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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Selbstständige Ausbildung der Hierarchie.
von der obersten weltlichen Autorität ab: wie aber, wenn
diese einmal wieder in schwache Hände gerieth, -- wenn dann
das Oberhaupt der Geistlichkeit, dreifach mächtig, durch
seine Würde, der man eine allgemeine Verehrung widmete,
den Gehorsam seiner Untergebenen, und seinen Einfluß auf
andere Staaten, den günstigen Augenblick ergriff, und sich
der königlichen Gewalt entgegensetzte?

In der Sache selbst lag mehr als Eine Veranlassung
hierzu. Das geistliche Wesen hatte doch in sich ein eig-
nes, einem so großen weltlichen Einfluß widerstrebendes
Princip, welches es hervorkehren mußte, sobald es stark
genug dazu geworden war. Auch lag, scheint mir, ein
Widerspruch darin, daß der Papst eine höchste geistliche
Gewalt nach allen Seiten hin ausüben, und dabei dem
Kaiser unterthänig seyn sollte. Ein anderes wäre es ge-
wesen, hätte es Heinrich III. wirklich dahin gebracht, sich
zum Haupte der gesammten Christenheit zu erheben. Da
ihm dieß nicht gelang, so konnte sich der Papst bei eini-
ger Verwickelung der politischen Verhältnisse durch seine
untergeordnete Stellung zu dem Kaiser, allerdings gehin-
dert sehen, völlig frei der allgemeine Vater der Gläubigen
zu seyn, wie sein Amt es mit sich brachte.

Unter diesen Umständen stieg Gregor VII. auf den
päpstlichen Stuhl. Es hat ihn für alle Zeiten berühmt
gemacht, daß er die Emancipation der päpstlichen Gewalt
von der kaiserlichen durchzusetzen unternahm. Gregor hat
einen kühnen, einseitigen, hochfliegenden Geist; folgerecht,
man könnte sagen, wie ein scholastisches System das ist;
unerschütterlich in der logischen Consequenz, und dabei eben

Selbſtſtaͤndige Ausbildung der Hierarchie.
von der oberſten weltlichen Autoritaͤt ab: wie aber, wenn
dieſe einmal wieder in ſchwache Haͤnde gerieth, — wenn dann
das Oberhaupt der Geiſtlichkeit, dreifach maͤchtig, durch
ſeine Wuͤrde, der man eine allgemeine Verehrung widmete,
den Gehorſam ſeiner Untergebenen, und ſeinen Einfluß auf
andere Staaten, den guͤnſtigen Augenblick ergriff, und ſich
der koͤniglichen Gewalt entgegenſetzte?

In der Sache ſelbſt lag mehr als Eine Veranlaſſung
hierzu. Das geiſtliche Weſen hatte doch in ſich ein eig-
nes, einem ſo großen weltlichen Einfluß widerſtrebendes
Princip, welches es hervorkehren mußte, ſobald es ſtark
genug dazu geworden war. Auch lag, ſcheint mir, ein
Widerſpruch darin, daß der Papſt eine hoͤchſte geiſtliche
Gewalt nach allen Seiten hin ausuͤben, und dabei dem
Kaiſer unterthaͤnig ſeyn ſollte. Ein anderes waͤre es ge-
weſen, haͤtte es Heinrich III. wirklich dahin gebracht, ſich
zum Haupte der geſammten Chriſtenheit zu erheben. Da
ihm dieß nicht gelang, ſo konnte ſich der Papſt bei eini-
ger Verwickelung der politiſchen Verhaͤltniſſe durch ſeine
untergeordnete Stellung zu dem Kaiſer, allerdings gehin-
dert ſehen, voͤllig frei der allgemeine Vater der Glaͤubigen
zu ſeyn, wie ſein Amt es mit ſich brachte.

Unter dieſen Umſtaͤnden ſtieg Gregor VII. auf den
paͤpſtlichen Stuhl. Es hat ihn fuͤr alle Zeiten beruͤhmt
gemacht, daß er die Emancipation der paͤpſtlichen Gewalt
von der kaiſerlichen durchzuſetzen unternahm. Gregor hat
einen kuͤhnen, einſeitigen, hochfliegenden Geiſt; folgerecht,
man koͤnnte ſagen, wie ein ſcholaſtiſches Syſtem das iſt;
unerſchuͤtterlich in der logiſchen Conſequenz, und dabei eben

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[27/0053] Selbſtſtaͤndige Ausbildung der Hierarchie. von der oberſten weltlichen Autoritaͤt ab: wie aber, wenn dieſe einmal wieder in ſchwache Haͤnde gerieth, — wenn dann das Oberhaupt der Geiſtlichkeit, dreifach maͤchtig, durch ſeine Wuͤrde, der man eine allgemeine Verehrung widmete, den Gehorſam ſeiner Untergebenen, und ſeinen Einfluß auf andere Staaten, den guͤnſtigen Augenblick ergriff, und ſich der koͤniglichen Gewalt entgegenſetzte? In der Sache ſelbſt lag mehr als Eine Veranlaſſung hierzu. Das geiſtliche Weſen hatte doch in ſich ein eig- nes, einem ſo großen weltlichen Einfluß widerſtrebendes Princip, welches es hervorkehren mußte, ſobald es ſtark genug dazu geworden war. Auch lag, ſcheint mir, ein Widerſpruch darin, daß der Papſt eine hoͤchſte geiſtliche Gewalt nach allen Seiten hin ausuͤben, und dabei dem Kaiſer unterthaͤnig ſeyn ſollte. Ein anderes waͤre es ge- weſen, haͤtte es Heinrich III. wirklich dahin gebracht, ſich zum Haupte der geſammten Chriſtenheit zu erheben. Da ihm dieß nicht gelang, ſo konnte ſich der Papſt bei eini- ger Verwickelung der politiſchen Verhaͤltniſſe durch ſeine untergeordnete Stellung zu dem Kaiſer, allerdings gehin- dert ſehen, voͤllig frei der allgemeine Vater der Glaͤubigen zu ſeyn, wie ſein Amt es mit ſich brachte. Unter dieſen Umſtaͤnden ſtieg Gregor VII. auf den paͤpſtlichen Stuhl. Es hat ihn fuͤr alle Zeiten beruͤhmt gemacht, daß er die Emancipation der paͤpſtlichen Gewalt von der kaiſerlichen durchzuſetzen unternahm. Gregor hat einen kuͤhnen, einſeitigen, hochfliegenden Geiſt; folgerecht, man koͤnnte ſagen, wie ein ſcholaſtiſches Syſtem das iſt; unerſchuͤtterlich in der logiſchen Conſequenz, und dabei eben

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/53>, abgerufen am 07.05.2024.