Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Analogien des Protestantismus in Italien.
Theil seiner Seele," sagen seine Freunde von ihm, "reichte
hin, seinen schwachen, magern Körper zu beleben; mit dem
größern Theil, dem ungetrübten hellen Verstand, war er
immer zur Betrachtung der Wahrheit erhoben."

Bei dem Adel und den Gelehrten von Neapel hatte
Valdez außerordentlichen Einfluß: lebhaften Antheil an
dieser religiös-geistigen Bewegung nahmen auch die
Frauen.

Unter andern Vittoria Colonna. Nach dem Tode ih-
res Gemahls Pescara hatte sie sich ganz den Studien hin-
gegeben. In ihren Gedichten, wie in ihren Briefen, ist
eine selbstgefühlte Moral, eine ungeheuchelte Religion. Wie
schön tröstet sie eine Freundin über den Tod ihres Bru-
ders, "dessen friedfertiger Geist in den ewigen wahren Frie-
den eingegangen: sie müsse nicht klagen, da sie nun mit
ihm reden könne, ohne daß seine Abwesenheit, wie sonst
so häufig, sie hindere von ihm verstanden zu werden" 1).
Poole und Contarini gehörten zu ihren vertrautesten Freun-
den. Ich sollte nicht glauben, daß sie sich geistlichen Ue-
bungen auf klösterliche Weise ergeben habe. Mit vieler
Naivetät schreibt ihr wenigstens Aretin: ihre Meinung sey
gewiß nicht, daß es auf das Verstummen der Zunge, das
Niederschlagen der Augen, die rauhe Kleidung ankomme,
sondern auf die reine Seele.

Ueberhaupt war das Haus Colonna, namentlich Ves-
pasiano, Herzog zu Palliano und dessen Gemahlin, Julia
Gonzaga, dieselbe, die für die schönste Frau in Italien ge-

1) Lettere volgari I, 92. Lettere di diversi autori p. 604.
Besonders die erste eine sehr nützliche Sammlung.

Analogien des Proteſtantismus in Italien.
Theil ſeiner Seele,“ ſagen ſeine Freunde von ihm, „reichte
hin, ſeinen ſchwachen, magern Koͤrper zu beleben; mit dem
groͤßern Theil, dem ungetruͤbten hellen Verſtand, war er
immer zur Betrachtung der Wahrheit erhoben.“

Bei dem Adel und den Gelehrten von Neapel hatte
Valdez außerordentlichen Einfluß: lebhaften Antheil an
dieſer religioͤs-geiſtigen Bewegung nahmen auch die
Frauen.

Unter andern Vittoria Colonna. Nach dem Tode ih-
res Gemahls Pescara hatte ſie ſich ganz den Studien hin-
gegeben. In ihren Gedichten, wie in ihren Briefen, iſt
eine ſelbſtgefuͤhlte Moral, eine ungeheuchelte Religion. Wie
ſchoͤn troͤſtet ſie eine Freundin uͤber den Tod ihres Bru-
ders, „deſſen friedfertiger Geiſt in den ewigen wahren Frie-
den eingegangen: ſie muͤſſe nicht klagen, da ſie nun mit
ihm reden koͤnne, ohne daß ſeine Abweſenheit, wie ſonſt
ſo haͤufig, ſie hindere von ihm verſtanden zu werden“ 1).
Poole und Contarini gehoͤrten zu ihren vertrauteſten Freun-
den. Ich ſollte nicht glauben, daß ſie ſich geiſtlichen Ue-
bungen auf kloͤſterliche Weiſe ergeben habe. Mit vieler
Naivetaͤt ſchreibt ihr wenigſtens Aretin: ihre Meinung ſey
gewiß nicht, daß es auf das Verſtummen der Zunge, das
Niederſchlagen der Augen, die rauhe Kleidung ankomme,
ſondern auf die reine Seele.

Ueberhaupt war das Haus Colonna, namentlich Ves-
paſiano, Herzog zu Palliano und deſſen Gemahlin, Julia
Gonzaga, dieſelbe, die fuͤr die ſchoͤnſte Frau in Italien ge-

1) Lettere volgari I, 92. Lettere di diversi autori p. 604.
Beſonders die erſte eine ſehr nuͤtzliche Sammlung.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="139"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Analogien des Prote&#x017F;tantismus in Italien</hi>.</fw><lb/>
Theil &#x017F;einer Seele,&#x201C; &#x017F;agen &#x017F;eine Freunde von ihm, &#x201E;reichte<lb/>
hin, &#x017F;einen &#x017F;chwachen, magern Ko&#x0364;rper zu beleben; mit dem<lb/>
gro&#x0364;ßern Theil, dem ungetru&#x0364;bten hellen Ver&#x017F;tand, war er<lb/>
immer zur Betrachtung der Wahrheit erhoben.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Bei dem Adel und den Gelehrten von Neapel hatte<lb/>
Valdez außerordentlichen Einfluß: lebhaften Antheil an<lb/>
die&#x017F;er religio&#x0364;s-gei&#x017F;tigen Bewegung nahmen auch die<lb/>
Frauen.</p><lb/>
          <p>Unter andern Vittoria Colonna. Nach dem Tode ih-<lb/>
res Gemahls Pescara hatte &#x017F;ie &#x017F;ich ganz den Studien hin-<lb/>
gegeben. In ihren Gedichten, wie in ihren Briefen, i&#x017F;t<lb/>
eine &#x017F;elb&#x017F;tgefu&#x0364;hlte Moral, eine ungeheuchelte Religion. Wie<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n tro&#x0364;&#x017F;tet &#x017F;ie eine Freundin u&#x0364;ber den Tod ihres Bru-<lb/>
ders, &#x201E;de&#x017F;&#x017F;en friedfertiger Gei&#x017F;t in den ewigen wahren Frie-<lb/>
den eingegangen: &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nicht klagen, da &#x017F;ie nun mit<lb/>
ihm reden ko&#x0364;nne, ohne daß &#x017F;eine Abwe&#x017F;enheit, wie &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o ha&#x0364;ufig, &#x017F;ie hindere von ihm ver&#x017F;tanden zu werden&#x201C; <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Lettere volgari I, 92. Lettere di diversi autori p.</hi> 604.<lb/>
Be&#x017F;onders die er&#x017F;te eine &#x017F;ehr nu&#x0364;tzliche Sammlung.</note>.<lb/>
Poole und Contarini geho&#x0364;rten zu ihren vertraute&#x017F;ten Freun-<lb/>
den. Ich &#x017F;ollte nicht glauben, daß &#x017F;ie &#x017F;ich gei&#x017F;tlichen Ue-<lb/>
bungen auf klo&#x0364;&#x017F;terliche Wei&#x017F;e ergeben habe. Mit vieler<lb/>
Naiveta&#x0364;t &#x017F;chreibt ihr wenig&#x017F;tens Aretin: ihre Meinung &#x017F;ey<lb/>
gewiß nicht, daß es auf das Ver&#x017F;tummen der Zunge, das<lb/>
Nieder&#x017F;chlagen der Augen, die rauhe Kleidung ankomme,<lb/>
&#x017F;ondern auf die reine Seele.</p><lb/>
          <p>Ueberhaupt war das Haus Colonna, namentlich Ves-<lb/>
pa&#x017F;iano, Herzog zu Palliano und de&#x017F;&#x017F;en Gemahlin, Julia<lb/>
Gonzaga, die&#x017F;elbe, die fu&#x0364;r die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Frau in Italien ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0165] Analogien des Proteſtantismus in Italien. Theil ſeiner Seele,“ ſagen ſeine Freunde von ihm, „reichte hin, ſeinen ſchwachen, magern Koͤrper zu beleben; mit dem groͤßern Theil, dem ungetruͤbten hellen Verſtand, war er immer zur Betrachtung der Wahrheit erhoben.“ Bei dem Adel und den Gelehrten von Neapel hatte Valdez außerordentlichen Einfluß: lebhaften Antheil an dieſer religioͤs-geiſtigen Bewegung nahmen auch die Frauen. Unter andern Vittoria Colonna. Nach dem Tode ih- res Gemahls Pescara hatte ſie ſich ganz den Studien hin- gegeben. In ihren Gedichten, wie in ihren Briefen, iſt eine ſelbſtgefuͤhlte Moral, eine ungeheuchelte Religion. Wie ſchoͤn troͤſtet ſie eine Freundin uͤber den Tod ihres Bru- ders, „deſſen friedfertiger Geiſt in den ewigen wahren Frie- den eingegangen: ſie muͤſſe nicht klagen, da ſie nun mit ihm reden koͤnne, ohne daß ſeine Abweſenheit, wie ſonſt ſo haͤufig, ſie hindere von ihm verſtanden zu werden“ 1). Poole und Contarini gehoͤrten zu ihren vertrauteſten Freun- den. Ich ſollte nicht glauben, daß ſie ſich geiſtlichen Ue- bungen auf kloͤſterliche Weiſe ergeben habe. Mit vieler Naivetaͤt ſchreibt ihr wenigſtens Aretin: ihre Meinung ſey gewiß nicht, daß es auf das Verſtummen der Zunge, das Niederſchlagen der Augen, die rauhe Kleidung ankomme, ſondern auf die reine Seele. Ueberhaupt war das Haus Colonna, namentlich Ves- paſiano, Herzog zu Palliano und deſſen Gemahlin, Julia Gonzaga, dieſelbe, die fuͤr die ſchoͤnſte Frau in Italien ge- 1) Lettere volgari I, 92. Lettere di diversi autori p. 604. Beſonders die erſte eine ſehr nuͤtzliche Sammlung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/165
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/165>, abgerufen am 05.12.2024.