Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Paul III.

Früher hatte er immer unter seinen Freunden laut
ausgesprochen und selbst dem Kaiser zu verstehen gegeben:
Mailand gehöre den Franzosen, und sey ihnen von Rechts-
wegen zurückzustellen 1). Allmählig ließ er diese Meinung
fallen. Von Cardinal Carpi, der unter allen Cardinälen
mit ihm am vertrautesten war, finden wir vielmehr einen
Vorschlag an Carl V., der ganz wo anders hinzielt 2).

"Der Kaiser," heißt es darin, "müsse nicht Graf,
Herzog, Fürst, er müsse nur Kaiser seyn wollen: nicht
viele Provinzen, sondern große Lehensleute müsse er haben.
Sein Glück habe aufgehört, seit er Mailand in Besitz ge-
nommen. Man könne ihm nicht rathen, es an Franz I.
zurückzugeben, dessen Länderdurst er damit nur reizen würde,
aber auch behalten dürfe er es nicht 3). Deshalb allein
habe er Feinde, weil man von ihm argwöhne, er suche
sich fremder Länder zu bemächtigen. Vernichte er diesen
Argwohn, gebe er Mailand an einen besondern Herzog, so
werde Franz I. keine Anhänger mehr finden: er dagegen,
der Kaiser, werde Deutschland und Italien für sich haben,
seine Fahnen zu den entferntesten Nationen tragen, und sei-

1) Auch M. A. Contarini bestätigte dieß in seiner Relation.
2) Discurso del Rmo. Cle. di Carpi del 1543 (vielleicht jedoch
schon ein Jahr früher) a Carlo V. Cesare del modo del domi-
nare Bibl. Corsini nr. 443.
3) Se la M. V. dello stato di Milano le usasse cortesia
non tanto si spegnerebbe quanto si accenderebbe la sete sua:
si che e meglio di armarsi di quel ducato contra di lui -- --
V. M. a da esser certa, che non per affettione che altri ab-
bia a questo re, ma per interesse particolare e la Germania e
l'Italia sinche da tal sospetto non saranno liberate, sono per
sostentare ad ogni lor potere la potentia di Francia.
Paul III.

Fruͤher hatte er immer unter ſeinen Freunden laut
ausgeſprochen und ſelbſt dem Kaiſer zu verſtehen gegeben:
Mailand gehoͤre den Franzoſen, und ſey ihnen von Rechts-
wegen zuruͤckzuſtellen 1). Allmaͤhlig ließ er dieſe Meinung
fallen. Von Cardinal Carpi, der unter allen Cardinaͤlen
mit ihm am vertrauteſten war, finden wir vielmehr einen
Vorſchlag an Carl V., der ganz wo anders hinzielt 2).

„Der Kaiſer,“ heißt es darin, „muͤſſe nicht Graf,
Herzog, Fuͤrſt, er muͤſſe nur Kaiſer ſeyn wollen: nicht
viele Provinzen, ſondern große Lehensleute muͤſſe er haben.
Sein Gluͤck habe aufgehoͤrt, ſeit er Mailand in Beſitz ge-
nommen. Man koͤnne ihm nicht rathen, es an Franz I.
zuruͤckzugeben, deſſen Laͤnderdurſt er damit nur reizen wuͤrde,
aber auch behalten duͤrfe er es nicht 3). Deshalb allein
habe er Feinde, weil man von ihm argwoͤhne, er ſuche
ſich fremder Laͤnder zu bemaͤchtigen. Vernichte er dieſen
Argwohn, gebe er Mailand an einen beſondern Herzog, ſo
werde Franz I. keine Anhaͤnger mehr finden: er dagegen,
der Kaiſer, werde Deutſchland und Italien fuͤr ſich haben,
ſeine Fahnen zu den entfernteſten Nationen tragen, und ſei-

1) Auch M. A. Contarini beſtaͤtigte dieß in ſeiner Relation.
2) Discurso del Rmo. Cle. di Carpi del 1543 (vielleicht jedoch
ſchon ein Jahr fruͤher) a Carlo V. Cesare del modo del domi-
nare Bibl. Corsini nr. 443.
3) Se la M. V. dello stato di Milano le usasse cortesia
non tanto si spegnerebbe quanto si accenderebbe la sete sua:
si che è meglio di armarsi di quel ducato contra di lui — —
V. M. a da esser certa, che non per affettione che altri ab-
bia a questo re, ma per interesse particolare e la Germania e
l’Italia sinche da tal sospetto non saranno liberate, sono per
sostentare ad ogni lor potere la potentia di Francia.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0273" n="247"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#g">Paul</hi> <hi rendition="#aq">III.</hi> </fw><lb/>
          <p>Fru&#x0364;her hatte er immer unter &#x017F;einen Freunden laut<lb/>
ausge&#x017F;prochen und &#x017F;elb&#x017F;t dem Kai&#x017F;er zu ver&#x017F;tehen gegeben:<lb/>
Mailand geho&#x0364;re den Franzo&#x017F;en, und &#x017F;ey ihnen von Rechts-<lb/>
wegen zuru&#x0364;ckzu&#x017F;tellen <note place="foot" n="1)">Auch M. A. Contarini be&#x017F;ta&#x0364;tigte dieß in &#x017F;einer Relation.</note>. Allma&#x0364;hlig ließ er die&#x017F;e Meinung<lb/>
fallen. Von Cardinal Carpi, der unter allen Cardina&#x0364;len<lb/>
mit ihm am vertraute&#x017F;ten war, finden wir vielmehr einen<lb/>
Vor&#x017F;chlag an Carl <hi rendition="#aq">V.</hi>, der ganz wo anders hinzielt <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Discurso del R<hi rendition="#sup">mo.</hi> C<hi rendition="#sup">le.</hi> di Carpi del 1543</hi> (vielleicht jedoch<lb/>
&#x017F;chon ein Jahr fru&#x0364;her) <hi rendition="#aq">a Carlo V. Cesare del modo del domi-<lb/>
nare Bibl. Corsini nr. 443.</hi></note>.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Kai&#x017F;er,&#x201C; heißt es darin, &#x201E;mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nicht Graf,<lb/>
Herzog, Fu&#x0364;r&#x017F;t, er mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nur Kai&#x017F;er &#x017F;eyn wollen: nicht<lb/>
viele Provinzen, &#x017F;ondern große Lehensleute mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e er haben.<lb/>
Sein Glu&#x0364;ck habe aufgeho&#x0364;rt, &#x017F;eit er Mailand in Be&#x017F;itz ge-<lb/>
nommen. Man ko&#x0364;nne ihm nicht rathen, es an Franz <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
zuru&#x0364;ckzugeben, de&#x017F;&#x017F;en La&#x0364;nderdur&#x017F;t er damit nur reizen wu&#x0364;rde,<lb/>
aber auch behalten du&#x0364;rfe er es nicht <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Se la M. V. dello stato di Milano le usasse cortesia<lb/>
non tanto si spegnerebbe quanto si accenderebbe la sete sua:<lb/>
si che è meglio di armarsi di quel ducato contra di lui &#x2014; &#x2014;<lb/>
V. M. a da esser certa, che non per affettione che altri ab-<lb/>
bia a questo re, ma per interesse particolare e la Germania e<lb/>
l&#x2019;Italia sinche da tal sospetto non saranno liberate, sono per<lb/>
sostentare ad ogni lor potere la potentia di Francia.</hi></note>. Deshalb allein<lb/>
habe er Feinde, weil man von ihm argwo&#x0364;hne, er &#x017F;uche<lb/>
&#x017F;ich fremder La&#x0364;nder zu bema&#x0364;chtigen. Vernichte er die&#x017F;en<lb/>
Argwohn, gebe er Mailand an einen be&#x017F;ondern Herzog, &#x017F;o<lb/>
werde Franz <hi rendition="#aq">I.</hi> keine Anha&#x0364;nger mehr finden: er dagegen,<lb/>
der Kai&#x017F;er, werde Deut&#x017F;chland und Italien fu&#x0364;r &#x017F;ich haben,<lb/>
&#x017F;eine Fahnen zu den entfernte&#x017F;ten Nationen tragen, und &#x017F;ei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[247/0273] Paul III. Fruͤher hatte er immer unter ſeinen Freunden laut ausgeſprochen und ſelbſt dem Kaiſer zu verſtehen gegeben: Mailand gehoͤre den Franzoſen, und ſey ihnen von Rechts- wegen zuruͤckzuſtellen 1). Allmaͤhlig ließ er dieſe Meinung fallen. Von Cardinal Carpi, der unter allen Cardinaͤlen mit ihm am vertrauteſten war, finden wir vielmehr einen Vorſchlag an Carl V., der ganz wo anders hinzielt 2). „Der Kaiſer,“ heißt es darin, „muͤſſe nicht Graf, Herzog, Fuͤrſt, er muͤſſe nur Kaiſer ſeyn wollen: nicht viele Provinzen, ſondern große Lehensleute muͤſſe er haben. Sein Gluͤck habe aufgehoͤrt, ſeit er Mailand in Beſitz ge- nommen. Man koͤnne ihm nicht rathen, es an Franz I. zuruͤckzugeben, deſſen Laͤnderdurſt er damit nur reizen wuͤrde, aber auch behalten duͤrfe er es nicht 3). Deshalb allein habe er Feinde, weil man von ihm argwoͤhne, er ſuche ſich fremder Laͤnder zu bemaͤchtigen. Vernichte er dieſen Argwohn, gebe er Mailand an einen beſondern Herzog, ſo werde Franz I. keine Anhaͤnger mehr finden: er dagegen, der Kaiſer, werde Deutſchland und Italien fuͤr ſich haben, ſeine Fahnen zu den entfernteſten Nationen tragen, und ſei- 1) Auch M. A. Contarini beſtaͤtigte dieß in ſeiner Relation. 2) Discurso del Rmo. Cle. di Carpi del 1543 (vielleicht jedoch ſchon ein Jahr fruͤher) a Carlo V. Cesare del modo del domi- nare Bibl. Corsini nr. 443. 3) Se la M. V. dello stato di Milano le usasse cortesia non tanto si spegnerebbe quanto si accenderebbe la sete sua: si che è meglio di armarsi di quel ducato contra di lui — — V. M. a da esser certa, che non per affettione che altri ab- bia a questo re, ma per interesse particolare e la Germania e l’Italia sinche da tal sospetto non saranno liberate, sono per sostentare ad ogni lor potere la potentia di Francia.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/273
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/273>, abgerufen am 18.05.2024.