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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Pius V.
testanten bekehrt. Auch war Pius gütig und leutselig: mit
seinen älteren Dienern ging er auf das vertraulichste um.
Wie schön begegnete er jenem Grafen della Trinita, der nun
einmal als Gesandter zu ihm geschickt wurde. "Sehet
da," sagte er ihm, als er ihn erkannte, "so hilft Gott
den Unschuldigen:" sonst ließ er es ihn nicht empfinden.
Mildthätig war er von jeher: er hatte eine Liste von den
Dürftigen in Rom, die er regelmäßig nach ihrem Stand
unterstützen ließ.

Demüthig, hingegeben, kindlich sind Naturen dieser
Art: -- so wie sie aber gereizt und beleidigt werden, er-
heben sie sich zu heftigem Eifer, unerbittlichem Zorn. Ihre
Gesinnung sehen sie als eine Pflicht, eine höchste Pflicht
an, deren Nichterfüllung sie entrüstet und empört.

Pius V. war sich bewußt, daß er immer die grade
Straße gewandelt. Daß ihn diese bis zum Papstthum ge-
führt hatte, erfüllte ihn mit einem Selbstvertrauen, wel-
ches ihn vollends über jede Rücksicht erhob.

In seinen Meinungen war er äußerst hartnäckig. Man
fand daß ihn auch die besten Gründe von denselben nicht
zurückbringen konnten. Leicht fuhr er bei dem Widerspruch
auf: er ward roth im Gesicht, und bediente sich der hef-
tigsten Ausdrücke 1). Da er nun von den Geschäften der
Welt und des Staates wenig verstand, und sich vielmehr

1) Informationi di Pio V. (Bibl. Ambrosiana zu Mailand
F. D. 181.) La Sa. S. naturalmente e gioviale e piacevole, se
ben per accidente pare di altra dispositione, e di qui viene che
volontieri onestamente ragiona con Mr. Cirillo suo Mro. di casa,
il quale con le sue piacevolezze essendo huomo destro et ac-
corto diletta S. Beatne. e sempre profitta a se stesso et altri.
23*

Pius V.
teſtanten bekehrt. Auch war Pius guͤtig und leutſelig: mit
ſeinen aͤlteren Dienern ging er auf das vertraulichſte um.
Wie ſchoͤn begegnete er jenem Grafen della Trinita, der nun
einmal als Geſandter zu ihm geſchickt wurde. „Sehet
da,“ ſagte er ihm, als er ihn erkannte, „ſo hilft Gott
den Unſchuldigen:“ ſonſt ließ er es ihn nicht empfinden.
Mildthaͤtig war er von jeher: er hatte eine Liſte von den
Duͤrftigen in Rom, die er regelmaͤßig nach ihrem Stand
unterſtuͤtzen ließ.

Demuͤthig, hingegeben, kindlich ſind Naturen dieſer
Art: — ſo wie ſie aber gereizt und beleidigt werden, er-
heben ſie ſich zu heftigem Eifer, unerbittlichem Zorn. Ihre
Geſinnung ſehen ſie als eine Pflicht, eine hoͤchſte Pflicht
an, deren Nichterfuͤllung ſie entruͤſtet und empoͤrt.

Pius V. war ſich bewußt, daß er immer die grade
Straße gewandelt. Daß ihn dieſe bis zum Papſtthum ge-
fuͤhrt hatte, erfuͤllte ihn mit einem Selbſtvertrauen, wel-
ches ihn vollends uͤber jede Ruͤckſicht erhob.

In ſeinen Meinungen war er aͤußerſt hartnaͤckig. Man
fand daß ihn auch die beſten Gruͤnde von denſelben nicht
zuruͤckbringen konnten. Leicht fuhr er bei dem Widerſpruch
auf: er ward roth im Geſicht, und bediente ſich der hef-
tigſten Ausdruͤcke 1). Da er nun von den Geſchaͤften der
Welt und des Staates wenig verſtand, und ſich vielmehr

1) Informationi di Pio V. (Bibl. Ambrosiana zu Mailand
F. D. 181.) La Sà. S. naturalmente è gioviale e piacevole, se
ben per accidente pare di altra dispositione, e di qui viene che
volontieri onestamente ragiona con Mr. Cirillo suo Mro. di casa,
il quale con le sue piacevolezze essendo huomo destro et ac-
corto diletta S. Beatne. e sempre profitta a se stesso et altri.
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[355/0381] Pius V. teſtanten bekehrt. Auch war Pius guͤtig und leutſelig: mit ſeinen aͤlteren Dienern ging er auf das vertraulichſte um. Wie ſchoͤn begegnete er jenem Grafen della Trinita, der nun einmal als Geſandter zu ihm geſchickt wurde. „Sehet da,“ ſagte er ihm, als er ihn erkannte, „ſo hilft Gott den Unſchuldigen:“ ſonſt ließ er es ihn nicht empfinden. Mildthaͤtig war er von jeher: er hatte eine Liſte von den Duͤrftigen in Rom, die er regelmaͤßig nach ihrem Stand unterſtuͤtzen ließ. Demuͤthig, hingegeben, kindlich ſind Naturen dieſer Art: — ſo wie ſie aber gereizt und beleidigt werden, er- heben ſie ſich zu heftigem Eifer, unerbittlichem Zorn. Ihre Geſinnung ſehen ſie als eine Pflicht, eine hoͤchſte Pflicht an, deren Nichterfuͤllung ſie entruͤſtet und empoͤrt. Pius V. war ſich bewußt, daß er immer die grade Straße gewandelt. Daß ihn dieſe bis zum Papſtthum ge- fuͤhrt hatte, erfuͤllte ihn mit einem Selbſtvertrauen, wel- ches ihn vollends uͤber jede Ruͤckſicht erhob. In ſeinen Meinungen war er aͤußerſt hartnaͤckig. Man fand daß ihn auch die beſten Gruͤnde von denſelben nicht zuruͤckbringen konnten. Leicht fuhr er bei dem Widerſpruch auf: er ward roth im Geſicht, und bediente ſich der hef- tigſten Ausdruͤcke 1). Da er nun von den Geſchaͤften der Welt und des Staates wenig verſtand, und ſich vielmehr 1) Informationi di Pio V. (Bibl. Ambrosiana zu Mailand F. D. 181.) La Sà. S. naturalmente è gioviale e piacevole, se ben per accidente pare di altra dispositione, e di qui viene che volontieri onestamente ragiona con Mr. Cirillo suo Mro. di casa, il quale con le sue piacevolezze essendo huomo destro et ac- corto diletta S. Beatne. e sempre profitta a se stesso et altri. 23*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/381>, abgerufen am 24.11.2024.