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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Gegensätze des 14ten u. 15ten Jahrh.
als sie hierbei fremdartigen Einwirkungen Raum gaben, --
kamen die Churfürsten am Ufer des Rheins bei ihren stei-
nernen Sitzen auf jenem Acker von Rense zusammen, um
eine gemeinschaftliche Maaßregel zur Behauptung "der Eh-
ren und Würden des Reiches" zu überlegen. Ihre Absicht
war, die Unabhängigkeit des Reiches gegen die Eingriffe
der Päpste durch einen feierlichen Beschluß festzusetzen.
Bald hierauf erfolgte dieser in aller Form, von allen Ge-
walten, Kaiser, Fürsten und Churfürsten zugleich; gemein-
schaftlich stellte man sich den Grundsätzen des päpstlichen
Staatsrechts entgegen 1)

Nicht lange blieb England zurück. Nirgends hatten
die Päpste größeren Einfluß gehabt, mit den Pfründen will-
kührlicher geschaltet; als Edward III. endlich den Tribut
nicht mehr zahlen wollte, zu dem sich frühere Könige ver-
pflichtet hatten, vereinigte sich sein Parlament mit ihm und
versprach ihn hierbei zu unterstützen. Der König traf
Maaßregeln, um den übrigen Eingriffen der päpstlichen
Macht zuvorzukommen.

Wir sehen, eine Nation nach der andern fühlt sich
in ihrer Selbstständigkeit und Einheit; von keiner höheren
Autorität will die öffentliche Gewalt mehr wissen; in den
mittlern Kreisen finden die Päpste keine Verbündeten mehr;
ihre Einwirkungen werden von Fürsten und Ständen ent-
schlossen zurückgewiesen.

In dem ereignete sich, daß das Papstthum selbst in

1) Licet juris utriusque. Bei Olenschläger Staatsgeschichte
des röm. Kaiserthums in der ersten Hälfte des 14ten Jahrhunderts.
Nr. 63.
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Gegenſaͤtze des 14ten u. 15ten Jahrh.
als ſie hierbei fremdartigen Einwirkungen Raum gaben, —
kamen die Churfuͤrſten am Ufer des Rheins bei ihren ſtei-
nernen Sitzen auf jenem Acker von Renſe zuſammen, um
eine gemeinſchaftliche Maaßregel zur Behauptung „der Eh-
ren und Wuͤrden des Reiches“ zu uͤberlegen. Ihre Abſicht
war, die Unabhaͤngigkeit des Reiches gegen die Eingriffe
der Paͤpſte durch einen feierlichen Beſchluß feſtzuſetzen.
Bald hierauf erfolgte dieſer in aller Form, von allen Ge-
walten, Kaiſer, Fuͤrſten und Churfuͤrſten zugleich; gemein-
ſchaftlich ſtellte man ſich den Grundſaͤtzen des paͤpſtlichen
Staatsrechts entgegen 1)

Nicht lange blieb England zuruͤck. Nirgends hatten
die Paͤpſte groͤßeren Einfluß gehabt, mit den Pfruͤnden will-
kuͤhrlicher geſchaltet; als Edward III. endlich den Tribut
nicht mehr zahlen wollte, zu dem ſich fruͤhere Koͤnige ver-
pflichtet hatten, vereinigte ſich ſein Parlament mit ihm und
verſprach ihn hierbei zu unterſtuͤtzen. Der Koͤnig traf
Maaßregeln, um den uͤbrigen Eingriffen der paͤpſtlichen
Macht zuvorzukommen.

Wir ſehen, eine Nation nach der andern fuͤhlt ſich
in ihrer Selbſtſtaͤndigkeit und Einheit; von keiner hoͤheren
Autoritaͤt will die oͤffentliche Gewalt mehr wiſſen; in den
mittlern Kreiſen finden die Paͤpſte keine Verbuͤndeten mehr;
ihre Einwirkungen werden von Fuͤrſten und Staͤnden ent-
ſchloſſen zuruͤckgewieſen.

In dem ereignete ſich, daß das Papſtthum ſelbſt in

1) Licet juris utriusque. Bei Olenſchlaͤger Staatsgeſchichte
des roͤm. Kaiſerthums in der erſten Haͤlfte des 14ten Jahrhunderts.
Nr. 63.
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[35/0061] Gegenſaͤtze des 14ten u. 15ten Jahrh. als ſie hierbei fremdartigen Einwirkungen Raum gaben, — kamen die Churfuͤrſten am Ufer des Rheins bei ihren ſtei- nernen Sitzen auf jenem Acker von Renſe zuſammen, um eine gemeinſchaftliche Maaßregel zur Behauptung „der Eh- ren und Wuͤrden des Reiches“ zu uͤberlegen. Ihre Abſicht war, die Unabhaͤngigkeit des Reiches gegen die Eingriffe der Paͤpſte durch einen feierlichen Beſchluß feſtzuſetzen. Bald hierauf erfolgte dieſer in aller Form, von allen Ge- walten, Kaiſer, Fuͤrſten und Churfuͤrſten zugleich; gemein- ſchaftlich ſtellte man ſich den Grundſaͤtzen des paͤpſtlichen Staatsrechts entgegen 1) Nicht lange blieb England zuruͤck. Nirgends hatten die Paͤpſte groͤßeren Einfluß gehabt, mit den Pfruͤnden will- kuͤhrlicher geſchaltet; als Edward III. endlich den Tribut nicht mehr zahlen wollte, zu dem ſich fruͤhere Koͤnige ver- pflichtet hatten, vereinigte ſich ſein Parlament mit ihm und verſprach ihn hierbei zu unterſtuͤtzen. Der Koͤnig traf Maaßregeln, um den uͤbrigen Eingriffen der paͤpſtlichen Macht zuvorzukommen. Wir ſehen, eine Nation nach der andern fuͤhlt ſich in ihrer Selbſtſtaͤndigkeit und Einheit; von keiner hoͤheren Autoritaͤt will die oͤffentliche Gewalt mehr wiſſen; in den mittlern Kreiſen finden die Paͤpſte keine Verbuͤndeten mehr; ihre Einwirkungen werden von Fuͤrſten und Staͤnden ent- ſchloſſen zuruͤckgewieſen. In dem ereignete ſich, daß das Papſtthum ſelbſt in 1) Licet juris utriusque. Bei Olenſchlaͤger Staatsgeſchichte des roͤm. Kaiſerthums in der erſten Haͤlfte des 14ten Jahrhunderts. Nr. 63. 3*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/61>, abgerufen am 06.05.2024.