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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Papst als ein Verbündeter der Protestanten. Er bezeigte
seine Freude über die Fortschritte des Churfürsten Johann
Friedrich wider Herzog Moriz: er wünschte nichts sehn-
licher, als daß sich derselbe auch gegen den Kaiser hal-
ten möge: Franz I., der schon alle Welt zu einem
Bündniß wider Carl zu vereinigen suchte, ließ er ausdrück-
lich ermahnen, "die zu unterstützen, die noch nicht ge-
schlagen seyen" 1). Er fand es aufs neue wahrscheinlich,
daß der Kaiser auf die größten Hindernisse stoßen, noch
lange zu thun haben werde: "er glaubt das," sagt der
französische Abgeordnete, "weil er es wünscht."

Allein er täuschte sich wie zuvor. Das Glück des
Kaisers machte alle seine Berechnungen zu Schanden. Carl
siegte bei Mühlberg: die beiden Oberhäupter der protestan-
tischen Partei führte er gefangen mit sich fort. Schärfer
als jemals konnte er nun sein Augenmerk auf Italien
richten.

Denn auf das tiefste, wie sich denken läßt, hatte ihn
das Betragen des Papstes entrüstet. Er durchschaute ihn
sehr wohl. "Die Absicht seiner Heiligkeit ist von Anfang
gewesen," schreibt er an seinen Gesandten, "uns in diese
Unternehmung zu verwickeln, und dann darin zu verlas-
sen" 2). Daß die päpstlichen Truppen zurückgezogen wor-

1) Le meme au meme. (Ribier I, 637). S. S. -- a entendu,
que le duc de Saxe se trouve fort, dont elle a tel contente-
ment, comme celuy qui estime le commun ennemy estre par ces
moyens retenu, d'executer ses entreprises et connoist on bien
qu'il seroit utile sous main d'entretenir ceux qui lui resistent,
disant, que vous ne scauriez faire depense plus utile.
2) Copia de la carta que S. M. scrivio a Don Diego de

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
Papſt als ein Verbuͤndeter der Proteſtanten. Er bezeigte
ſeine Freude uͤber die Fortſchritte des Churfuͤrſten Johann
Friedrich wider Herzog Moriz: er wuͤnſchte nichts ſehn-
licher, als daß ſich derſelbe auch gegen den Kaiſer hal-
ten moͤge: Franz I., der ſchon alle Welt zu einem
Buͤndniß wider Carl zu vereinigen ſuchte, ließ er ausdruͤck-
lich ermahnen, „die zu unterſtuͤtzen, die noch nicht ge-
ſchlagen ſeyen“ 1). Er fand es aufs neue wahrſcheinlich,
daß der Kaiſer auf die groͤßten Hinderniſſe ſtoßen, noch
lange zu thun haben werde: „er glaubt das,“ ſagt der
franzoͤſiſche Abgeordnete, „weil er es wuͤnſcht.“

Allein er taͤuſchte ſich wie zuvor. Das Gluͤck des
Kaiſers machte alle ſeine Berechnungen zu Schanden. Carl
ſiegte bei Muͤhlberg: die beiden Oberhaͤupter der proteſtan-
tiſchen Partei fuͤhrte er gefangen mit ſich fort. Schaͤrfer
als jemals konnte er nun ſein Augenmerk auf Italien
richten.

Denn auf das tiefſte, wie ſich denken laͤßt, hatte ihn
das Betragen des Papſtes entruͤſtet. Er durchſchaute ihn
ſehr wohl. „Die Abſicht ſeiner Heiligkeit iſt von Anfang
geweſen,“ ſchreibt er an ſeinen Geſandten, „uns in dieſe
Unternehmung zu verwickeln, und dann darin zu verlaſ-
ſen“ 2). Daß die paͤpſtlichen Truppen zuruͤckgezogen wor-

1) Le même au même. (Ribier I, 637). S. S. — a entendu,
que le duc de Saxe se trouve fort, dont elle a tel contente-
ment, comme celuy qui estime le commun ennemy estre par ces
moyens retenu, d’exécuter ses entreprises et connoist on bien
qu’il seroit utile sous main d’entretenir ceux qui lui resistent,
disant, que vous ne scauriez faire dépense plus utile.
2) Copia de la carta que S. M. scrivio a Don Diego de
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[254/0280] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. Papſt als ein Verbuͤndeter der Proteſtanten. Er bezeigte ſeine Freude uͤber die Fortſchritte des Churfuͤrſten Johann Friedrich wider Herzog Moriz: er wuͤnſchte nichts ſehn- licher, als daß ſich derſelbe auch gegen den Kaiſer hal- ten moͤge: Franz I., der ſchon alle Welt zu einem Buͤndniß wider Carl zu vereinigen ſuchte, ließ er ausdruͤck- lich ermahnen, „die zu unterſtuͤtzen, die noch nicht ge- ſchlagen ſeyen“ 1). Er fand es aufs neue wahrſcheinlich, daß der Kaiſer auf die groͤßten Hinderniſſe ſtoßen, noch lange zu thun haben werde: „er glaubt das,“ ſagt der franzoͤſiſche Abgeordnete, „weil er es wuͤnſcht.“ Allein er taͤuſchte ſich wie zuvor. Das Gluͤck des Kaiſers machte alle ſeine Berechnungen zu Schanden. Carl ſiegte bei Muͤhlberg: die beiden Oberhaͤupter der proteſtan- tiſchen Partei fuͤhrte er gefangen mit ſich fort. Schaͤrfer als jemals konnte er nun ſein Augenmerk auf Italien richten. Denn auf das tiefſte, wie ſich denken laͤßt, hatte ihn das Betragen des Papſtes entruͤſtet. Er durchſchaute ihn ſehr wohl. „Die Abſicht ſeiner Heiligkeit iſt von Anfang geweſen,“ ſchreibt er an ſeinen Geſandten, „uns in dieſe Unternehmung zu verwickeln, und dann darin zu verlaſ- ſen“ 2). Daß die paͤpſtlichen Truppen zuruͤckgezogen wor- 1) Le même au même. (Ribier I, 637). S. S. — a entendu, que le duc de Saxe se trouve fort, dont elle a tel contente- ment, comme celuy qui estime le commun ennemy estre par ces moyens retenu, d’exécuter ses entreprises et connoist on bien qu’il seroit utile sous main d’entretenir ceux qui lui resistent, disant, que vous ne scauriez faire dépense plus utile. 2) Copia de la carta que S. M. scrivio a Don Diego de

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/280>, abgerufen am 25.11.2024.