nigung der beiden Seemächte entgegenstanden: die übrigen Kräfte Italiens gesellte er ihnen zu: er selbst, obwohl er anfangs weder Geld noch Schiffe noch Waffen hatte, fand doch Mittel, auch päpstliche Galeeren zu der Flotte stoßen zu lassen: an der Wahl des Anführers Don Johann von Oestreich hatte er Antheil: dessen Ehrgeiz und Devotion wußte er zugleich zu entflammen. Und so kam es zu dem glücklichsten Schlachttag -- bei Lepanto -- den die Chri- sten je gehalten. So sehr lebte der Papst in diesem Un- ternehmen, daß er an dem Tage der Schlacht in einer Art von Entzückung den Sieg zu sehen meinte. Daß dieser er- fochten ward, erfüllte ihn mit hohem Selbstvertrauen und den kühnsten Entwürfen. In ein paar Jahren hoffte er die Osmanen ganz erniedrigt zu haben.
Nicht allein aber zu so unbedenklich ruhmwürdigen Unternehmungen benutzte er seine Vermittelung. Seine Religiosität war von einer so ausschließenden und gebiete- rischen Art, daß er den andersgläubigen Christen den bit- tersten Haß widmete. Daß die Religion der Unschuld und der Demuth, daß wahre Frömmigkeit verfolge, welch ein Widerspruch! Pius V., hergekommen bei der Inquisition, in ihren Ideen alt geworden, fand darin keinen. Suchte er die Reste abweichender Regungen, die es in den katho- lischen Ländern gab, mit unermüdlichem Eifer zu vertilgen, so verfolgte er die eigentlichen, frei gewordenen oder noch im Kampf begriffenen Protestanten mit noch wilderem In- grimm. Den französischen Katholiken kam er nicht allein selbst mit einer kleinen Kriegsmacht zu Hülfe: dem Anfüh- rer derselben, dem Grafen Santafiore, gab er die unerhörte
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
nigung der beiden Seemaͤchte entgegenſtanden: die uͤbrigen Kraͤfte Italiens geſellte er ihnen zu: er ſelbſt, obwohl er anfangs weder Geld noch Schiffe noch Waffen hatte, fand doch Mittel, auch paͤpſtliche Galeeren zu der Flotte ſtoßen zu laſſen: an der Wahl des Anfuͤhrers Don Johann von Oeſtreich hatte er Antheil: deſſen Ehrgeiz und Devotion wußte er zugleich zu entflammen. Und ſo kam es zu dem gluͤcklichſten Schlachttag — bei Lepanto — den die Chri- ſten je gehalten. So ſehr lebte der Papſt in dieſem Un- ternehmen, daß er an dem Tage der Schlacht in einer Art von Entzuͤckung den Sieg zu ſehen meinte. Daß dieſer er- fochten ward, erfuͤllte ihn mit hohem Selbſtvertrauen und den kuͤhnſten Entwuͤrfen. In ein paar Jahren hoffte er die Osmanen ganz erniedrigt zu haben.
Nicht allein aber zu ſo unbedenklich ruhmwuͤrdigen Unternehmungen benutzte er ſeine Vermittelung. Seine Religioſitaͤt war von einer ſo ausſchließenden und gebiete- riſchen Art, daß er den andersglaͤubigen Chriſten den bit- terſten Haß widmete. Daß die Religion der Unſchuld und der Demuth, daß wahre Froͤmmigkeit verfolge, welch ein Widerſpruch! Pius V., hergekommen bei der Inquiſition, in ihren Ideen alt geworden, fand darin keinen. Suchte er die Reſte abweichender Regungen, die es in den katho- liſchen Laͤndern gab, mit unermuͤdlichem Eifer zu vertilgen, ſo verfolgte er die eigentlichen, frei gewordenen oder noch im Kampf begriffenen Proteſtanten mit noch wilderem In- grimm. Den franzoͤſiſchen Katholiken kam er nicht allein ſelbſt mit einer kleinen Kriegsmacht zu Huͤlfe: dem Anfuͤh- rer derſelben, dem Grafen Santafiore, gab er die unerhoͤrte
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Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
nigung der beiden Seemaͤchte entgegenſtanden: die uͤbrigen
Kraͤfte Italiens geſellte er ihnen zu: er ſelbſt, obwohl er
anfangs weder Geld noch Schiffe noch Waffen hatte, fand
doch Mittel, auch paͤpſtliche Galeeren zu der Flotte ſtoßen
zu laſſen: an der Wahl des Anfuͤhrers Don Johann von
Oeſtreich hatte er Antheil: deſſen Ehrgeiz und Devotion
wußte er zugleich zu entflammen. Und ſo kam es zu dem
gluͤcklichſten Schlachttag — bei Lepanto — den die Chri-
ſten je gehalten. So ſehr lebte der Papſt in dieſem Un-
ternehmen, daß er an dem Tage der Schlacht in einer Art
von Entzuͤckung den Sieg zu ſehen meinte. Daß dieſer er-
fochten ward, erfuͤllte ihn mit hohem Selbſtvertrauen und
den kuͤhnſten Entwuͤrfen. In ein paar Jahren hoffte er
die Osmanen ganz erniedrigt zu haben.
Nicht allein aber zu ſo unbedenklich ruhmwuͤrdigen
Unternehmungen benutzte er ſeine Vermittelung. Seine
Religioſitaͤt war von einer ſo ausſchließenden und gebiete-
riſchen Art, daß er den andersglaͤubigen Chriſten den bit-
terſten Haß widmete. Daß die Religion der Unſchuld und
der Demuth, daß wahre Froͤmmigkeit verfolge, welch ein
Widerſpruch! Pius V., hergekommen bei der Inquiſition,
in ihren Ideen alt geworden, fand darin keinen. Suchte
er die Reſte abweichender Regungen, die es in den katho-
liſchen Laͤndern gab, mit unermuͤdlichem Eifer zu vertilgen,
ſo verfolgte er die eigentlichen, frei gewordenen oder noch
im Kampf begriffenen Proteſtanten mit noch wilderem In-
grimm. Den franzoͤſiſchen Katholiken kam er nicht allein
ſelbſt mit einer kleinen Kriegsmacht zu Huͤlfe: dem Anfuͤh-
rer derſelben, dem Grafen Santafiore, gab er die unerhoͤrte
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/398>, abgerufen am 05.07.2024.
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