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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Pius V.
nicht allein die Magistratspersonen noch besonders dazu: jeden
letzten Mittwoch des Monats hielt er eine öffentliche Sitzung
mit den Cardinälen, wo ein Jeder seine Beschwerden über
die Gerichte vortragen konnte. Auch sonst war er unermüdlich,
Audienz zu geben. Von früh an saß er auf seinem Stuhl:
Jedermann ward vorgelassen. In der That hatte dieser
Eifer eine totale Reform des römischen Wesens zu Folge.
"Zu Rom," sagt Paul Tiepolo, "geht es jetzt auf eine
andere, als die bisher übliche Weise her. Die Menschen
sind um vieles besser geworden, oder wenigstens haben sie
diesen Anschein."

Mehr oder minder geschah etwas Aehnliches in ganz
Italien. Allenthalben ward mit der Verkündigung der De-
crete des Conciliums auch die Kirchenzucht geschärft; dem
Papst ward ein Gehorsam geleistet, wie ihn lange keiner
von seinen Vorgängern genossen hatte.

Herzog Cosimo von Florenz trug kein Bedenken, ihm
die Angeschuldigten der Inquisition auszuliefern. Carnesecchi,
noch einer von jenen Literaten, die an den ersten Regun-
gen des Protestantismus in Italien Theil genommen, war
bisher immer glücklich durchgekommen; jetzt vermochte ihn
weder sein persönliches Ansehn, noch die Reputation seiner
Familie, noch die Verbindung, in der er mit dem regie-

si cura delle circonstanze secondo che alle volte sarebbe neces-
sario per qualsivoglia rispetto considerabile ne a requisition
d'alcuno la giustitia si ha punto alterata ancora che sia senza
dar scandalo e con esempio d'altri pontefici potesse fare."
So-
riano findet, er erweise keine Gnade, ohne Ermahnung: il che mi
parse proprio il stilo de' confessori che fanno una gran ripren-
sione al penitente, quando sono per assolverlo.

Pius V.
nicht allein die Magiſtratsperſonen noch beſonders dazu: jeden
letzten Mittwoch des Monats hielt er eine oͤffentliche Sitzung
mit den Cardinaͤlen, wo ein Jeder ſeine Beſchwerden uͤber
die Gerichte vortragen konnte. Auch ſonſt war er unermuͤdlich,
Audienz zu geben. Von fruͤh an ſaß er auf ſeinem Stuhl:
Jedermann ward vorgelaſſen. In der That hatte dieſer
Eifer eine totale Reform des roͤmiſchen Weſens zu Folge.
„Zu Rom,“ ſagt Paul Tiepolo, „geht es jetzt auf eine
andere, als die bisher uͤbliche Weiſe her. Die Menſchen
ſind um vieles beſſer geworden, oder wenigſtens haben ſie
dieſen Anſchein.“

Mehr oder minder geſchah etwas Aehnliches in ganz
Italien. Allenthalben ward mit der Verkuͤndigung der De-
crete des Conciliums auch die Kirchenzucht geſchaͤrft; dem
Papſt ward ein Gehorſam geleiſtet, wie ihn lange keiner
von ſeinen Vorgaͤngern genoſſen hatte.

Herzog Coſimo von Florenz trug kein Bedenken, ihm
die Angeſchuldigten der Inquiſition auszuliefern. Carneſecchi,
noch einer von jenen Literaten, die an den erſten Regun-
gen des Proteſtantismus in Italien Theil genommen, war
bisher immer gluͤcklich durchgekommen; jetzt vermochte ihn
weder ſein perſoͤnliches Anſehn, noch die Reputation ſeiner
Familie, noch die Verbindung, in der er mit dem regie-

si cura delle circonstanze secondo che alle volte sarebbe neces-
sario per qualsivoglia rispetto considerabile nè a requisition
d’alcuno la giustitia si ha punto alterata ancora che sia senza
dar scandalo e con esempio d’altri pontefici potesse fare.“
So-
riano findet, er erweiſe keine Gnade, ohne Ermahnung: il che mi
parse proprio il stilo de’ confessori che fanno una gran ripren-
sione al penitente, quando sono per assolverlo.
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[361/0387] Pius V. nicht allein die Magiſtratsperſonen noch beſonders dazu: jeden letzten Mittwoch des Monats hielt er eine oͤffentliche Sitzung mit den Cardinaͤlen, wo ein Jeder ſeine Beſchwerden uͤber die Gerichte vortragen konnte. Auch ſonſt war er unermuͤdlich, Audienz zu geben. Von fruͤh an ſaß er auf ſeinem Stuhl: Jedermann ward vorgelaſſen. In der That hatte dieſer Eifer eine totale Reform des roͤmiſchen Weſens zu Folge. „Zu Rom,“ ſagt Paul Tiepolo, „geht es jetzt auf eine andere, als die bisher uͤbliche Weiſe her. Die Menſchen ſind um vieles beſſer geworden, oder wenigſtens haben ſie dieſen Anſchein.“ Mehr oder minder geſchah etwas Aehnliches in ganz Italien. Allenthalben ward mit der Verkuͤndigung der De- crete des Conciliums auch die Kirchenzucht geſchaͤrft; dem Papſt ward ein Gehorſam geleiſtet, wie ihn lange keiner von ſeinen Vorgaͤngern genoſſen hatte. Herzog Coſimo von Florenz trug kein Bedenken, ihm die Angeſchuldigten der Inquiſition auszuliefern. Carneſecchi, noch einer von jenen Literaten, die an den erſten Regun- gen des Proteſtantismus in Italien Theil genommen, war bisher immer gluͤcklich durchgekommen; jetzt vermochte ihn weder ſein perſoͤnliches Anſehn, noch die Reputation ſeiner Familie, noch die Verbindung, in der er mit dem regie- 6) 6) si cura delle circonstanze secondo che alle volte sarebbe neces- sario per qualsivoglia rispetto considerabile nè a requisition d’alcuno la giustitia si ha punto alterata ancora che sia senza dar scandalo e con esempio d’altri pontefici potesse fare.“ So- riano findet, er erweiſe keine Gnade, ohne Ermahnung: il che mi parse proprio il stilo de’ confessori che fanno una gran ripren- sione al penitente, quando sono per assolverlo.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/387>, abgerufen am 24.11.2024.