Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Papstthum u. das fränkische Reich.
auf der andern Seite ließ sich nichts anderes, als der
Untergang dieses ganzen Wesens erwarten, wofern es
nicht auf irgend eine Art eine nachhaltige gewaltige Hülfe
empfing.

Schon war eine solche vorbereitet. Es war eine Rich-
tung angebahnt, welche die Päpste nur mit Entschiedenheit
einzuschlagen brauchten, um sich aus ihren Bedrängnissen
errettet zu sehen. Versuchen wir, sie in ihren Grundzügen
kürzlich zu vergegenwärtigen.

Von allen germanischen Nationen war allein die fränki-
sche, gleich bei ihrer ersten Erhebung in den Provinzen des
römischen Reiches, katholisch geworden. Dieß ihr Bekennt-
niß hatte ihr zu großer Förderung gereicht. In den ka-
tholischen Unterthanen ihrer arianischen Feinde, der Bur-
gunder und Westgothen, fanden die Franken natürliche
Verbündete. Wir lesen so viel von den Wundern, die dem
Chlodwig begegnet seyn sollen, wie ihm St. Martin durch
eine Hindin die Furt über die Vienne gezeigt, wie ihm
St. Hilarius in einer Feuersäule vorangegangen: wir wer-
den schwerlich irren, wenn wir vermuthen, daß in diesen
Sagen die Hülfe versinnbildet worden, welche die Einge-
bornen einem Glaubensgenossen leisteten, dem sie wie Gre-
gor von Tours sagt, "mit begieriger Neigung" den Sieg
wünschten.

Allmählig ward diese Nation der Mittelpunkt der ge-
sammten germanisch-westlichen Welt. Es schadet ihr nicht,
daß ihr Könighaus, das merovingische Geschlecht sich selbst
durch entsetzenvolle Mordthaten zu Grunde richtet; sofort er-
hebt sich an die Stelle desselben ein anderes zur höchsten

Das Papſtthum u. das fraͤnkiſche Reich.
auf der andern Seite ließ ſich nichts anderes, als der
Untergang dieſes ganzen Weſens erwarten, wofern es
nicht auf irgend eine Art eine nachhaltige gewaltige Huͤlfe
empfing.

Schon war eine ſolche vorbereitet. Es war eine Rich-
tung angebahnt, welche die Paͤpſte nur mit Entſchiedenheit
einzuſchlagen brauchten, um ſich aus ihren Bedraͤngniſſen
errettet zu ſehen. Verſuchen wir, ſie in ihren Grundzuͤgen
kuͤrzlich zu vergegenwaͤrtigen.

Von allen germaniſchen Nationen war allein die fraͤnki-
ſche, gleich bei ihrer erſten Erhebung in den Provinzen des
roͤmiſchen Reiches, katholiſch geworden. Dieß ihr Bekennt-
niß hatte ihr zu großer Foͤrderung gereicht. In den ka-
tholiſchen Unterthanen ihrer arianiſchen Feinde, der Bur-
gunder und Weſtgothen, fanden die Franken natuͤrliche
Verbuͤndete. Wir leſen ſo viel von den Wundern, die dem
Chlodwig begegnet ſeyn ſollen, wie ihm St. Martin durch
eine Hindin die Furt uͤber die Vienne gezeigt, wie ihm
St. Hilarius in einer Feuerſaͤule vorangegangen: wir wer-
den ſchwerlich irren, wenn wir vermuthen, daß in dieſen
Sagen die Huͤlfe verſinnbildet worden, welche die Einge-
bornen einem Glaubensgenoſſen leiſteten, dem ſie wie Gre-
gor von Tours ſagt, „mit begieriger Neigung“ den Sieg
wuͤnſchten.

Allmaͤhlig ward dieſe Nation der Mittelpunkt der ge-
ſammten germaniſch-weſtlichen Welt. Es ſchadet ihr nicht,
daß ihr Koͤnighaus, das merovingiſche Geſchlecht ſich ſelbſt
durch entſetzenvolle Mordthaten zu Grunde richtet; ſofort er-
hebt ſich an die Stelle deſſelben ein anderes zur hoͤchſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0041" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das Pap&#x017F;tthum u. das fra&#x0364;nki&#x017F;che Reich</hi>.</fw><lb/>
auf der andern Seite ließ &#x017F;ich nichts anderes, als der<lb/>
Untergang die&#x017F;es ganzen We&#x017F;ens erwarten, wofern es<lb/>
nicht auf irgend eine Art eine nachhaltige gewaltige Hu&#x0364;lfe<lb/>
empfing.</p><lb/>
            <p>Schon war eine &#x017F;olche vorbereitet. Es war eine Rich-<lb/>
tung angebahnt, welche die Pa&#x0364;p&#x017F;te nur mit Ent&#x017F;chiedenheit<lb/>
einzu&#x017F;chlagen brauchten, um &#x017F;ich aus ihren Bedra&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
errettet zu &#x017F;ehen. Ver&#x017F;uchen wir, &#x017F;ie in ihren Grundzu&#x0364;gen<lb/>
ku&#x0364;rzlich zu vergegenwa&#x0364;rtigen.</p><lb/>
            <p>Von allen germani&#x017F;chen Nationen war allein die fra&#x0364;nki-<lb/>
&#x017F;che, gleich bei ihrer er&#x017F;ten Erhebung in den Provinzen des<lb/>
ro&#x0364;mi&#x017F;chen Reiches, katholi&#x017F;ch geworden. Dieß ihr Bekennt-<lb/>
niß hatte ihr zu großer Fo&#x0364;rderung gereicht. In den ka-<lb/>
tholi&#x017F;chen Unterthanen ihrer ariani&#x017F;chen Feinde, der Bur-<lb/>
gunder und We&#x017F;tgothen, fanden die Franken natu&#x0364;rliche<lb/>
Verbu&#x0364;ndete. Wir le&#x017F;en &#x017F;o viel von den Wundern, die dem<lb/>
Chlodwig begegnet &#x017F;eyn &#x017F;ollen, wie ihm St. Martin durch<lb/>
eine Hindin die Furt u&#x0364;ber die Vienne gezeigt, wie ihm<lb/>
St. Hilarius in einer Feuer&#x017F;a&#x0364;ule vorangegangen: wir wer-<lb/>
den &#x017F;chwerlich irren, wenn wir vermuthen, daß in die&#x017F;en<lb/>
Sagen die Hu&#x0364;lfe ver&#x017F;innbildet worden, welche die Einge-<lb/>
bornen einem Glaubensgeno&#x017F;&#x017F;en lei&#x017F;teten, dem &#x017F;ie wie Gre-<lb/>
gor von Tours &#x017F;agt, &#x201E;mit begieriger Neigung&#x201C; den Sieg<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chten.</p><lb/>
            <p>Allma&#x0364;hlig ward die&#x017F;e Nation der Mittelpunkt der ge-<lb/>
&#x017F;ammten germani&#x017F;ch-we&#x017F;tlichen Welt. Es &#x017F;chadet ihr nicht,<lb/>
daß ihr Ko&#x0364;nighaus, das merovingi&#x017F;che Ge&#x017F;chlecht &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
durch ent&#x017F;etzenvolle Mordthaten zu Grunde richtet; &#x017F;ofort er-<lb/>
hebt &#x017F;ich an die Stelle de&#x017F;&#x017F;elben ein anderes zur ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0041] Das Papſtthum u. das fraͤnkiſche Reich. auf der andern Seite ließ ſich nichts anderes, als der Untergang dieſes ganzen Weſens erwarten, wofern es nicht auf irgend eine Art eine nachhaltige gewaltige Huͤlfe empfing. Schon war eine ſolche vorbereitet. Es war eine Rich- tung angebahnt, welche die Paͤpſte nur mit Entſchiedenheit einzuſchlagen brauchten, um ſich aus ihren Bedraͤngniſſen errettet zu ſehen. Verſuchen wir, ſie in ihren Grundzuͤgen kuͤrzlich zu vergegenwaͤrtigen. Von allen germaniſchen Nationen war allein die fraͤnki- ſche, gleich bei ihrer erſten Erhebung in den Provinzen des roͤmiſchen Reiches, katholiſch geworden. Dieß ihr Bekennt- niß hatte ihr zu großer Foͤrderung gereicht. In den ka- tholiſchen Unterthanen ihrer arianiſchen Feinde, der Bur- gunder und Weſtgothen, fanden die Franken natuͤrliche Verbuͤndete. Wir leſen ſo viel von den Wundern, die dem Chlodwig begegnet ſeyn ſollen, wie ihm St. Martin durch eine Hindin die Furt uͤber die Vienne gezeigt, wie ihm St. Hilarius in einer Feuerſaͤule vorangegangen: wir wer- den ſchwerlich irren, wenn wir vermuthen, daß in dieſen Sagen die Huͤlfe verſinnbildet worden, welche die Einge- bornen einem Glaubensgenoſſen leiſteten, dem ſie wie Gre- gor von Tours ſagt, „mit begieriger Neigung“ den Sieg wuͤnſchten. Allmaͤhlig ward dieſe Nation der Mittelpunkt der ge- ſammten germaniſch-weſtlichen Welt. Es ſchadet ihr nicht, daß ihr Koͤnighaus, das merovingiſche Geſchlecht ſich ſelbſt durch entſetzenvolle Mordthaten zu Grunde richtet; ſofort er- hebt ſich an die Stelle deſſelben ein anderes zur hoͤchſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/41
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/41>, abgerufen am 03.12.2024.