sich mit der natürlichen Tochter Heinrichs II.: man ließ kein Mittel unversucht, um zunächst die Venezianer zu ei- nem allgemeinen Bündniß zu gewinnen. Alle Ausge- wanderten regten sich. Grade zur rechten Zeit brachen Unruhen in Neapel aus: ein neapolitanischer Abgeordneter erschien, den Papst um Schutz für seine dortigen Lehns- leute zu ersuchen, und es gab Cardinäle, die ihm riethen, hierauf einzugehen.
Noch einmal faßten die italienischen Factionen einan- der ins Angesicht. Sie standen einander um so schroffer gegenüber, da die beiden Oberhäupter nunmehr offen ent- zweit waren. Auf der Einen Seite: die Governatoren in Mailand und Neapel, die Medici in Florenz, die Doria in Genua: als ihr Mittelpunct kann Don Diego Men- doza, kaiserlicher Botschafter zu Rom, angesehen werden: noch hatten sie allenthalben einen großen gibellinischen An- hang: -- auf der andern der Papst und die Farnesen, die Ausgewanderten und Mißvergnügten, eine neugebildete or- sinische Partei, die Anhänger der Franzosen. Für jene war der in Trient zurückgebliebene, für diese der nach Bo- logna gegangene Theil des Conciliums.
Der Haß, den diese Parteien gegeneinander hegten, trat plötzlich in einer gewaltsamen That hervor.
Jene seine engere Vertraulichkeit mit dem Kaiser hatte der Papst benutzt, um Parma und Piacenza, als ein bei dem päpstlichen Stuhl zu Lehen gehendes Herzogthum seinem Sohne Pier Luigi zu übergeben. Nicht mehr mit jener Rücksichtslosigkeit, wie ein Alexander, ein Leo, konnte er zu dieser Maaßregel schreiten. Er stellte dafür Camerino
und
BuchIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ſich mit der natuͤrlichen Tochter Heinrichs II.: man ließ kein Mittel unverſucht, um zunaͤchſt die Venezianer zu ei- nem allgemeinen Buͤndniß zu gewinnen. Alle Ausge- wanderten regten ſich. Grade zur rechten Zeit brachen Unruhen in Neapel aus: ein neapolitaniſcher Abgeordneter erſchien, den Papſt um Schutz fuͤr ſeine dortigen Lehns- leute zu erſuchen, und es gab Cardinaͤle, die ihm riethen, hierauf einzugehen.
Noch einmal faßten die italieniſchen Factionen einan- der ins Angeſicht. Sie ſtanden einander um ſo ſchroffer gegenuͤber, da die beiden Oberhaͤupter nunmehr offen ent- zweit waren. Auf der Einen Seite: die Governatoren in Mailand und Neapel, die Medici in Florenz, die Doria in Genua: als ihr Mittelpunct kann Don Diego Men- doza, kaiſerlicher Botſchafter zu Rom, angeſehen werden: noch hatten ſie allenthalben einen großen gibelliniſchen An- hang: — auf der andern der Papſt und die Farneſen, die Ausgewanderten und Mißvergnuͤgten, eine neugebildete or- ſiniſche Partei, die Anhaͤnger der Franzoſen. Fuͤr jene war der in Trient zuruͤckgebliebene, fuͤr dieſe der nach Bo- logna gegangene Theil des Conciliums.
Der Haß, den dieſe Parteien gegeneinander hegten, trat ploͤtzlich in einer gewaltſamen That hervor.
Jene ſeine engere Vertraulichkeit mit dem Kaiſer hatte der Papſt benutzt, um Parma und Piacenza, als ein bei dem paͤpſtlichen Stuhl zu Lehen gehendes Herzogthum ſeinem Sohne Pier Luigi zu uͤbergeben. Nicht mehr mit jener Ruͤckſichtsloſigkeit, wie ein Alexander, ein Leo, konnte er zu dieſer Maaßregel ſchreiten. Er ſtellte dafuͤr Camerino
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Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
ſich mit der natuͤrlichen Tochter Heinrichs II.: man ließ
kein Mittel unverſucht, um zunaͤchſt die Venezianer zu ei-
nem allgemeinen Buͤndniß zu gewinnen. Alle Ausge-
wanderten regten ſich. Grade zur rechten Zeit brachen
Unruhen in Neapel aus: ein neapolitaniſcher Abgeordneter
erſchien, den Papſt um Schutz fuͤr ſeine dortigen Lehns-
leute zu erſuchen, und es gab Cardinaͤle, die ihm riethen,
hierauf einzugehen.
Noch einmal faßten die italieniſchen Factionen einan-
der ins Angeſicht. Sie ſtanden einander um ſo ſchroffer
gegenuͤber, da die beiden Oberhaͤupter nunmehr offen ent-
zweit waren. Auf der Einen Seite: die Governatoren in
Mailand und Neapel, die Medici in Florenz, die Doria
in Genua: als ihr Mittelpunct kann Don Diego Men-
doza, kaiſerlicher Botſchafter zu Rom, angeſehen werden:
noch hatten ſie allenthalben einen großen gibelliniſchen An-
hang: — auf der andern der Papſt und die Farneſen, die
Ausgewanderten und Mißvergnuͤgten, eine neugebildete or-
ſiniſche Partei, die Anhaͤnger der Franzoſen. Fuͤr jene war
der in Trient zuruͤckgebliebene, fuͤr dieſe der nach Bo-
logna gegangene Theil des Conciliums.
Der Haß, den dieſe Parteien gegeneinander hegten,
trat ploͤtzlich in einer gewaltſamen That hervor.
Jene ſeine engere Vertraulichkeit mit dem Kaiſer
hatte der Papſt benutzt, um Parma und Piacenza, als ein
bei dem paͤpſtlichen Stuhl zu Lehen gehendes Herzogthum
ſeinem Sohne Pier Luigi zu uͤbergeben. Nicht mehr mit
jener Ruͤckſichtsloſigkeit, wie ein Alexander, ein Leo, konnte
er zu dieſer Maaßregel ſchreiten. Er ſtellte dafuͤr Camerino
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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