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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Kap. III. Politisch-kirchliche Verwickelungen.
selbst für Italien und für Rom. Sein ganzes Bemühen
war, wenn nicht sogleich einen Frieden, doch zunächst ei-
nen Stillstand auf drei Jahr zu Stande zu bringen, um
indessen einen allgemeinen Feldzug wider die Türken vor-
zubereiten.

Nicht minder war er entschlossen, den Forderungen
der Deutschen entgegenzukommen. Ueber die Mißbräuche,
die in der Kirche eingerissen waren, kann man sich nicht
entschiedener ausdrücken, als er selbst es that. "Wir wis-
sen," sagt er in der Instruction für den Nuntius Chiere-
gato, den er an den Reichstag sendete, "daß eine geraume
Zeit daher viel Verabscheuungswürdiges bei dem heiligen
Stuhle Statt gefunden hat; Mißbräuche in geistlichen Din-
gen: Ueberschreitung der Befugnisse; alles ist zum Bösen
verkehrt worden. Von dem Haupte ist das Verderben in
die Glieder, von dem Papste über die Prälaten ausgebrei-
tet worden; wir sind alle abgewichen: es ist Keiner, der
Gutes gethan, auch nicht einer." Er dagegen versprach nun
alles, was einem guten Papst zukomme: die Tugendhaften
und Gelehrten zu befördern, die Mißbräuche, wenn nicht
auf einmal, doch nach und nach abzustellen; eine Refor-
mation an Haupt und Gliedern, wie man sie so oft ver-
langt hatte, ließ er hoffen 1).

Allein nicht so leicht ist die Welt ins Gleiche zu
setzen. Der gute Wille eines Einzigen, wie hoch er auch
stehe, reicht dazu lange nicht hin. Zu tiefe Wurzeln pflegt

1) Instructio pro te Francisco Cheregato etc. etc., unter
andern bei Rainaldus Tom. XI, p. 363.

Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
ſelbſt fuͤr Italien und fuͤr Rom. Sein ganzes Bemuͤhen
war, wenn nicht ſogleich einen Frieden, doch zunaͤchſt ei-
nen Stillſtand auf drei Jahr zu Stande zu bringen, um
indeſſen einen allgemeinen Feldzug wider die Tuͤrken vor-
zubereiten.

Nicht minder war er entſchloſſen, den Forderungen
der Deutſchen entgegenzukommen. Ueber die Mißbraͤuche,
die in der Kirche eingeriſſen waren, kann man ſich nicht
entſchiedener ausdruͤcken, als er ſelbſt es that. „Wir wiſ-
ſen,“ ſagt er in der Inſtruction fuͤr den Nuntius Chiere-
gato, den er an den Reichstag ſendete, „daß eine geraume
Zeit daher viel Verabſcheuungswuͤrdiges bei dem heiligen
Stuhle Statt gefunden hat; Mißbraͤuche in geiſtlichen Din-
gen: Ueberſchreitung der Befugniſſe; alles iſt zum Boͤſen
verkehrt worden. Von dem Haupte iſt das Verderben in
die Glieder, von dem Papſte uͤber die Praͤlaten ausgebrei-
tet worden; wir ſind alle abgewichen: es iſt Keiner, der
Gutes gethan, auch nicht einer.“ Er dagegen verſprach nun
alles, was einem guten Papſt zukomme: die Tugendhaften
und Gelehrten zu befoͤrdern, die Mißbraͤuche, wenn nicht
auf einmal, doch nach und nach abzuſtellen; eine Refor-
mation an Haupt und Gliedern, wie man ſie ſo oft ver-
langt hatte, ließ er hoffen 1).

Allein nicht ſo leicht iſt die Welt ins Gleiche zu
ſetzen. Der gute Wille eines Einzigen, wie hoch er auch
ſtehe, reicht dazu lange nicht hin. Zu tiefe Wurzeln pflegt

1) Instructio pro te Francisco Cheregato etc. etc., unter
andern bei Rainaldus Tom. XI, p. 363.
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[94/0120] Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen. ſelbſt fuͤr Italien und fuͤr Rom. Sein ganzes Bemuͤhen war, wenn nicht ſogleich einen Frieden, doch zunaͤchſt ei- nen Stillſtand auf drei Jahr zu Stande zu bringen, um indeſſen einen allgemeinen Feldzug wider die Tuͤrken vor- zubereiten. Nicht minder war er entſchloſſen, den Forderungen der Deutſchen entgegenzukommen. Ueber die Mißbraͤuche, die in der Kirche eingeriſſen waren, kann man ſich nicht entſchiedener ausdruͤcken, als er ſelbſt es that. „Wir wiſ- ſen,“ ſagt er in der Inſtruction fuͤr den Nuntius Chiere- gato, den er an den Reichstag ſendete, „daß eine geraume Zeit daher viel Verabſcheuungswuͤrdiges bei dem heiligen Stuhle Statt gefunden hat; Mißbraͤuche in geiſtlichen Din- gen: Ueberſchreitung der Befugniſſe; alles iſt zum Boͤſen verkehrt worden. Von dem Haupte iſt das Verderben in die Glieder, von dem Papſte uͤber die Praͤlaten ausgebrei- tet worden; wir ſind alle abgewichen: es iſt Keiner, der Gutes gethan, auch nicht einer.“ Er dagegen verſprach nun alles, was einem guten Papſt zukomme: die Tugendhaften und Gelehrten zu befoͤrdern, die Mißbraͤuche, wenn nicht auf einmal, doch nach und nach abzuſtellen; eine Refor- mation an Haupt und Gliedern, wie man ſie ſo oft ver- langt hatte, ließ er hoffen 1). Allein nicht ſo leicht iſt die Welt ins Gleiche zu ſetzen. Der gute Wille eines Einzigen, wie hoch er auch ſtehe, reicht dazu lange nicht hin. Zu tiefe Wurzeln pflegt 1) Instructio pro te Francisco Cheregato etc. etc., unter andern bei Rainaldus Tom. XI, p. 363.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/120>, abgerufen am 08.05.2024.