lich indessen um vieles weiter geschritten. Aber für die katholische Kirche lag, es ist schwerlich zu leugnen, eine außerordentliche Bedeutung darin, daß man das Uebel in Rom selbst angriff, daß man einem Papst gegenüber, den Päpsten vorwarf, wie es in dem Eingange zu dieser Schrift heißt, "sich häufig Diener gewählt zu haben, nicht um von ihnen zu lernen, was ihre Pflicht erheische, sondern um sich das für erlaubt erklären zu lassen, wonach ihre Begierden getrachtet," daß man einen solchen Mißbrauch der höchsten Gewalt für die vornehmste Quelle des Ver- derbens erklärte 1).
Und hierbei blieb man nicht stehen. Es sind einige kleine Schriften von Gaspar Contarini übrig, in denen er vor allem denjenigen Mißbräuchen, welche der Curie Gewinn brachten, den lebhaftesten Krieg macht. Den Gebrauch der Compositionen -- daß man nemlich für die Verleihung selbst geistlicher Gnaden sich Geld zahlen ließ -- erklärt er für Simonie, die man für eine Art von Ketzerei halten könne. Man fand es übel gethan, daß er frühere Päpste tadle. "Wie," ruft er aus, "sollen wir uns so sehr um den Namen von drei, vier Päpsten kümmern, und nicht lieber verbessern was verunstaltet ist, und uns selber einen guten Namen erwerben? In der That, es wäre viel ge- fordert, alle Thaten aller Päpste zu vertheidigen!" Den Mißbrauch der Dispensationen greift er auf das ernst-
1) Es ist das schon angeführte Consilium delectorum Cardi- nalium et aliorum praelatorum de emendanda ecclesia. Von Contarini, Caraffa, Sadolet, Poole, Fregoso, Giberto, Cortese und Aleander unterzeichnet.
BuchII.Regeneration des Katholicismus.
lich indeſſen um vieles weiter geſchritten. Aber fuͤr die katholiſche Kirche lag, es iſt ſchwerlich zu leugnen, eine außerordentliche Bedeutung darin, daß man das Uebel in Rom ſelbſt angriff, daß man einem Papſt gegenuͤber, den Paͤpſten vorwarf, wie es in dem Eingange zu dieſer Schrift heißt, „ſich haͤufig Diener gewaͤhlt zu haben, nicht um von ihnen zu lernen, was ihre Pflicht erheiſche, ſondern um ſich das fuͤr erlaubt erklaͤren zu laſſen, wonach ihre Begierden getrachtet,“ daß man einen ſolchen Mißbrauch der hoͤchſten Gewalt fuͤr die vornehmſte Quelle des Ver- derbens erklaͤrte 1).
Und hierbei blieb man nicht ſtehen. Es ſind einige kleine Schriften von Gaspar Contarini uͤbrig, in denen er vor allem denjenigen Mißbraͤuchen, welche der Curie Gewinn brachten, den lebhafteſten Krieg macht. Den Gebrauch der Compoſitionen — daß man nemlich fuͤr die Verleihung ſelbſt geiſtlicher Gnaden ſich Geld zahlen ließ — erklaͤrt er fuͤr Simonie, die man fuͤr eine Art von Ketzerei halten koͤnne. Man fand es uͤbel gethan, daß er fruͤhere Paͤpſte tadle. „Wie,“ ruft er aus, „ſollen wir uns ſo ſehr um den Namen von drei, vier Paͤpſten kuͤmmern, und nicht lieber verbeſſern was verunſtaltet iſt, und uns ſelber einen guten Namen erwerben? In der That, es waͤre viel ge- fordert, alle Thaten aller Paͤpſte zu vertheidigen!“ Den Mißbrauch der Dispenſationen greift er auf das ernſt-
1) Es iſt das ſchon angefuͤhrte Consilium delectorum Cardi- nalium et aliorum praelatorum de emendanda ecclesia. Von Contarini, Caraffa, Sadolet, Poole, Fregoſo, Giberto, Corteſe und Aleander unterzeichnet.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0172"n="146"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#g">Regeneration des Katholicismus</hi>.</fw><lb/>
lich indeſſen um vieles weiter geſchritten. Aber fuͤr die<lb/>
katholiſche Kirche lag, es iſt ſchwerlich zu leugnen, eine<lb/>
außerordentliche Bedeutung darin, daß man das Uebel in<lb/>
Rom ſelbſt angriff, daß man einem Papſt gegenuͤber, den<lb/>
Paͤpſten vorwarf, wie es in dem Eingange zu dieſer Schrift<lb/>
heißt, „ſich haͤufig Diener gewaͤhlt zu haben, nicht um<lb/>
von ihnen zu lernen, was ihre Pflicht erheiſche, ſondern<lb/>
um ſich das fuͤr erlaubt erklaͤren zu laſſen, wonach ihre<lb/>
Begierden getrachtet,“ daß man einen ſolchen Mißbrauch<lb/>
der hoͤchſten Gewalt fuͤr die vornehmſte Quelle des Ver-<lb/>
derbens erklaͤrte <noteplace="foot"n="1)">Es iſt das ſchon angefuͤhrte <hirendition="#aq">Consilium delectorum Cardi-<lb/>
nalium et aliorum praelatorum de emendanda ecclesia</hi>. Von<lb/>
Contarini, Caraffa, Sadolet, Poole, Fregoſo, Giberto, Corteſe und<lb/>
Aleander unterzeichnet.</note>.</p><lb/><p>Und hierbei blieb man nicht ſtehen. Es ſind einige<lb/>
kleine Schriften von Gaspar Contarini uͤbrig, in denen er<lb/>
vor allem denjenigen Mißbraͤuchen, welche der Curie Gewinn<lb/>
brachten, den lebhafteſten Krieg macht. Den Gebrauch<lb/>
der Compoſitionen — daß man nemlich fuͤr die Verleihung<lb/>ſelbſt geiſtlicher Gnaden ſich Geld zahlen ließ — erklaͤrt er<lb/>
fuͤr Simonie, die man fuͤr eine Art von Ketzerei halten<lb/>
koͤnne. Man fand es uͤbel gethan, daß er fruͤhere Paͤpſte<lb/>
tadle. „Wie,“ ruft er aus, „ſollen wir uns ſo ſehr um<lb/>
den Namen von drei, vier Paͤpſten kuͤmmern, und nicht<lb/>
lieber verbeſſern was verunſtaltet iſt, und uns ſelber einen<lb/>
guten Namen erwerben? In der That, es waͤre viel ge-<lb/>
fordert, alle Thaten aller Paͤpſte zu vertheidigen!“ Den<lb/>
Mißbrauch der Dispenſationen greift er auf das ernſt-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[146/0172]
Buch II. Regeneration des Katholicismus.
lich indeſſen um vieles weiter geſchritten. Aber fuͤr die
katholiſche Kirche lag, es iſt ſchwerlich zu leugnen, eine
außerordentliche Bedeutung darin, daß man das Uebel in
Rom ſelbſt angriff, daß man einem Papſt gegenuͤber, den
Paͤpſten vorwarf, wie es in dem Eingange zu dieſer Schrift
heißt, „ſich haͤufig Diener gewaͤhlt zu haben, nicht um
von ihnen zu lernen, was ihre Pflicht erheiſche, ſondern
um ſich das fuͤr erlaubt erklaͤren zu laſſen, wonach ihre
Begierden getrachtet,“ daß man einen ſolchen Mißbrauch
der hoͤchſten Gewalt fuͤr die vornehmſte Quelle des Ver-
derbens erklaͤrte 1).
Und hierbei blieb man nicht ſtehen. Es ſind einige
kleine Schriften von Gaspar Contarini uͤbrig, in denen er
vor allem denjenigen Mißbraͤuchen, welche der Curie Gewinn
brachten, den lebhafteſten Krieg macht. Den Gebrauch
der Compoſitionen — daß man nemlich fuͤr die Verleihung
ſelbſt geiſtlicher Gnaden ſich Geld zahlen ließ — erklaͤrt er
fuͤr Simonie, die man fuͤr eine Art von Ketzerei halten
koͤnne. Man fand es uͤbel gethan, daß er fruͤhere Paͤpſte
tadle. „Wie,“ ruft er aus, „ſollen wir uns ſo ſehr um
den Namen von drei, vier Paͤpſten kuͤmmern, und nicht
lieber verbeſſern was verunſtaltet iſt, und uns ſelber einen
guten Namen erwerben? In der That, es waͤre viel ge-
fordert, alle Thaten aller Paͤpſte zu vertheidigen!“ Den
Mißbrauch der Dispenſationen greift er auf das ernſt-
1) Es iſt das ſchon angefuͤhrte Consilium delectorum Cardi-
nalium et aliorum praelatorum de emendanda ecclesia. Von
Contarini, Caraffa, Sadolet, Poole, Fregoſo, Giberto, Corteſe und
Aleander unterzeichnet.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/172>, abgerufen am 26.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.