Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
so ruchlos angewendet werden möchten" 1). Höchst wich-
tige, auf eine durchgreifende Umgestaltung des Kirchenwe-
sens zielende Anträge! In wiederholten Briefen drang der
Kaiser auf ihre Erörterung.

Endlich erschien auch der Cardinal von Lothringen mit
den französischen Prälaten. Er schloß sich im Ganzen den
deutschen Vorschlägen an. Hauptsächlich forderte er die Ge-
währung des Laienkelchs, die Administration der Sacra-
mente in der Muttersprache, Unterricht und Predigt bei der
Messe, die Erlaubniß, in voller Kirche die Psalmen in
französischer Sprache zu singen, -- alles Dinge, von de-
nen man sich dort den größten Erfolg versprach. "Wir
haben die Gewißheit," sagt der König, "daß die Gewäh-
rung des Laienkelchs viele beunruhigte Gewissen stillen,
ganze Provinzen, die sich von der katholischen Kirche abge-
sondert, mit derselben vereinigen, und eins der besten Mit-
tel seyn werde, die Unruhen in unserem Reiche beizulegen 2)."
Allein überdieß suchten die Franzosen die Baseler Beschlüsse

1) Pallavicini übergeht diese Postulate XVII, 1, 6. beinahe
ganz. Sie sind ihm unbequem. Auch sind sie in der That in ih-
rer eigentlichen Gestalt niemals bekannt geworden. In drei Auszü-
gen liegen sie vor uns. Der erste findet sich bei P. Sarpi lib. VI,
p.
325 und ganz eben so, jedoch lateinisch, bei Rainaldi und Goldast.
Der zweite ist bei Bartholomäus de Martyribus, und etwas ausführ-
licher. Den dritten hat Schelhorn aus den Papieren des Staphy-
lus entnommen. Sie stimmen nicht sehr gut zusammen. In Wien
sollte ich glauben, müßte sich das Original davon finden; es wäre
immer ein merkwürdiges Actenstück. Ich habe mich an den Schel-
hornschen Auszug gehalten. Le Plat hat sie sämmtlich, so wie die
Antwort.
2) Memoire baille a Mr. le Cl. de Lorraine, quand il est
parti pour aller au concil. Le Plat IV,
562.

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ſo ruchlos angewendet werden moͤchten“ 1). Hoͤchſt wich-
tige, auf eine durchgreifende Umgeſtaltung des Kirchenwe-
ſens zielende Antraͤge! In wiederholten Briefen drang der
Kaiſer auf ihre Eroͤrterung.

Endlich erſchien auch der Cardinal von Lothringen mit
den franzoͤſiſchen Praͤlaten. Er ſchloß ſich im Ganzen den
deutſchen Vorſchlaͤgen an. Hauptſaͤchlich forderte er die Ge-
waͤhrung des Laienkelchs, die Adminiſtration der Sacra-
mente in der Mutterſprache, Unterricht und Predigt bei der
Meſſe, die Erlaubniß, in voller Kirche die Pſalmen in
franzoͤſiſcher Sprache zu ſingen, — alles Dinge, von de-
nen man ſich dort den groͤßten Erfolg verſprach. „Wir
haben die Gewißheit,“ ſagt der Koͤnig, „daß die Gewaͤh-
rung des Laienkelchs viele beunruhigte Gewiſſen ſtillen,
ganze Provinzen, die ſich von der katholiſchen Kirche abge-
ſondert, mit derſelben vereinigen, und eins der beſten Mit-
tel ſeyn werde, die Unruhen in unſerem Reiche beizulegen 2).“
Allein uͤberdieß ſuchten die Franzoſen die Baſeler Beſchluͤſſe

1) Pallavicini uͤbergeht dieſe Poſtulate XVII, 1, 6. beinahe
ganz. Sie ſind ihm unbequem. Auch ſind ſie in der That in ih-
rer eigentlichen Geſtalt niemals bekannt geworden. In drei Auszuͤ-
gen liegen ſie vor uns. Der erſte findet ſich bei P. Sarpi lib. VI,
p.
325 und ganz eben ſo, jedoch lateiniſch, bei Rainaldi und Goldaſt.
Der zweite iſt bei Bartholomaͤus de Martyribus, und etwas ausfuͤhr-
licher. Den dritten hat Schelhorn aus den Papieren des Staphy-
lus entnommen. Sie ſtimmen nicht ſehr gut zuſammen. In Wien
ſollte ich glauben, muͤßte ſich das Original davon finden; es waͤre
immer ein merkwuͤrdiges Actenſtuͤck. Ich habe mich an den Schel-
hornſchen Auszug gehalten. Le Plat hat ſie ſaͤmmtlich, ſo wie die
Antwort.
2) Mémoire baillé à Mr. le Cl. de Lorraine, quand il est
parti pour aller au concil. Le Plat IV,
562.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0354" n="328"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Die Pa&#x0364;p&#x017F;te um d. Mitte d. 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;o ruchlos angewendet werden mo&#x0364;chten&#x201C; <note place="foot" n="1)">Pallavicini u&#x0364;bergeht die&#x017F;e Po&#x017F;tulate <hi rendition="#aq">XVII</hi>, 1, 6. beinahe<lb/>
ganz. Sie &#x017F;ind ihm unbequem. Auch &#x017F;ind &#x017F;ie in der That in ih-<lb/>
rer eigentlichen Ge&#x017F;talt niemals bekannt geworden. In drei Auszu&#x0364;-<lb/>
gen liegen &#x017F;ie vor uns. Der er&#x017F;te findet &#x017F;ich bei P. Sarpi <hi rendition="#aq">lib. VI,<lb/>
p.</hi> 325 und ganz eben &#x017F;o, jedoch lateini&#x017F;ch, bei Rainaldi und Golda&#x017F;t.<lb/>
Der zweite i&#x017F;t bei Bartholoma&#x0364;us de Martyribus, und etwas ausfu&#x0364;hr-<lb/>
licher. Den dritten hat Schelhorn aus den Papieren des Staphy-<lb/>
lus entnommen. Sie &#x017F;timmen nicht &#x017F;ehr gut zu&#x017F;ammen. In Wien<lb/>
&#x017F;ollte ich glauben, mu&#x0364;ßte &#x017F;ich das Original davon finden; es wa&#x0364;re<lb/>
immer ein merkwu&#x0364;rdiges Acten&#x017F;tu&#x0364;ck. Ich habe mich an den Schel-<lb/>
horn&#x017F;chen Auszug gehalten. Le Plat hat &#x017F;ie &#x017F;a&#x0364;mmtlich, &#x017F;o wie die<lb/>
Antwort.</note>. Ho&#x0364;ch&#x017F;t wich-<lb/>
tige, auf eine durchgreifende Umge&#x017F;taltung des Kirchenwe-<lb/>
&#x017F;ens zielende Antra&#x0364;ge! In wiederholten Briefen drang der<lb/>
Kai&#x017F;er auf ihre Ero&#x0364;rterung.</p><lb/>
            <p>Endlich er&#x017F;chien auch der Cardinal von Lothringen mit<lb/>
den franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Pra&#x0364;laten. Er &#x017F;chloß &#x017F;ich im Ganzen den<lb/>
deut&#x017F;chen Vor&#x017F;chla&#x0364;gen an. Haupt&#x017F;a&#x0364;chlich forderte er die Ge-<lb/>
wa&#x0364;hrung des Laienkelchs, die Admini&#x017F;tration der Sacra-<lb/>
mente in der Mutter&#x017F;prache, Unterricht und Predigt bei der<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;e, die Erlaubniß, in voller Kirche die P&#x017F;almen in<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Sprache zu &#x017F;ingen, &#x2014; alles Dinge, von de-<lb/>
nen man &#x017F;ich dort den gro&#x0364;ßten Erfolg ver&#x017F;prach. &#x201E;Wir<lb/>
haben die Gewißheit,&#x201C; &#x017F;agt der Ko&#x0364;nig, &#x201E;daß die Gewa&#x0364;h-<lb/>
rung des Laienkelchs viele beunruhigte Gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tillen,<lb/>
ganze Provinzen, die &#x017F;ich von der katholi&#x017F;chen Kirche abge-<lb/>
&#x017F;ondert, mit der&#x017F;elben vereinigen, und eins der be&#x017F;ten Mit-<lb/>
tel &#x017F;eyn werde, die Unruhen in un&#x017F;erem Reiche beizulegen <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Mémoire baillé à Mr. le Cl. de Lorraine, quand il est<lb/>
parti pour aller au concil. Le Plat IV,</hi> 562.</note>.&#x201C;<lb/>
Allein u&#x0364;berdieß &#x017F;uchten die Franzo&#x017F;en die Ba&#x017F;eler Be&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[328/0354] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. ſo ruchlos angewendet werden moͤchten“ 1). Hoͤchſt wich- tige, auf eine durchgreifende Umgeſtaltung des Kirchenwe- ſens zielende Antraͤge! In wiederholten Briefen drang der Kaiſer auf ihre Eroͤrterung. Endlich erſchien auch der Cardinal von Lothringen mit den franzoͤſiſchen Praͤlaten. Er ſchloß ſich im Ganzen den deutſchen Vorſchlaͤgen an. Hauptſaͤchlich forderte er die Ge- waͤhrung des Laienkelchs, die Adminiſtration der Sacra- mente in der Mutterſprache, Unterricht und Predigt bei der Meſſe, die Erlaubniß, in voller Kirche die Pſalmen in franzoͤſiſcher Sprache zu ſingen, — alles Dinge, von de- nen man ſich dort den groͤßten Erfolg verſprach. „Wir haben die Gewißheit,“ ſagt der Koͤnig, „daß die Gewaͤh- rung des Laienkelchs viele beunruhigte Gewiſſen ſtillen, ganze Provinzen, die ſich von der katholiſchen Kirche abge- ſondert, mit derſelben vereinigen, und eins der beſten Mit- tel ſeyn werde, die Unruhen in unſerem Reiche beizulegen 2).“ Allein uͤberdieß ſuchten die Franzoſen die Baſeler Beſchluͤſſe 1) Pallavicini uͤbergeht dieſe Poſtulate XVII, 1, 6. beinahe ganz. Sie ſind ihm unbequem. Auch ſind ſie in der That in ih- rer eigentlichen Geſtalt niemals bekannt geworden. In drei Auszuͤ- gen liegen ſie vor uns. Der erſte findet ſich bei P. Sarpi lib. VI, p. 325 und ganz eben ſo, jedoch lateiniſch, bei Rainaldi und Goldaſt. Der zweite iſt bei Bartholomaͤus de Martyribus, und etwas ausfuͤhr- licher. Den dritten hat Schelhorn aus den Papieren des Staphy- lus entnommen. Sie ſtimmen nicht ſehr gut zuſammen. In Wien ſollte ich glauben, muͤßte ſich das Original davon finden; es waͤre immer ein merkwuͤrdiges Actenſtuͤck. Ich habe mich an den Schel- hornſchen Auszug gehalten. Le Plat hat ſie ſaͤmmtlich, ſo wie die Antwort. 2) Mémoire baillé à Mr. le Cl. de Lorraine, quand il est parti pour aller au concil. Le Plat IV, 562.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/354
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/354>, abgerufen am 24.11.2024.