen. Der Kirchenſtaat war bisher von den bei-
den Parteien der Guelfen und der Gibellinen, der Colonna
und der Orſinen in Entzweiung gehalten worden. Wie
die andren paͤpſtlichen Gewalten, wie noch Sixtus IV.,
verbanden ſich auch Alexander und ſein Sohn anfangs mit
der einen von beiden, mit der orſiniſch-guelfiſchen. In
dieſem Bunde gelang es ihnen bald, aller ihrer Feinde Herr
zu werden. Sie verjagten die Sforza von Peſaro, die
Malateſta von Rimini, die Manfreddi von Faenza; ſie nah-
men dieſe maͤchtigen wohlbefeſtigten Staͤdte ein; ſchon gruͤn-
deten ſie hier eine bedeutende Herrſchaft. Kaum aber wa-
ren ſie ſo weit; kaum hatten ſie ihre Feinde beſeitigt, ſo
wandten ſie ſich wider ihre Freunde. Dadurch unterſchied
ſich die borgianiſche Gewalt von den fruͤheren, welche im-
mer ſelber wieder von der Partei, der ſie ſich angeſchloſ-
ſen, waren gefeſſelt worden. Ceſar griff ohne viel Zau-
dern auch ſeine Verbuͤndeten an. Den Herzog von Urbino,
der ihm bisher Vorſchub geleiſtet, hatte er, ehe dieſer das
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/74>, abgerufen am 24.11.2024.
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