größeres Mißgeschick. Die Araber, nicht allein Eroberer wie die Germanen, sondern von einem positiven stolzen, dem Christenthume von Grund aus entgegengesetzten Glau- ben bis zum Fanatismus durchdrungen, ergossen sich über den Occident wie über den Orient; in wiederholten Anfäl- len nahmen sie Africa, in einem einzigen Spanien ein: Muza rühmte sich, durch die Pforten der Pyrenäen über die Alpen nach Italien vordringen zu wollen, um Muha- mets Namen am Vatican ausrufen zu lassen.
Im Anfange des achten Jahrhunderts war die römi- sche Christenheit in den mißlichsten Verhältnissen.
Während die Araber das Mittelmeer zu beherrschen anfangen und ihr einen Krieg auf Tod und Leben machen, ist sie in sich selber zerfallen. Die beiden Oberhäupter, der Kaiser zu Constantinopel und der Papst zu Rom, ha- ben bei den ikonoklastischen Bewegungen verschiedene Par- teien ergriffen: oft trachtet der Kaiser dem Papste nach dem Leben. Indeß haben die Lombarden eingesehen, wie vor- theilhaft ihnen diese Entzweiung ist. Ihr König Aistulph nimmt Provinzen ein, die den Kaiser bisher noch immer anerkannten: er rückt wider Rom heran, und fordert unter heftigen Bedrohungen auch diese Stadt auf, ihm Tribut zu zahlen, sich ihm zu ergeben 1).
Bei diesem inneren Zerwürfniß auf der einen und der entschiedenen Ueberlegenheit einer feindseligen Weltmacht
1)Anastasius Bibliothecarius: Vitae Pontificum. Vita Ste- phani III. ed. Paris. p. 83. Fremens ut leo pestiferas minas Romanis dirigere non desinebat, asserens omnes uno gladio ju- gulari, nisi suae sese subderent ditioni.
Kap. I. Epochen des Papſtthums.
groͤßeres Mißgeſchick. Die Araber, nicht allein Eroberer wie die Germanen, ſondern von einem poſitiven ſtolzen, dem Chriſtenthume von Grund aus entgegengeſetzten Glau- ben bis zum Fanatismus durchdrungen, ergoſſen ſich uͤber den Occident wie uͤber den Orient; in wiederholten Anfaͤl- len nahmen ſie Africa, in einem einzigen Spanien ein: Muza ruͤhmte ſich, durch die Pforten der Pyrenaͤen uͤber die Alpen nach Italien vordringen zu wollen, um Muha- mets Namen am Vatican ausrufen zu laſſen.
Im Anfange des achten Jahrhunderts war die roͤmi- ſche Chriſtenheit in den mißlichſten Verhaͤltniſſen.
Waͤhrend die Araber das Mittelmeer zu beherrſchen anfangen und ihr einen Krieg auf Tod und Leben machen, iſt ſie in ſich ſelber zerfallen. Die beiden Oberhaͤupter, der Kaiſer zu Conſtantinopel und der Papſt zu Rom, ha- ben bei den ikonoklaſtiſchen Bewegungen verſchiedene Par- teien ergriffen: oft trachtet der Kaiſer dem Papſte nach dem Leben. Indeß haben die Lombarden eingeſehen, wie vor- theilhaft ihnen dieſe Entzweiung iſt. Ihr Koͤnig Aiſtulph nimmt Provinzen ein, die den Kaiſer bisher noch immer anerkannten: er ruͤckt wider Rom heran, und fordert unter heftigen Bedrohungen auch dieſe Stadt auf, ihm Tribut zu zahlen, ſich ihm zu ergeben 1).
Bei dieſem inneren Zerwuͤrfniß auf der einen und der entſchiedenen Ueberlegenheit einer feindſeligen Weltmacht
1)Anastasius Bibliothecarius: Vitae Pontificum. Vita Ste- phani III. ed. Paris. p. 83. Fremens ut leo pestiferas minas Romanis dirigere non desinebat, asserens omnes uno gladio ju- gulari, nisi suae sese subderent ditioni.
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Kap. I. Epochen des Papſtthums.
groͤßeres Mißgeſchick. Die Araber, nicht allein Eroberer
wie die Germanen, ſondern von einem poſitiven ſtolzen,
dem Chriſtenthume von Grund aus entgegengeſetzten Glau-
ben bis zum Fanatismus durchdrungen, ergoſſen ſich uͤber
den Occident wie uͤber den Orient; in wiederholten Anfaͤl-
len nahmen ſie Africa, in einem einzigen Spanien ein:
Muza ruͤhmte ſich, durch die Pforten der Pyrenaͤen uͤber
die Alpen nach Italien vordringen zu wollen, um Muha-
mets Namen am Vatican ausrufen zu laſſen.
Im Anfange des achten Jahrhunderts war die roͤmi-
ſche Chriſtenheit in den mißlichſten Verhaͤltniſſen.
Waͤhrend die Araber das Mittelmeer zu beherrſchen
anfangen und ihr einen Krieg auf Tod und Leben machen,
iſt ſie in ſich ſelber zerfallen. Die beiden Oberhaͤupter,
der Kaiſer zu Conſtantinopel und der Papſt zu Rom, ha-
ben bei den ikonoklaſtiſchen Bewegungen verſchiedene Par-
teien ergriffen: oft trachtet der Kaiſer dem Papſte nach dem
Leben. Indeß haben die Lombarden eingeſehen, wie vor-
theilhaft ihnen dieſe Entzweiung iſt. Ihr Koͤnig Aiſtulph
nimmt Provinzen ein, die den Kaiſer bisher noch immer
anerkannten: er ruͤckt wider Rom heran, und fordert unter
heftigen Bedrohungen auch dieſe Stadt auf, ihm Tribut
zu zahlen, ſich ihm zu ergeben 1).
Bei dieſem inneren Zerwuͤrfniß auf der einen und der
entſchiedenen Ueberlegenheit einer feindſeligen Weltmacht
1) Anastasius Bibliothecarius: Vitae Pontificum. Vita Ste-
phani III. ed. Paris. p. 83. Fremens ut leo pestiferas minas
Romanis dirigere non desinebat, asserens omnes uno gladio ju-
gulari, nisi suae sese subderent ditioni.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/40>, abgerufen am 05.07.2024.
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