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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
nen Urtheils in blinder Unterwürfigkeit soll man sich
von seinen Oberen regieren lassen, wie ein lebloses Ding,
wie der Stab, der Demjenigen, der ihn in seinen Hän-
den hat, auf jede beliebige Weise dient. In ihnen erscheint
die göttliche Vorsicht 1).

Welch eine Gewalt, die nun der General empfing,
der auf Lebenslang, ohne irgend Rechenschaft geben zu müs-
sen, diesen Gehorsam zu leiten bekam. Nach dem Ent-
wurf von 1543 sollten alle Mitglieder des Ordens, die
sich mit dem General an Einem und demselben Orte be-
finden würden, selbst in geringen Dingen zu Rathe ge-
zogen werden. Der Entwurf von 1550, welchen Ju-
lius III. bestätigte, entbindet ihn hiervon, in so fern er
es nicht selbst für gut hält 2). Nur zur Veränderung
der Constitution und zur Auflösung einmal eingerichteter
Häuser und Collegien bleibt eine Berathung nothwendig.
Sonst ist ihm alle Gewalt übertragen, die zur Regierung
der Gesellschaft nützlich seyn möchte. Er hat Assistenten

1) Constitutiones VI, 1. Et sibi quisque persuadeat, quod
qui sub obedientia vivunt se ferri ac regi a divina providentia
per superiores suos sinere debent, perinde ac cadaver essent.
--
Hier giebt es nun noch die andere Constitution VI, 5, nach welcher
auch eine Sünde geboten werden kann. "Visum est nobis in do-
mino -- -- nullas constitutiones declarationes vel ordinem ul-
lum vivendi posse obligationem ad peccatum mortale vel veniale
inducere, nisi superior ea in nomine domini Jesu Christi vel in
virtute obedientiae juberat."
Man traut seinen Augen kaum,
wenn man dieß liest.
2) Adjutus, quatenus ipse opportunum judicabit fratrum
suorum consilio, per se ipsum ordinandi et jubendi, quae ad dei
gloriam pertinere videbuntur, jus totum habeat,
sagt Julii III
confirmatio instituti.

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
nen Urtheils in blinder Unterwuͤrfigkeit ſoll man ſich
von ſeinen Oberen regieren laſſen, wie ein lebloſes Ding,
wie der Stab, der Demjenigen, der ihn in ſeinen Haͤn-
den hat, auf jede beliebige Weiſe dient. In ihnen erſcheint
die goͤttliche Vorſicht 1).

Welch eine Gewalt, die nun der General empfing,
der auf Lebenslang, ohne irgend Rechenſchaft geben zu muͤſ-
ſen, dieſen Gehorſam zu leiten bekam. Nach dem Ent-
wurf von 1543 ſollten alle Mitglieder des Ordens, die
ſich mit dem General an Einem und demſelben Orte be-
finden wuͤrden, ſelbſt in geringen Dingen zu Rathe ge-
zogen werden. Der Entwurf von 1550, welchen Ju-
lius III. beſtaͤtigte, entbindet ihn hiervon, in ſo fern er
es nicht ſelbſt fuͤr gut haͤlt 2). Nur zur Veraͤnderung
der Conſtitution und zur Aufloͤſung einmal eingerichteter
Haͤuſer und Collegien bleibt eine Berathung nothwendig.
Sonſt iſt ihm alle Gewalt uͤbertragen, die zur Regierung
der Geſellſchaft nuͤtzlich ſeyn moͤchte. Er hat Aſſiſtenten

1) Constitutiones VI, 1. Et sibi quisque persuadeat, quod
qui sub obedientia vivunt se ferri ac regi a divina providentia
per superiores suos sinere debent, perinde ac cadaver essent.

Hier giebt es nun noch die andere Conſtitution VI, 5, nach welcher
auch eine Suͤnde geboten werden kann. „Visum est nobis in do-
mino — — nullas constitutiones declarationes vel ordinem ul-
lum vivendi posse obligationem ad peccatum mortale vel veniale
inducere, nisi superior ea in nomine domini Jesu Christi vel in
virtute obedientiae juberat.“
Man traut ſeinen Augen kaum,
wenn man dieß lieſt.
2) Adjutus, quatenus ipse opportunum judicabit fratrum
suorum consilio, per se ipsum ordinandi et jubendi, quae ad dei
gloriam pertinere videbuntur, jus totum habeat,
ſagt Julii III
confirmatio instituti.
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[220/0246] Buch II. Regeneration des Katholicismus. nen Urtheils in blinder Unterwuͤrfigkeit ſoll man ſich von ſeinen Oberen regieren laſſen, wie ein lebloſes Ding, wie der Stab, der Demjenigen, der ihn in ſeinen Haͤn- den hat, auf jede beliebige Weiſe dient. In ihnen erſcheint die goͤttliche Vorſicht 1). Welch eine Gewalt, die nun der General empfing, der auf Lebenslang, ohne irgend Rechenſchaft geben zu muͤſ- ſen, dieſen Gehorſam zu leiten bekam. Nach dem Ent- wurf von 1543 ſollten alle Mitglieder des Ordens, die ſich mit dem General an Einem und demſelben Orte be- finden wuͤrden, ſelbſt in geringen Dingen zu Rathe ge- zogen werden. Der Entwurf von 1550, welchen Ju- lius III. beſtaͤtigte, entbindet ihn hiervon, in ſo fern er es nicht ſelbſt fuͤr gut haͤlt 2). Nur zur Veraͤnderung der Conſtitution und zur Aufloͤſung einmal eingerichteter Haͤuſer und Collegien bleibt eine Berathung nothwendig. Sonſt iſt ihm alle Gewalt uͤbertragen, die zur Regierung der Geſellſchaft nuͤtzlich ſeyn moͤchte. Er hat Aſſiſtenten 1) Constitutiones VI, 1. Et sibi quisque persuadeat, quod qui sub obedientia vivunt se ferri ac regi a divina providentia per superiores suos sinere debent, perinde ac cadaver essent. — Hier giebt es nun noch die andere Conſtitution VI, 5, nach welcher auch eine Suͤnde geboten werden kann. „Visum est nobis in do- mino — — nullas constitutiones declarationes vel ordinem ul- lum vivendi posse obligationem ad peccatum mortale vel veniale inducere, nisi superior ea in nomine domini Jesu Christi vel in virtute obedientiae juberat.“ Man traut ſeinen Augen kaum, wenn man dieß lieſt. 2) Adjutus, quatenus ipse opportunum judicabit fratrum suorum consilio, per se ipsum ordinandi et jubendi, quae ad dei gloriam pertinere videbuntur, jus totum habeat, ſagt Julii III confirmatio instituti.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/246>, abgerufen am 06.05.2024.