Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch IV. Staat und Hof.
Felix, ohne zu Abend gegessen zu haben, bei dem Schein
einer Laterne im Kreuzgang, oder wenn diese ausging, bei der
Lampe, die vor der Hostie in der Kirche brannte; es findet sich
nicht gerade etwas bemerkt, was eine ursprüngliche religiöse
Anschauung, oder eine tiefere wissenschaftliche Richtung in ihm
andeutete; aber glückliche Fortschritte machte er allerdings,
sowohl auf der Schule zu Fermo, als auf den Schulen und
Universitäten zu Ferrara und Bologna: mit vielem Lob erwarb
er die academischen Grade. Am meisten entwickelte er ein
dialectisches Talent. Die Mönchsfertigkeit, verworrene theo-
logische Fragen zu behandeln, erwarb er sich in hohem Grade.
Bei dem Generalconvent der Franziscaner im Jahr 1549,
der zugleich mit literarischen Wettkämpfen begangen wurde,
bestritt er einen Telesianer, Antonio Persico aus Calabrien,
der sich damals zu Perugia viel Ruf erworben, mit Ge-
wandtheit und Geistesgegenwart 1). Dieß verschaffte ihm
zuerst ein gewisses Ansehn. Der Protector des Ordens,
Cardinal Pio von Carpi, nahm sich seitdem seiner eifrig
an. Sein eigentliches Glück aber schreibt sich von einem
andern Vorfall her.

Im Jahre 1552 hielt er die Fastenpredigten in der
Kirche S. Apostoli zu Rom mit dem größten Beifall.
Man fand seinen Vortrag lebhaft, wortreich, fließend:

1) Sixtus V. Pontifex Maximus Ms. der Bibl. Altieri. Exi-
mia Persicus apud omnes late fama Perusiae philosophiam ex
Telesii placitis cum publice doceret, novitate doctrinae tum pri-
mum nascentis nativum ingenii lumen mirifice illustrabat. --
Montaltus ex universa theologia excerptas positiones Cli. Car-
pensi inscriptas tanta cum ingenii laude defendit, ut omnibus
admirationi fuerit.

Buch IV. Staat und Hof.
Felix, ohne zu Abend gegeſſen zu haben, bei dem Schein
einer Laterne im Kreuzgang, oder wenn dieſe ausging, bei der
Lampe, die vor der Hoſtie in der Kirche brannte; es findet ſich
nicht gerade etwas bemerkt, was eine urſpruͤngliche religioͤſe
Anſchauung, oder eine tiefere wiſſenſchaftliche Richtung in ihm
andeutete; aber gluͤckliche Fortſchritte machte er allerdings,
ſowohl auf der Schule zu Fermo, als auf den Schulen und
Univerſitaͤten zu Ferrara und Bologna: mit vielem Lob erwarb
er die academiſchen Grade. Am meiſten entwickelte er ein
dialectiſches Talent. Die Moͤnchsfertigkeit, verworrene theo-
logiſche Fragen zu behandeln, erwarb er ſich in hohem Grade.
Bei dem Generalconvent der Franziscaner im Jahr 1549,
der zugleich mit literariſchen Wettkaͤmpfen begangen wurde,
beſtritt er einen Teleſianer, Antonio Perſico aus Calabrien,
der ſich damals zu Perugia viel Ruf erworben, mit Ge-
wandtheit und Geiſtesgegenwart 1). Dieß verſchaffte ihm
zuerſt ein gewiſſes Anſehn. Der Protector des Ordens,
Cardinal Pio von Carpi, nahm ſich ſeitdem ſeiner eifrig
an. Sein eigentliches Gluͤck aber ſchreibt ſich von einem
andern Vorfall her.

Im Jahre 1552 hielt er die Faſtenpredigten in der
Kirche S. Apoſtoli zu Rom mit dem groͤßten Beifall.
Man fand ſeinen Vortrag lebhaft, wortreich, fließend:

1) Sixtus V. Pontifex Maximus Ms. der Bibl. Altieri. Exi-
mia Persicus apud omnes late fama Perusiae philosophiam ex
Telesii placitis cum publice doceret, novitate doctrinae tum pri-
mum nascentis nativum ingenii lumen mirifice illustrabat. —
Montaltus ex universa theologia excerptas positiones Cli. Car-
pensi inscriptas tanta cum ingenii laude defendit, ut omnibus
admirationi fuerit.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0466" n="440"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Staat und Hof</hi>.</fw><lb/>
Felix, ohne zu Abend gege&#x017F;&#x017F;en zu haben, bei dem Schein<lb/>
einer Laterne im Kreuzgang, oder wenn die&#x017F;e ausging, bei der<lb/>
Lampe, die vor der Ho&#x017F;tie in der Kirche brannte; es findet &#x017F;ich<lb/>
nicht gerade etwas bemerkt, was eine ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche religio&#x0364;&#x017F;e<lb/>
An&#x017F;chauung, oder eine tiefere wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Richtung in ihm<lb/>
andeutete; aber glu&#x0364;ckliche Fort&#x017F;chritte machte er allerdings,<lb/>
&#x017F;owohl auf der Schule zu Fermo, als auf den Schulen und<lb/>
Univer&#x017F;ita&#x0364;ten zu Ferrara und Bologna: mit vielem Lob erwarb<lb/>
er die academi&#x017F;chen Grade. Am mei&#x017F;ten entwickelte er ein<lb/>
dialecti&#x017F;ches Talent. Die Mo&#x0364;nchsfertigkeit, verworrene theo-<lb/>
logi&#x017F;che Fragen zu behandeln, erwarb er &#x017F;ich in hohem Grade.<lb/>
Bei dem Generalconvent der Franziscaner im Jahr 1549,<lb/>
der zugleich mit literari&#x017F;chen Wettka&#x0364;mpfen begangen wurde,<lb/>
be&#x017F;tritt er einen Tele&#x017F;ianer, Antonio Per&#x017F;ico aus Calabrien,<lb/>
der &#x017F;ich damals zu Perugia viel Ruf erworben, mit Ge-<lb/>
wandtheit und Gei&#x017F;tesgegenwart <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Sixtus V. Pontifex Maximus Ms.</hi> der Bibl. Altieri. <hi rendition="#aq">Exi-<lb/>
mia Persicus apud omnes late fama Perusiae philosophiam ex<lb/>
Telesii placitis cum publice doceret, novitate doctrinae tum pri-<lb/>
mum nascentis nativum ingenii lumen mirifice illustrabat. &#x2014;<lb/>
Montaltus ex universa theologia excerptas positiones C<hi rendition="#sup">li.</hi> Car-<lb/>
pensi inscriptas tanta cum ingenii laude defendit, ut omnibus<lb/>
admirationi fuerit.</hi></note>. Dieß ver&#x017F;chaffte ihm<lb/>
zuer&#x017F;t ein gewi&#x017F;&#x017F;es An&#x017F;ehn. Der Protector des Ordens,<lb/>
Cardinal Pio von Carpi, nahm &#x017F;ich &#x017F;eitdem &#x017F;einer eifrig<lb/>
an. Sein eigentliches Glu&#x0364;ck aber &#x017F;chreibt &#x017F;ich von einem<lb/>
andern Vorfall her.</p><lb/>
            <p>Im Jahre 1552 hielt er die Fa&#x017F;tenpredigten in der<lb/>
Kirche S. Apo&#x017F;toli zu Rom mit dem gro&#x0364;ßten Beifall.<lb/>
Man fand &#x017F;einen Vortrag lebhaft, wortreich, fließend:<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0466] Buch IV. Staat und Hof. Felix, ohne zu Abend gegeſſen zu haben, bei dem Schein einer Laterne im Kreuzgang, oder wenn dieſe ausging, bei der Lampe, die vor der Hoſtie in der Kirche brannte; es findet ſich nicht gerade etwas bemerkt, was eine urſpruͤngliche religioͤſe Anſchauung, oder eine tiefere wiſſenſchaftliche Richtung in ihm andeutete; aber gluͤckliche Fortſchritte machte er allerdings, ſowohl auf der Schule zu Fermo, als auf den Schulen und Univerſitaͤten zu Ferrara und Bologna: mit vielem Lob erwarb er die academiſchen Grade. Am meiſten entwickelte er ein dialectiſches Talent. Die Moͤnchsfertigkeit, verworrene theo- logiſche Fragen zu behandeln, erwarb er ſich in hohem Grade. Bei dem Generalconvent der Franziscaner im Jahr 1549, der zugleich mit literariſchen Wettkaͤmpfen begangen wurde, beſtritt er einen Teleſianer, Antonio Perſico aus Calabrien, der ſich damals zu Perugia viel Ruf erworben, mit Ge- wandtheit und Geiſtesgegenwart 1). Dieß verſchaffte ihm zuerſt ein gewiſſes Anſehn. Der Protector des Ordens, Cardinal Pio von Carpi, nahm ſich ſeitdem ſeiner eifrig an. Sein eigentliches Gluͤck aber ſchreibt ſich von einem andern Vorfall her. Im Jahre 1552 hielt er die Faſtenpredigten in der Kirche S. Apoſtoli zu Rom mit dem groͤßten Beifall. Man fand ſeinen Vortrag lebhaft, wortreich, fließend: 1) Sixtus V. Pontifex Maximus Ms. der Bibl. Altieri. Exi- mia Persicus apud omnes late fama Perusiae philosophiam ex Telesii placitis cum publice doceret, novitate doctrinae tum pri- mum nascentis nativum ingenii lumen mirifice illustrabat. — Montaltus ex universa theologia excerptas positiones Cli. Car- pensi inscriptas tanta cum ingenii laude defendit, ut omnibus admirationi fuerit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/466
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/466>, abgerufen am 18.05.2024.