emporkamen. Langsam, aber unaufgehalten drangen sie in die mannichfaltigen Zweige geistiger Thätigkeit ein; Schritt für Schritt wich ihnen das Idiom der Kirche. Die All- gemeinheit trat zurück; in einem höhern Sinne ging aus ihr eine neue Sonderung hervor. Das kirchliche Element hatte die Nationalitäten bisher überwältigt; -- verändert, umgestaltet, aber wieder geschieden traten diese in eine neue Bahn ein.
Es ist nicht anders, als daß alles menschliche Thun und Treiben dem leisen und der Bemerkung oft entzogenen, aber gewaltigen und unaufhaltsamen Gange der Dinge un- terworfen ist. Die päpstliche Macht war von den frühe- ren weltgeschichtlichen Momenten gefördert worden: die neuen traten ihr entgegen. Da die Nationen des Impulses der kirchlichen Macht nicht mehr in dem alten Maaße bedurf- ten, so leisteten sie demselben gar bald Widerstand. Sie fühlten sich in ihrer Selbstständigkeit.
Es ist der Mühe werth, sich die wichtigeren Ereig- nisse ins Gedächtniß zu rufen, in denen diese Richtung sich ausspricht.
Es waren, wie man weiß, die Franzosen, die den An- maßungen des Papstes den ersten entschiedenen Widerstand leisteten. In nationaler Einmüthigkeit setzten sie sich den Bannbullen Bonifaz VIII. entgegen; in mehreren hundert Adhäsionsurkunden sprachen alle Gewalten des Volkes ihre Beistimmung zu den Schritten König Philipp des Schönen aus.
Es folgten die Deutschen. Als die Päpste das Kai- serthum mit der alten Leidenschaft angriffen, obwohl das- selbe die frühere Bedeutung bei weitem nicht mehr hatte,
Kap. I. Epochen des Papſtthums.
emporkamen. Langſam, aber unaufgehalten drangen ſie in die mannichfaltigen Zweige geiſtiger Thaͤtigkeit ein; Schritt fuͤr Schritt wich ihnen das Idiom der Kirche. Die All- gemeinheit trat zuruͤck; in einem hoͤhern Sinne ging aus ihr eine neue Sonderung hervor. Das kirchliche Element hatte die Nationalitaͤten bisher uͤberwaͤltigt; — veraͤndert, umgeſtaltet, aber wieder geſchieden traten dieſe in eine neue Bahn ein.
Es iſt nicht anders, als daß alles menſchliche Thun und Treiben dem leiſen und der Bemerkung oft entzogenen, aber gewaltigen und unaufhaltſamen Gange der Dinge un- terworfen iſt. Die paͤpſtliche Macht war von den fruͤhe- ren weltgeſchichtlichen Momenten gefoͤrdert worden: die neuen traten ihr entgegen. Da die Nationen des Impulſes der kirchlichen Macht nicht mehr in dem alten Maaße bedurf- ten, ſo leiſteten ſie demſelben gar bald Widerſtand. Sie fuͤhlten ſich in ihrer Selbſtſtaͤndigkeit.
Es iſt der Muͤhe werth, ſich die wichtigeren Ereig- niſſe ins Gedaͤchtniß zu rufen, in denen dieſe Richtung ſich ausſpricht.
Es waren, wie man weiß, die Franzoſen, die den An- maßungen des Papſtes den erſten entſchiedenen Widerſtand leiſteten. In nationaler Einmuͤthigkeit ſetzten ſie ſich den Bannbullen Bonifaz VIII. entgegen; in mehreren hundert Adhaͤſionsurkunden ſprachen alle Gewalten des Volkes ihre Beiſtimmung zu den Schritten Koͤnig Philipp des Schoͤnen aus.
Es folgten die Deutſchen. Als die Paͤpſte das Kai- ſerthum mit der alten Leidenſchaft angriffen, obwohl daſ- ſelbe die fruͤhere Bedeutung bei weitem nicht mehr hatte,
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Kap. I. Epochen des Papſtthums.
emporkamen. Langſam, aber unaufgehalten drangen ſie in
die mannichfaltigen Zweige geiſtiger Thaͤtigkeit ein; Schritt
fuͤr Schritt wich ihnen das Idiom der Kirche. Die All-
gemeinheit trat zuruͤck; in einem hoͤhern Sinne ging aus
ihr eine neue Sonderung hervor. Das kirchliche Element
hatte die Nationalitaͤten bisher uͤberwaͤltigt; — veraͤndert,
umgeſtaltet, aber wieder geſchieden traten dieſe in eine neue
Bahn ein.
Es iſt nicht anders, als daß alles menſchliche Thun
und Treiben dem leiſen und der Bemerkung oft entzogenen,
aber gewaltigen und unaufhaltſamen Gange der Dinge un-
terworfen iſt. Die paͤpſtliche Macht war von den fruͤhe-
ren weltgeſchichtlichen Momenten gefoͤrdert worden: die neuen
traten ihr entgegen. Da die Nationen des Impulſes der
kirchlichen Macht nicht mehr in dem alten Maaße bedurf-
ten, ſo leiſteten ſie demſelben gar bald Widerſtand. Sie
fuͤhlten ſich in ihrer Selbſtſtaͤndigkeit.
Es iſt der Muͤhe werth, ſich die wichtigeren Ereig-
niſſe ins Gedaͤchtniß zu rufen, in denen dieſe Richtung ſich
ausſpricht.
Es waren, wie man weiß, die Franzoſen, die den An-
maßungen des Papſtes den erſten entſchiedenen Widerſtand
leiſteten. In nationaler Einmuͤthigkeit ſetzten ſie ſich den
Bannbullen Bonifaz VIII. entgegen; in mehreren hundert
Adhaͤſionsurkunden ſprachen alle Gewalten des Volkes ihre
Beiſtimmung zu den Schritten Koͤnig Philipp des Schoͤnen aus.
Es folgten die Deutſchen. Als die Paͤpſte das Kai-
ſerthum mit der alten Leidenſchaft angriffen, obwohl daſ-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/60>, abgerufen am 03.12.2024.
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