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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Kap. III. Politisch-kirchliche Verwickelungen.
nen beizustehen. Man hat das Versprechen schweizerischer
Hülfe: man ist im Bunde mit Frankreich und England.
"Dießmal," sagt der vertrauteste Minister Clemens VII.,
Giberto, "gilt es nicht eine kleinliche Rache, einen Ehren-
punkt, eine einzelne Stadt; -- dieser Krieg entscheidet die
Befreiung oder die ewige Sklaverei von Italien." Er zwei-
felt nicht an dem glücklichen Ausgange. "Die Nachkom-
men werden neidisch seyn, daß sie nicht in unsere Zeiten
gefallen, um ein so großes Glück erlebt, daran Theil ge-
nommen zu haben." Er hofft, man werde der Fremden
nicht bedürfen. "Unser allein wird der Ruhm, die Frucht
um so süßer seyn" 1).

In diesen Gedanken und Hoffnungen unternahm Cle-
mens seinen Krieg wider die Spanier 2). Es war sein
kühnster und großartigster, unglücklichster, verderblichster
Gedanke.

Auf das engste sind die Sachen des Staats und der
Kirche verflochten. Der Papst schien die deutschen Bewe-
gungen ganz außer Acht gelassen zu haben. In diesen
zeigte sich die erste Rückwirkung.

In dem Moment, daß die Truppen Clemens VII. in
Oberitalien vorrückten, hatte sich der Reichstag zu Speier
versammelt, um über die kirchlichen Irrungen einen de-
finitiven Beschluß zu fassen. Daß die kaiserliche Partei,

1) G. M. Giberto al Vescovo di Veruli. Lettere di prin-
cipi I, p. 192 a.
2) Auch Foscari sagt: Quello fa a presente di voler far
lega con Francia, fa per ben suo e d'Italia non perche ama
Francesi.

Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
nen beizuſtehen. Man hat das Verſprechen ſchweizeriſcher
Huͤlfe: man iſt im Bunde mit Frankreich und England.
„Dießmal,“ ſagt der vertrauteſte Miniſter Clemens VII.,
Giberto, „gilt es nicht eine kleinliche Rache, einen Ehren-
punkt, eine einzelne Stadt; — dieſer Krieg entſcheidet die
Befreiung oder die ewige Sklaverei von Italien.“ Er zwei-
felt nicht an dem gluͤcklichen Ausgange. „Die Nachkom-
men werden neidiſch ſeyn, daß ſie nicht in unſere Zeiten
gefallen, um ein ſo großes Gluͤck erlebt, daran Theil ge-
nommen zu haben.“ Er hofft, man werde der Fremden
nicht beduͤrfen. „Unſer allein wird der Ruhm, die Frucht
um ſo ſuͤßer ſeyn“ 1).

In dieſen Gedanken und Hoffnungen unternahm Cle-
mens ſeinen Krieg wider die Spanier 2). Es war ſein
kuͤhnſter und großartigſter, ungluͤcklichſter, verderblichſter
Gedanke.

Auf das engſte ſind die Sachen des Staats und der
Kirche verflochten. Der Papſt ſchien die deutſchen Bewe-
gungen ganz außer Acht gelaſſen zu haben. In dieſen
zeigte ſich die erſte Ruͤckwirkung.

In dem Moment, daß die Truppen Clemens VII. in
Oberitalien vorruͤckten, hatte ſich der Reichstag zu Speier
verſammelt, um uͤber die kirchlichen Irrungen einen de-
finitiven Beſchluß zu faſſen. Daß die kaiſerliche Partei,

1) G. M. Giberto al Vescovo di Veruli. Lettere di prin-
cipi I, p. 192 a.
2) Auch Foscari ſagt: Quello fa a presente di voler far
lega con Francia, fa per ben suo e d’Italia non perchè ama
Francesi.
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[104/0130] Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen. nen beizuſtehen. Man hat das Verſprechen ſchweizeriſcher Huͤlfe: man iſt im Bunde mit Frankreich und England. „Dießmal,“ ſagt der vertrauteſte Miniſter Clemens VII., Giberto, „gilt es nicht eine kleinliche Rache, einen Ehren- punkt, eine einzelne Stadt; — dieſer Krieg entſcheidet die Befreiung oder die ewige Sklaverei von Italien.“ Er zwei- felt nicht an dem gluͤcklichen Ausgange. „Die Nachkom- men werden neidiſch ſeyn, daß ſie nicht in unſere Zeiten gefallen, um ein ſo großes Gluͤck erlebt, daran Theil ge- nommen zu haben.“ Er hofft, man werde der Fremden nicht beduͤrfen. „Unſer allein wird der Ruhm, die Frucht um ſo ſuͤßer ſeyn“ 1). In dieſen Gedanken und Hoffnungen unternahm Cle- mens ſeinen Krieg wider die Spanier 2). Es war ſein kuͤhnſter und großartigſter, ungluͤcklichſter, verderblichſter Gedanke. Auf das engſte ſind die Sachen des Staats und der Kirche verflochten. Der Papſt ſchien die deutſchen Bewe- gungen ganz außer Acht gelaſſen zu haben. In dieſen zeigte ſich die erſte Ruͤckwirkung. In dem Moment, daß die Truppen Clemens VII. in Oberitalien vorruͤckten, hatte ſich der Reichstag zu Speier verſammelt, um uͤber die kirchlichen Irrungen einen de- finitiven Beſchluß zu faſſen. Daß die kaiſerliche Partei, 1) G. M. Giberto al Vescovo di Veruli. Lettere di prin- cipi I, p. 192 a. 2) Auch Foscari ſagt: Quello fa a presente di voler far lega con Francia, fa per ben suo e d’Italia non perchè ama Francesi.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/130>, abgerufen am 08.05.2024.