der Mißbrauch zu schlagen: mit dem Leben selbst ist er verwachsen.
Es fehlte viel, daß der Fall von Rhodus die Fran- zosen bewogen hätte, Frieden einzugehn: sie sahen vielmehr, daß dieser Verlust dem Kaiser eine neue Beschäftigung ge- ben werde, und faßten ihrerseits desto größere Absichten wider ihn. Nicht ohne Mitwissen desjenigen Cardinals, dem Adrian noch am meisten vertrauete, knüpften sie Ver- bindungen in Sicilien an, und machten einen Anschlag auf diese Insel. Der Papst fand sich bewogen, zuletzt noch selbst einen Bund mit dem Kaiser einzugehen, der wesent- lich wider Frankreich gerichtet war.
Auch den Deutschen war mit dem, was man sonst eine Reformation an Haupt und Gliedern genannt, nicht mehr zu helfen. Und selbst eine solche, wie schwer, fast unausführbar war sie!
Wollte der Papst bisherige Gefälle der Curie aufhe- ben, in denen er einen Schein von Simonie bemerkte, so vermochte er das nicht, ohne die wohlerworbenen Rechte derjenigen zu kränken, deren Aemter auf jene Ge- fälle gegründet waren, Aemter, die sie in der Regel gekauft hatten.
Beabsichtigte er eine Veränderung in den Ehedispensen zu treffen, und etwa einige bisherige Verbote aufzuheben, so stellte man ihm vor, daß die Kirchendisciplin damit nur verletzt und geschwächt werde.
Um dem Unwesen des Ablasses zu steuern, hätte er gern die alten Büßungen wieder hergestellt; allein die Peniten- ziaria machte ihn aufmerksam, daß er alsdann Gefahr
Unter AdrianVI.
der Mißbrauch zu ſchlagen: mit dem Leben ſelbſt iſt er verwachſen.
Es fehlte viel, daß der Fall von Rhodus die Fran- zoſen bewogen haͤtte, Frieden einzugehn: ſie ſahen vielmehr, daß dieſer Verluſt dem Kaiſer eine neue Beſchaͤftigung ge- ben werde, und faßten ihrerſeits deſto groͤßere Abſichten wider ihn. Nicht ohne Mitwiſſen desjenigen Cardinals, dem Adrian noch am meiſten vertrauete, knuͤpften ſie Ver- bindungen in Sicilien an, und machten einen Anſchlag auf dieſe Inſel. Der Papſt fand ſich bewogen, zuletzt noch ſelbſt einen Bund mit dem Kaiſer einzugehen, der weſent- lich wider Frankreich gerichtet war.
Auch den Deutſchen war mit dem, was man ſonſt eine Reformation an Haupt und Gliedern genannt, nicht mehr zu helfen. Und ſelbſt eine ſolche, wie ſchwer, faſt unausfuͤhrbar war ſie!
Wollte der Papſt bisherige Gefaͤlle der Curie aufhe- ben, in denen er einen Schein von Simonie bemerkte, ſo vermochte er das nicht, ohne die wohlerworbenen Rechte derjenigen zu kraͤnken, deren Aemter auf jene Ge- faͤlle gegruͤndet waren, Aemter, die ſie in der Regel gekauft hatten.
Beabſichtigte er eine Veraͤnderung in den Ehedispenſen zu treffen, und etwa einige bisherige Verbote aufzuheben, ſo ſtellte man ihm vor, daß die Kirchendisciplin damit nur verletzt und geſchwaͤcht werde.
Um dem Unweſen des Ablaſſes zu ſteuern, haͤtte er gern die alten Buͤßungen wieder hergeſtellt; allein die Peniten- ziaria machte ihn aufmerkſam, daß er alsdann Gefahr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0121"n="95"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Unter Adrian</hi><hirendition="#aq">VI.</hi></fw><lb/>
der Mißbrauch zu ſchlagen: mit dem Leben ſelbſt iſt er<lb/>
verwachſen.</p><lb/><p>Es fehlte viel, daß der Fall von Rhodus die Fran-<lb/>
zoſen bewogen haͤtte, Frieden einzugehn: ſie ſahen vielmehr,<lb/>
daß dieſer Verluſt dem Kaiſer eine neue Beſchaͤftigung ge-<lb/>
ben werde, und faßten ihrerſeits deſto groͤßere Abſichten<lb/>
wider ihn. Nicht ohne Mitwiſſen desjenigen Cardinals,<lb/>
dem Adrian noch am meiſten vertrauete, knuͤpften ſie Ver-<lb/>
bindungen in Sicilien an, und machten einen Anſchlag auf<lb/>
dieſe Inſel. Der Papſt fand ſich bewogen, zuletzt noch<lb/>ſelbſt einen Bund mit dem Kaiſer einzugehen, der weſent-<lb/>
lich wider Frankreich gerichtet war.</p><lb/><p>Auch den Deutſchen war mit dem, was man ſonſt<lb/>
eine Reformation an Haupt und Gliedern genannt, nicht<lb/>
mehr zu helfen. Und ſelbſt eine ſolche, wie ſchwer, faſt<lb/>
unausfuͤhrbar war ſie!</p><lb/><p>Wollte der Papſt bisherige Gefaͤlle der Curie aufhe-<lb/>
ben, in denen er einen Schein von Simonie bemerkte,<lb/>ſo vermochte er das nicht, ohne die wohlerworbenen<lb/>
Rechte derjenigen zu kraͤnken, deren Aemter auf jene Ge-<lb/>
faͤlle gegruͤndet waren, Aemter, die ſie in der Regel gekauft<lb/>
hatten.</p><lb/><p>Beabſichtigte er eine Veraͤnderung in den Ehedispenſen<lb/>
zu treffen, und etwa einige bisherige Verbote aufzuheben, ſo<lb/>ſtellte man ihm vor, daß die Kirchendisciplin damit nur<lb/>
verletzt und geſchwaͤcht werde.</p><lb/><p>Um dem Unweſen des Ablaſſes zu ſteuern, haͤtte er gern<lb/>
die alten Buͤßungen wieder hergeſtellt; allein die Peniten-<lb/>
ziaria machte ihn aufmerkſam, daß er alsdann Gefahr<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[95/0121]
Unter Adrian VI.
der Mißbrauch zu ſchlagen: mit dem Leben ſelbſt iſt er
verwachſen.
Es fehlte viel, daß der Fall von Rhodus die Fran-
zoſen bewogen haͤtte, Frieden einzugehn: ſie ſahen vielmehr,
daß dieſer Verluſt dem Kaiſer eine neue Beſchaͤftigung ge-
ben werde, und faßten ihrerſeits deſto groͤßere Abſichten
wider ihn. Nicht ohne Mitwiſſen desjenigen Cardinals,
dem Adrian noch am meiſten vertrauete, knuͤpften ſie Ver-
bindungen in Sicilien an, und machten einen Anſchlag auf
dieſe Inſel. Der Papſt fand ſich bewogen, zuletzt noch
ſelbſt einen Bund mit dem Kaiſer einzugehen, der weſent-
lich wider Frankreich gerichtet war.
Auch den Deutſchen war mit dem, was man ſonſt
eine Reformation an Haupt und Gliedern genannt, nicht
mehr zu helfen. Und ſelbſt eine ſolche, wie ſchwer, faſt
unausfuͤhrbar war ſie!
Wollte der Papſt bisherige Gefaͤlle der Curie aufhe-
ben, in denen er einen Schein von Simonie bemerkte,
ſo vermochte er das nicht, ohne die wohlerworbenen
Rechte derjenigen zu kraͤnken, deren Aemter auf jene Ge-
faͤlle gegruͤndet waren, Aemter, die ſie in der Regel gekauft
hatten.
Beabſichtigte er eine Veraͤnderung in den Ehedispenſen
zu treffen, und etwa einige bisherige Verbote aufzuheben, ſo
ſtellte man ihm vor, daß die Kirchendisciplin damit nur
verletzt und geſchwaͤcht werde.
Um dem Unweſen des Ablaſſes zu ſteuern, haͤtte er gern
die alten Buͤßungen wieder hergeſtellt; allein die Peniten-
ziaria machte ihn aufmerkſam, daß er alsdann Gefahr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/121>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.