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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.

Ein Moment, wenn ich nicht irre, für Deutschland,
ja für die Welt von wesentlicher Bedeutung. Für jenes:
die Punkte, die wir berührt haben, schließen die Absicht
ein, die gesammte geistliche Verfassung der Nation zu
ändern, und ihr dem Papst gegenüber eine freiere, seiner
weltlichen Eingriffe überhobene, selbstständige Stellung zu
geben. Die Einheit der Kirche, und mithin der Nation
wäre behauptet worden. Unendlich viel weiter aber würde
der Erfolg nachgewirkt haben. Wenn die gemäßigte Par-
tei, von welcher diese Versuche ausgingen und geleitet wur-
den, in Rom und Italien die Oberhand zu behaupten ver-
stand, welch eine ganz andere Gestalt hätte auch die ka-
tholische Welt annehmen müssen!

Allein ein so ungemeines Resultat ließ sich nicht ohne
lebhaften Kampf erreichen.

Was zu Regensburg beschlossen worden, mußte auf
der einen Seite durch die Billigung des Papstes, auf der
andern durch die Beistimmung Luthers, an den man sogar
eine eigene Gesandtschaft abordnete, bestätigt werden.

Aber schon hier zeigten sich viele Schwierigkeiten.
Luther konnte sich nicht überzeugen, daß auch auf der an-
dern Seite die Lehre von der Justification Wurzel ge-

Poli T. III, p. 25. Merkwürdig sind auch die Briefe jenes Bi-
schofs von Aquila bei Rainaldus 1541 Nr. 11. 12. Man meinte,
wenn man nur noch über den Punkt vom Abendmahl wegkomme,
so werde sich alles andre beseitigen lassen. Id unum est, quod
omnibus spem maximam facit, assertio caesaris se nullo pacto,
nisi rebus bene compositis discessurum atque etiam, quod omnia
scitu consiliisque revmi legati in colloquio a nostris theologis
tractantur et disputantur.
Buch II. Regeneration des Katholicismus.

Ein Moment, wenn ich nicht irre, fuͤr Deutſchland,
ja fuͤr die Welt von weſentlicher Bedeutung. Fuͤr jenes:
die Punkte, die wir beruͤhrt haben, ſchließen die Abſicht
ein, die geſammte geiſtliche Verfaſſung der Nation zu
aͤndern, und ihr dem Papſt gegenuͤber eine freiere, ſeiner
weltlichen Eingriffe uͤberhobene, ſelbſtſtaͤndige Stellung zu
geben. Die Einheit der Kirche, und mithin der Nation
waͤre behauptet worden. Unendlich viel weiter aber wuͤrde
der Erfolg nachgewirkt haben. Wenn die gemaͤßigte Par-
tei, von welcher dieſe Verſuche ausgingen und geleitet wur-
den, in Rom und Italien die Oberhand zu behaupten ver-
ſtand, welch eine ganz andere Geſtalt haͤtte auch die ka-
tholiſche Welt annehmen muͤſſen!

Allein ein ſo ungemeines Reſultat ließ ſich nicht ohne
lebhaften Kampf erreichen.

Was zu Regensburg beſchloſſen worden, mußte auf
der einen Seite durch die Billigung des Papſtes, auf der
andern durch die Beiſtimmung Luthers, an den man ſogar
eine eigene Geſandtſchaft abordnete, beſtaͤtigt werden.

Aber ſchon hier zeigten ſich viele Schwierigkeiten.
Luther konnte ſich nicht uͤberzeugen, daß auch auf der an-
dern Seite die Lehre von der Juſtification Wurzel ge-

Poli T. III, p. 25. Merkwuͤrdig ſind auch die Briefe jenes Bi-
ſchofs von Aquila bei Rainaldus 1541 Nr. 11. 12. Man meinte,
wenn man nur noch uͤber den Punkt vom Abendmahl wegkomme,
ſo werde ſich alles andre beſeitigen laſſen. Id unum est, quod
omnibus spem maximam facit, assertio caesaris se nullo pacto,
nisi rebus bene compositis discessurum atque etiam, quod omnia
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tractantur et disputantur.
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[162/0188] Buch II. Regeneration des Katholicismus. Ein Moment, wenn ich nicht irre, fuͤr Deutſchland, ja fuͤr die Welt von weſentlicher Bedeutung. Fuͤr jenes: die Punkte, die wir beruͤhrt haben, ſchließen die Abſicht ein, die geſammte geiſtliche Verfaſſung der Nation zu aͤndern, und ihr dem Papſt gegenuͤber eine freiere, ſeiner weltlichen Eingriffe uͤberhobene, ſelbſtſtaͤndige Stellung zu geben. Die Einheit der Kirche, und mithin der Nation waͤre behauptet worden. Unendlich viel weiter aber wuͤrde der Erfolg nachgewirkt haben. Wenn die gemaͤßigte Par- tei, von welcher dieſe Verſuche ausgingen und geleitet wur- den, in Rom und Italien die Oberhand zu behaupten ver- ſtand, welch eine ganz andere Geſtalt haͤtte auch die ka- tholiſche Welt annehmen muͤſſen! Allein ein ſo ungemeines Reſultat ließ ſich nicht ohne lebhaften Kampf erreichen. Was zu Regensburg beſchloſſen worden, mußte auf der einen Seite durch die Billigung des Papſtes, auf der andern durch die Beiſtimmung Luthers, an den man ſogar eine eigene Geſandtſchaft abordnete, beſtaͤtigt werden. Aber ſchon hier zeigten ſich viele Schwierigkeiten. Luther konnte ſich nicht uͤberzeugen, daß auch auf der an- dern Seite die Lehre von der Juſtification Wurzel ge- 3) 3) Poli T. III, p. 25. Merkwuͤrdig ſind auch die Briefe jenes Bi- ſchofs von Aquila bei Rainaldus 1541 Nr. 11. 12. Man meinte, wenn man nur noch uͤber den Punkt vom Abendmahl wegkomme, ſo werde ſich alles andre beſeitigen laſſen. Id unum est, quod omnibus spem maximam facit, assertio caesaris se nullo pacto, nisi rebus bene compositis discessurum atque etiam, quod omnia scitu consiliisque revm̱i̱ legati in colloquio a nostris theologis tractantur et disputantur.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/188>, abgerufen am 02.05.2024.