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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
Schrift in ihrem tieferen Zusammenhange nichts als diese
Lehre predige; er preist seinen Freund glücklich, daß er
diese "heilige, fruchtbringende, unentbehrliche Wahrheit"
ans Licht zu bringen angefangen 1). Zu dem Kreise von
Freunden, der sich an sie anschloß, gehörte M. A. Flami-
nio. Er wohnte eine Zeitlang bei Poole; Contarini wollte
ihn mit nach Deutschland nehmen. Man höre, wie ent-
schieden er jene Lehre verkündigt. "Das Evangelium,"
sagt er in einem seiner Briefe 2), "ist nichts anders als
die glückliche Neuigkeit, daß der eingeborne Sohn Gottes,
mit unserm Fleisch bekleidet, der Gerechtigkeit des ewigen
Vaters für uns genug gethan hat. Wer dieß glaubt,
geht in das Reich Gottes ein; er genießt die allgemeine
Vergebung; er wird von einer fleischlichen Creatur eine
geistliche; von einem Kind des Zorns ein Kind der Gnade;
er lebt in einem süßen Frieden des Gewissens." Man kann
sich hierüber kaum lutherisch-rechtgläubiger ausdrücken.

Ganz wie eine literarische Meinung oder Tendenz
breitete sich diese Ueberzeugung über einen großen Theil von
Italien aus 3).


1) Epistolae Poli. Tom. III, p. 57.
2) An Theodorina Sauli 12. Febr. 1542. Lettere volgari (Rac-
colta del Manuzio) Vinegia 1553. II,
43.
3) Unter andern ist das Schreiben Sadolets an Contarini
(Epistolae Sadoleti lib. IX, p. 365) über seinen Commentar an
die Römer sehr merkwürdig "in quibus commentariis, sagt Sa-
dolet, mortis et crucis Christi mysterium totum aperire atque
illustrare sum conatus."
Doch hatte er Contarini nicht ganz be-
friedigt. Auch war er nicht ganz einer Meinung mit demselben.
Er verspricht indeß in die neue Ausgabe eine deutliche Erklärung
über Erbsünde und Gnade aufzunehmen: "de hoc ipso morbo na-

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
Schrift in ihrem tieferen Zuſammenhange nichts als dieſe
Lehre predige; er preiſt ſeinen Freund gluͤcklich, daß er
dieſe „heilige, fruchtbringende, unentbehrliche Wahrheit“
ans Licht zu bringen angefangen 1). Zu dem Kreiſe von
Freunden, der ſich an ſie anſchloß, gehoͤrte M. A. Flami-
nio. Er wohnte eine Zeitlang bei Poole; Contarini wollte
ihn mit nach Deutſchland nehmen. Man hoͤre, wie ent-
ſchieden er jene Lehre verkuͤndigt. „Das Evangelium,“
ſagt er in einem ſeiner Briefe 2), „iſt nichts anders als
die gluͤckliche Neuigkeit, daß der eingeborne Sohn Gottes,
mit unſerm Fleiſch bekleidet, der Gerechtigkeit des ewigen
Vaters fuͤr uns genug gethan hat. Wer dieß glaubt,
geht in das Reich Gottes ein; er genießt die allgemeine
Vergebung; er wird von einer fleiſchlichen Creatur eine
geiſtliche; von einem Kind des Zorns ein Kind der Gnade;
er lebt in einem ſuͤßen Frieden des Gewiſſens.“ Man kann
ſich hieruͤber kaum lutheriſch-rechtglaͤubiger ausdruͤcken.

Ganz wie eine literariſche Meinung oder Tendenz
breitete ſich dieſe Ueberzeugung uͤber einen großen Theil von
Italien aus 3).


1) Epistolae Poli. Tom. III, p. 57.
2) An Theodorina Sauli 12. Febr. 1542. Lettere volgari (Rac-
colta del Manuzio) Vinegia 1553. II,
43.
3) Unter andern iſt das Schreiben Sadolets an Contarini
(Epistolae Sadoleti lib. IX, p. 365) uͤber ſeinen Commentar an
die Roͤmer ſehr merkwuͤrdig „in quibus commentariis, ſagt Sa-
dolet, mortis et crucis Christi mysterium totum aperire atque
illustrare sum conatus.“
Doch hatte er Contarini nicht ganz be-
friedigt. Auch war er nicht ganz einer Meinung mit demſelben.
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uͤber Erbſuͤnde und Gnade aufzunehmen: „de hoc ipso morbo na-
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[136/0162] Buch II. Regeneration des Katholicismus. Schrift in ihrem tieferen Zuſammenhange nichts als dieſe Lehre predige; er preiſt ſeinen Freund gluͤcklich, daß er dieſe „heilige, fruchtbringende, unentbehrliche Wahrheit“ ans Licht zu bringen angefangen 1). Zu dem Kreiſe von Freunden, der ſich an ſie anſchloß, gehoͤrte M. A. Flami- nio. Er wohnte eine Zeitlang bei Poole; Contarini wollte ihn mit nach Deutſchland nehmen. Man hoͤre, wie ent- ſchieden er jene Lehre verkuͤndigt. „Das Evangelium,“ ſagt er in einem ſeiner Briefe 2), „iſt nichts anders als die gluͤckliche Neuigkeit, daß der eingeborne Sohn Gottes, mit unſerm Fleiſch bekleidet, der Gerechtigkeit des ewigen Vaters fuͤr uns genug gethan hat. Wer dieß glaubt, geht in das Reich Gottes ein; er genießt die allgemeine Vergebung; er wird von einer fleiſchlichen Creatur eine geiſtliche; von einem Kind des Zorns ein Kind der Gnade; er lebt in einem ſuͤßen Frieden des Gewiſſens.“ Man kann ſich hieruͤber kaum lutheriſch-rechtglaͤubiger ausdruͤcken. Ganz wie eine literariſche Meinung oder Tendenz breitete ſich dieſe Ueberzeugung uͤber einen großen Theil von Italien aus 3). 1) Epistolae Poli. Tom. III, p. 57. 2) An Theodorina Sauli 12. Febr. 1542. Lettere volgari (Rac- colta del Manuzio) Vinegia 1553. II, 43. 3) Unter andern iſt das Schreiben Sadolets an Contarini (Epistolae Sadoleti lib. IX, p. 365) uͤber ſeinen Commentar an die Roͤmer ſehr merkwuͤrdig „in quibus commentariis, ſagt Sa- dolet, mortis et crucis Christi mysterium totum aperire atque illustrare sum conatus.“ Doch hatte er Contarini nicht ganz be- friedigt. Auch war er nicht ganz einer Meinung mit demſelben. Er verſpricht indeß in die neue Ausgabe eine deutliche Erklaͤrung uͤber Erbſuͤnde und Gnade aufzunehmen: „de hoc ipso morbo na-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/162>, abgerufen am 05.12.2024.