Die Hauptsache indessen war, daß der gute Gedanke, die clericalischen Pflichten und Weihen mit Mönchsgelüb- den zu vereinigen, sich auch an anderen Stellen Beifall und Nachahmung erwarb.
Seit 1521 war Oberitalien mit fortwährendem Krieg und in dessen Gefolge mit Verwüstung, Hungersnoth und Krankheiten angefüllt. Wie viele Kinder waren auch da zu Waisen geworden und drohten an Leib und Seele zu Grunde zu gehen. Glücklicherweise wohnt unter den Menschen neben dem Unglück das Erbarmen. Ein vene- zianischer Senator Girolamo Miani sammelte die Kinder, welche die Flucht nach Venedig geführt und nahm sie in sein Haus auf; er fuhr nach den Inseln um die Stadt her, um sie zu suchen: ohne viel auf die keifende Schwä- gerin zu hören, verkaufte er das Silberzeug und die schön- sten Teppiche des Hauses, um den Kindern Wohnung und Kleidung, Lebensmittel und Lehrmeister zu verschaffen. All- mählig widmete er diesem Berufe ausschließend seine Thä- tigkeit. Vorzüglich in Bergamo hatte er großen Erfolg. Das Hospital, das er daselbst gründete, fand so gute Un- terstützung, daß er Muth bekam, auch in andern Städten etwas Aehnliches zu versuchen. Nach und nach wurden in Verona, Brescia, Ferrara, Como, Mailand, Pavia, Genua, ähnliche Spitäler gegründet. Endlich trat er mit einigen gleichgesinnten Freunden in eine Congregation, nach dem Muster der Theatiner, von regularen Clerikern zusammen, die den Namen di Somasca führt. Hauptsächlich die Er- ziehung war ihre Bestimmung. Ihre Spitäler bekamen eine gemeinschaftliche Verfassung 1).
1)Approbatio societatis tam ecclesiasticarum, quam secu-
Neue Orden.
Die Hauptſache indeſſen war, daß der gute Gedanke, die clericaliſchen Pflichten und Weihen mit Moͤnchsgeluͤb- den zu vereinigen, ſich auch an anderen Stellen Beifall und Nachahmung erwarb.
Seit 1521 war Oberitalien mit fortwaͤhrendem Krieg und in deſſen Gefolge mit Verwuͤſtung, Hungersnoth und Krankheiten angefuͤllt. Wie viele Kinder waren auch da zu Waiſen geworden und drohten an Leib und Seele zu Grunde zu gehen. Gluͤcklicherweiſe wohnt unter den Menſchen neben dem Ungluͤck das Erbarmen. Ein vene- zianiſcher Senator Girolamo Miani ſammelte die Kinder, welche die Flucht nach Venedig gefuͤhrt und nahm ſie in ſein Haus auf; er fuhr nach den Inſeln um die Stadt her, um ſie zu ſuchen: ohne viel auf die keifende Schwaͤ- gerin zu hoͤren, verkaufte er das Silberzeug und die ſchoͤn- ſten Teppiche des Hauſes, um den Kindern Wohnung und Kleidung, Lebensmittel und Lehrmeiſter zu verſchaffen. All- maͤhlig widmete er dieſem Berufe ausſchließend ſeine Thaͤ- tigkeit. Vorzuͤglich in Bergamo hatte er großen Erfolg. Das Hoſpital, das er daſelbſt gruͤndete, fand ſo gute Un- terſtuͤtzung, daß er Muth bekam, auch in andern Staͤdten etwas Aehnliches zu verſuchen. Nach und nach wurden in Verona, Brescia, Ferrara, Como, Mailand, Pavia, Genua, aͤhnliche Spitaͤler gegruͤndet. Endlich trat er mit einigen gleichgeſinnten Freunden in eine Congregation, nach dem Muſter der Theatiner, von regularen Clerikern zuſammen, die den Namen di Somasca fuͤhrt. Hauptſaͤchlich die Er- ziehung war ihre Beſtimmung. Ihre Spitaͤler bekamen eine gemeinſchaftliche Verfaſſung 1).
1)Approbatio societatis tam ecclesiasticarum, quam secu-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0201"n="175"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Neue Orden</hi>.</fw><lb/><p>Die Hauptſache indeſſen war, daß der gute Gedanke,<lb/>
die clericaliſchen Pflichten und Weihen mit Moͤnchsgeluͤb-<lb/>
den zu vereinigen, ſich auch an anderen Stellen Beifall<lb/>
und Nachahmung erwarb.</p><lb/><p>Seit 1521 war Oberitalien mit fortwaͤhrendem Krieg<lb/>
und in deſſen Gefolge mit Verwuͤſtung, Hungersnoth<lb/>
und Krankheiten angefuͤllt. Wie viele Kinder waren auch<lb/>
da zu Waiſen geworden und drohten an Leib und Seele<lb/>
zu Grunde zu gehen. Gluͤcklicherweiſe wohnt unter den<lb/>
Menſchen neben dem Ungluͤck das Erbarmen. Ein vene-<lb/>
zianiſcher Senator Girolamo Miani ſammelte die Kinder,<lb/>
welche die Flucht nach Venedig gefuͤhrt und nahm ſie in<lb/>ſein Haus auf; er fuhr nach den Inſeln um die Stadt<lb/>
her, um ſie zu ſuchen: ohne viel auf die keifende Schwaͤ-<lb/>
gerin zu hoͤren, verkaufte er das Silberzeug und die ſchoͤn-<lb/>ſten Teppiche des Hauſes, um den Kindern Wohnung und<lb/>
Kleidung, Lebensmittel und Lehrmeiſter zu verſchaffen. All-<lb/>
maͤhlig widmete er dieſem Berufe ausſchließend ſeine Thaͤ-<lb/>
tigkeit. Vorzuͤglich in Bergamo hatte er großen Erfolg.<lb/>
Das Hoſpital, das er daſelbſt gruͤndete, fand ſo gute Un-<lb/>
terſtuͤtzung, daß er Muth bekam, auch in andern Staͤdten<lb/>
etwas Aehnliches zu verſuchen. Nach und nach wurden in<lb/>
Verona, Brescia, Ferrara, Como, Mailand, Pavia, Genua,<lb/>
aͤhnliche Spitaͤler gegruͤndet. Endlich trat er mit einigen<lb/>
gleichgeſinnten Freunden in eine Congregation, nach dem<lb/>
Muſter der Theatiner, von regularen Clerikern zuſammen,<lb/>
die den Namen di Somasca fuͤhrt. Hauptſaͤchlich die Er-<lb/>
ziehung war ihre Beſtimmung. Ihre Spitaͤler bekamen<lb/>
eine gemeinſchaftliche Verfaſſung <notexml:id="note-0201"next="#note-0202"place="foot"n="1)"><hirendition="#aq">Approbatio societatis tam ecclesiasticarum, quam secu-</hi></note>.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[175/0201]
Neue Orden.
Die Hauptſache indeſſen war, daß der gute Gedanke,
die clericaliſchen Pflichten und Weihen mit Moͤnchsgeluͤb-
den zu vereinigen, ſich auch an anderen Stellen Beifall
und Nachahmung erwarb.
Seit 1521 war Oberitalien mit fortwaͤhrendem Krieg
und in deſſen Gefolge mit Verwuͤſtung, Hungersnoth
und Krankheiten angefuͤllt. Wie viele Kinder waren auch
da zu Waiſen geworden und drohten an Leib und Seele
zu Grunde zu gehen. Gluͤcklicherweiſe wohnt unter den
Menſchen neben dem Ungluͤck das Erbarmen. Ein vene-
zianiſcher Senator Girolamo Miani ſammelte die Kinder,
welche die Flucht nach Venedig gefuͤhrt und nahm ſie in
ſein Haus auf; er fuhr nach den Inſeln um die Stadt
her, um ſie zu ſuchen: ohne viel auf die keifende Schwaͤ-
gerin zu hoͤren, verkaufte er das Silberzeug und die ſchoͤn-
ſten Teppiche des Hauſes, um den Kindern Wohnung und
Kleidung, Lebensmittel und Lehrmeiſter zu verſchaffen. All-
maͤhlig widmete er dieſem Berufe ausſchließend ſeine Thaͤ-
tigkeit. Vorzuͤglich in Bergamo hatte er großen Erfolg.
Das Hoſpital, das er daſelbſt gruͤndete, fand ſo gute Un-
terſtuͤtzung, daß er Muth bekam, auch in andern Staͤdten
etwas Aehnliches zu verſuchen. Nach und nach wurden in
Verona, Brescia, Ferrara, Como, Mailand, Pavia, Genua,
aͤhnliche Spitaͤler gegruͤndet. Endlich trat er mit einigen
gleichgeſinnten Freunden in eine Congregation, nach dem
Muſter der Theatiner, von regularen Clerikern zuſammen,
die den Namen di Somasca fuͤhrt. Hauptſaͤchlich die Er-
ziehung war ihre Beſtimmung. Ihre Spitaͤler bekamen
eine gemeinſchaftliche Verfaſſung 1).
1) Approbatio societatis tam ecclesiasticarum, quam secu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/201>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.