Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Kap. I. Epochen des Papstthums. und Reichsäbte nicht allein in ihren Besitzthümern, son-dern auch außerhalb derselben gräfliche, ja zuweilen her- zogliche Rechte; und man bezeichnet die geistlichen Güter nicht mehr als in den Grafschaften, sondern die Grafschaf- ten als in den Bisthümern gelegen. Im obern Italien kamen fast alle Städte unter die Vicegrafen ihrer Bischöfe. Man würde irren, wenn man glauben wollte, es sey die Absicht gewesen, den geistlichen Gewalten hiermit eigent- liche Unabhängigkeit zu gewähren. Da die Besetzung der geistlichen Stellen den Königen zukam -- die Stifter pfleg- ten Ring und Stab ihrer verstorbenen Vorsteher an das Hoflager zurückzuschicken, wo sie dann aufs neue verliehen wurden -- so war es in der Regel sogar ein Vortheil für den Fürsten, den Mann seiner Wahl, auf dessen Ergeben- heit er rechnen durfte, mit weltlichen Befugnissen auszu- rüsten. Dem widerspenstigen Adel zum Trotz setzte Hein- rich III. einen ihm ergebenen Plebejer auf den ambrosia- nischen Stuhl zu Mailand; den Gehorsam, den er später in Oberitalien fand, hat er großentheils dieser Maaßregel zu danken gehabt. Es erläutert sich wechselsweise, daß Heinrich II. von allen diesen Kaisern sich am freigebigsten gegen die Kirche bewies, und dabei das Recht, die Bi- schöfe zu ernennen, am schärfsten in Anspruch nahm 1). Auch war dafür gesorgt, daß die Begabung der Staatsgewalt nichts entzog. Die geistlichen Güter waren weder von den bürgerlichen Lasten, noch selbst von der Lehenspflicht exi- mirt; häufig sehen wir die Bischöfe an der Spitze ihrer 1) Beispiele dieser Strenge bei Planck: Geschichte der christl
kirchl. Gesellschaftsverfassung III, 407. Kap. I. Epochen des Papſtthums. und Reichsaͤbte nicht allein in ihren Beſitzthuͤmern, ſon-dern auch außerhalb derſelben graͤfliche, ja zuweilen her- zogliche Rechte; und man bezeichnet die geiſtlichen Guͤter nicht mehr als in den Grafſchaften, ſondern die Grafſchaf- ten als in den Bisthuͤmern gelegen. Im obern Italien kamen faſt alle Staͤdte unter die Vicegrafen ihrer Biſchoͤfe. Man wuͤrde irren, wenn man glauben wollte, es ſey die Abſicht geweſen, den geiſtlichen Gewalten hiermit eigent- liche Unabhaͤngigkeit zu gewaͤhren. Da die Beſetzung der geiſtlichen Stellen den Koͤnigen zukam — die Stifter pfleg- ten Ring und Stab ihrer verſtorbenen Vorſteher an das Hoflager zuruͤckzuſchicken, wo ſie dann aufs neue verliehen wurden — ſo war es in der Regel ſogar ein Vortheil fuͤr den Fuͤrſten, den Mann ſeiner Wahl, auf deſſen Ergeben- heit er rechnen durfte, mit weltlichen Befugniſſen auszu- ruͤſten. Dem widerſpenſtigen Adel zum Trotz ſetzte Hein- rich III. einen ihm ergebenen Plebejer auf den ambroſia- niſchen Stuhl zu Mailand; den Gehorſam, den er ſpaͤter in Oberitalien fand, hat er großentheils dieſer Maaßregel zu danken gehabt. Es erlaͤutert ſich wechſelsweiſe, daß Heinrich II. von allen dieſen Kaiſern ſich am freigebigſten gegen die Kirche bewies, und dabei das Recht, die Bi- ſchoͤfe zu ernennen, am ſchaͤrfſten in Anſpruch nahm 1). Auch war dafuͤr geſorgt, daß die Begabung der Staatsgewalt nichts entzog. Die geiſtlichen Guͤter waren weder von den buͤrgerlichen Laſten, noch ſelbſt von der Lehenspflicht exi- mirt; haͤufig ſehen wir die Biſchoͤfe an der Spitze ihrer 1) Beiſpiele dieſer Strenge bei Planck: Geſchichte der chriſtl
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Kap. I. Epochen des Papſtthums.
und Reichsaͤbte nicht allein in ihren Beſitzthuͤmern, ſon-
dern auch außerhalb derſelben graͤfliche, ja zuweilen her-
zogliche Rechte; und man bezeichnet die geiſtlichen Guͤter
nicht mehr als in den Grafſchaften, ſondern die Grafſchaf-
ten als in den Bisthuͤmern gelegen. Im obern Italien
kamen faſt alle Staͤdte unter die Vicegrafen ihrer Biſchoͤfe.
Man wuͤrde irren, wenn man glauben wollte, es ſey die
Abſicht geweſen, den geiſtlichen Gewalten hiermit eigent-
liche Unabhaͤngigkeit zu gewaͤhren. Da die Beſetzung der
geiſtlichen Stellen den Koͤnigen zukam — die Stifter pfleg-
ten Ring und Stab ihrer verſtorbenen Vorſteher an das
Hoflager zuruͤckzuſchicken, wo ſie dann aufs neue verliehen
wurden — ſo war es in der Regel ſogar ein Vortheil fuͤr
den Fuͤrſten, den Mann ſeiner Wahl, auf deſſen Ergeben-
heit er rechnen durfte, mit weltlichen Befugniſſen auszu-
ruͤſten. Dem widerſpenſtigen Adel zum Trotz ſetzte Hein-
rich III. einen ihm ergebenen Plebejer auf den ambroſia-
niſchen Stuhl zu Mailand; den Gehorſam, den er ſpaͤter
in Oberitalien fand, hat er großentheils dieſer Maaßregel
zu danken gehabt. Es erlaͤutert ſich wechſelsweiſe, daß
Heinrich II. von allen dieſen Kaiſern ſich am freigebigſten
gegen die Kirche bewies, und dabei das Recht, die Bi-
ſchoͤfe zu ernennen, am ſchaͤrfſten in Anſpruch nahm 1). Auch
war dafuͤr geſorgt, daß die Begabung der Staatsgewalt
nichts entzog. Die geiſtlichen Guͤter waren weder von den
buͤrgerlichen Laſten, noch ſelbſt von der Lehenspflicht exi-
mirt; haͤufig ſehen wir die Biſchoͤfe an der Spitze ihrer
1) Beiſpiele dieſer Strenge bei Planck: Geſchichte der chriſtl
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