Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Opposition in Deutschland. überhaupt bestand, grade auf das schneidendste darstellte, solief sie dem Begriffe, der sich in den tieferen deutschen Theo- logen gebildet, am schärfsten entgegen. Ein Mensch, wie Luther, von innerlich erlebter Religion, erfüllt mit den Begriffen von Sünde und Rechtfertigung, wie sie in dem Buche deutscher Theologie bereits vor ihm ausgesprochen waren, darin bestärkt durch die Schrift, die er mit dur- stendem Herzen in sich aufgenommen, konnte an nichts in der Welt einen so großen Anstoß nehmen, wie an dem Ab- laß. Von einer für Geld zu habenden Sündenvergebung mußte Der auf das tiefste beleidigt werden, der eben von diesem Punkt aus das ewige Verhältniß zwischen Gott und Mensch inne geworden war, und die Schrift selbst verste- hen gelernt hatte. Er setzte sich allerdings dem einzelnen Mißbrauche Oppoſition in Deutſchland. uͤberhaupt beſtand, grade auf das ſchneidendſte darſtellte, ſolief ſie dem Begriffe, der ſich in den tieferen deutſchen Theo- logen gebildet, am ſchaͤrfſten entgegen. Ein Menſch, wie Luther, von innerlich erlebter Religion, erfuͤllt mit den Begriffen von Suͤnde und Rechtfertigung, wie ſie in dem Buche deutſcher Theologie bereits vor ihm ausgeſprochen waren, darin beſtaͤrkt durch die Schrift, die er mit dur- ſtendem Herzen in ſich aufgenommen, konnte an nichts in der Welt einen ſo großen Anſtoß nehmen, wie an dem Ab- laß. Von einer fuͤr Geld zu habenden Suͤndenvergebung mußte Der auf das tiefſte beleidigt werden, der eben von dieſem Punkt aus das ewige Verhaͤltniß zwiſchen Gott und Menſch inne geworden war, und die Schrift ſelbſt verſte- hen gelernt hatte. Er ſetzte ſich allerdings dem einzelnen Mißbrauche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0103" n="77"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oppoſition in Deutſchland</hi>.</fw><lb/> uͤberhaupt beſtand, grade auf das ſchneidendſte darſtellte, ſo<lb/> lief ſie dem Begriffe, der ſich in den tieferen deutſchen Theo-<lb/> logen gebildet, am ſchaͤrfſten entgegen. Ein Menſch, wie<lb/> Luther, von innerlich erlebter Religion, erfuͤllt mit den<lb/> Begriffen von Suͤnde und Rechtfertigung, wie ſie in dem<lb/> Buche deutſcher Theologie bereits vor ihm ausgeſprochen<lb/> waren, darin beſtaͤrkt durch die Schrift, die er mit dur-<lb/> ſtendem Herzen in ſich aufgenommen, konnte an nichts in<lb/> der Welt einen ſo großen Anſtoß nehmen, wie an dem Ab-<lb/> laß. Von einer fuͤr Geld zu habenden Suͤndenvergebung<lb/> mußte Der auf das tiefſte beleidigt werden, der eben von<lb/> dieſem Punkt aus das ewige Verhaͤltniß zwiſchen Gott und<lb/> Menſch inne geworden war, und die Schrift ſelbſt verſte-<lb/> hen gelernt hatte.</p><lb/> <p>Er ſetzte ſich allerdings dem einzelnen Mißbrauche<lb/> entgegen; aber ſchon der ſchlechtbegruͤndete und einſeitige<lb/> Widerſpruch, den er fand, fuͤhrte ihn Schritt fuͤr Schritt<lb/> weiter; nicht lange verbarg ſich ihm der Zuſammenhang,<lb/> in welchem jenes Unweſen mit dem geſammten Verfalle<lb/> der Kirche ſtand; er war keine Natur, die vor dem Aeu-<lb/> ßerſten zuruͤckbebt. Das Oberhaupt ſelbſt griff er mit un-<lb/> erſchrockener Kuͤhnheit an. Aus der Mitte der ergeben-<lb/> ſten Anhaͤnger und Verfechter des Papſtthums, den Bet-<lb/> telmoͤnchen, erhob ſich ihm der kuͤhnſte gewaltigſte Gegner,<lb/> den es jemals gefunden. Da Luther einer ſo weit von ih-<lb/> rem Prinzip abgekommenen Macht eben dieß mit großer<lb/> Schaͤrfe und Klarheit entgegenhielt, da er ausſprach, wo-<lb/> von ſchon Alle uͤberzeugt waren, da ſeine Oppoſition, die<lb/> noch nicht ihre geſammten poſitiven Momente entwickelt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0103]
Oppoſition in Deutſchland.
uͤberhaupt beſtand, grade auf das ſchneidendſte darſtellte, ſo
lief ſie dem Begriffe, der ſich in den tieferen deutſchen Theo-
logen gebildet, am ſchaͤrfſten entgegen. Ein Menſch, wie
Luther, von innerlich erlebter Religion, erfuͤllt mit den
Begriffen von Suͤnde und Rechtfertigung, wie ſie in dem
Buche deutſcher Theologie bereits vor ihm ausgeſprochen
waren, darin beſtaͤrkt durch die Schrift, die er mit dur-
ſtendem Herzen in ſich aufgenommen, konnte an nichts in
der Welt einen ſo großen Anſtoß nehmen, wie an dem Ab-
laß. Von einer fuͤr Geld zu habenden Suͤndenvergebung
mußte Der auf das tiefſte beleidigt werden, der eben von
dieſem Punkt aus das ewige Verhaͤltniß zwiſchen Gott und
Menſch inne geworden war, und die Schrift ſelbſt verſte-
hen gelernt hatte.
Er ſetzte ſich allerdings dem einzelnen Mißbrauche
entgegen; aber ſchon der ſchlechtbegruͤndete und einſeitige
Widerſpruch, den er fand, fuͤhrte ihn Schritt fuͤr Schritt
weiter; nicht lange verbarg ſich ihm der Zuſammenhang,
in welchem jenes Unweſen mit dem geſammten Verfalle
der Kirche ſtand; er war keine Natur, die vor dem Aeu-
ßerſten zuruͤckbebt. Das Oberhaupt ſelbſt griff er mit un-
erſchrockener Kuͤhnheit an. Aus der Mitte der ergeben-
ſten Anhaͤnger und Verfechter des Papſtthums, den Bet-
telmoͤnchen, erhob ſich ihm der kuͤhnſte gewaltigſte Gegner,
den es jemals gefunden. Da Luther einer ſo weit von ih-
rem Prinzip abgekommenen Macht eben dieß mit großer
Schaͤrfe und Klarheit entgegenhielt, da er ausſprach, wo-
von ſchon Alle uͤberzeugt waren, da ſeine Oppoſition, die
noch nicht ihre geſammten poſitiven Momente entwickelt
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