Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.zu interessieren. Denn an dem Interesse für seine Person lag ihm vielleicht noch mehr, als an dem für seine Schriften. Beydes ließ sich aber mit einander vereinigen; ja! beydes konnte sich wechselseitig unterstützen. Er mußte einen Roman von der Liebe schreiben, und dieser Roman mußte einen Mann zeigen, der so zu lieben verstand, wie kein anderer. Bey dieser Bemühung würde er sich selbst, vermöge seiner Imagination, in eine leidenschaftliche Stimmung versetzen, und man würde ihm die Gefühle beylegen, die in seinem Buche vorkämen, und noch mehr, sogar die Begebenheiten. Daß ich R. hierin gar nicht Unrecht thue, beweiset die ganze Art, wie er selbst die Entstehung seiner Heloyse angiebt. "Zuerst fühlte ich, daß mir noch etwas zur Ausfüllung meiner Bestimmung fehlte, daß ich begabt mit so entzündbaren Sinnen, mit einem Herzen, so zur Liebe geformt, noch nie eine Leidenschaft für einen bestimmten Gegenstand empfunden hätte. Ich wollte nicht sterben, ohne das erste Bedürfniß meines Lebens befriedigt, ohne geliebt zu haben." Aber Liebe von der gewöhnlichen Art, die würde ihn nicht befriedigt haben. Er schuf sich also ein imaginäres Wesen, und verliebte sich in dieß. Verhältnisse, unter denen er sich mit ihm vereinigen konnte, mußte er gleichfalls haben, und so entstand ein Roman: zuerst in seinem Kopfe, dann auf dem Papier, dann in der Absicht ihn ins Publikum gehen zu lassen, endlich verbunden mit dem Zweck, die Vermuthung zu erwecken, daß ihm selbst die darin dargestellten Begebenheiten wiederfahren wären. Mithin setzte er auf das Titelblatt der ersten Ausgabe seiner neuen Heloyse folgende zwey Verse aus dem Petrarka. zu interessieren. Denn an dem Interesse für seine Person lag ihm vielleicht noch mehr, als an dem für seine Schriften. Beydes ließ sich aber mit einander vereinigen; ja! beydes konnte sich wechselseitig unterstützen. Er mußte einen Roman von der Liebe schreiben, und dieser Roman mußte einen Mann zeigen, der so zu lieben verstand, wie kein anderer. Bey dieser Bemühung würde er sich selbst, vermöge seiner Imagination, in eine leidenschaftliche Stimmung versetzen, und man würde ihm die Gefühle beylegen, die in seinem Buche vorkämen, und noch mehr, sogar die Begebenheiten. Daß ich R. hierin gar nicht Unrecht thue, beweiset die ganze Art, wie er selbst die Entstehung seiner Heloyse angiebt. „Zuerst fühlte ich, daß mir noch etwas zur Ausfüllung meiner Bestimmung fehlte, daß ich begabt mit so entzündbaren Sinnen, mit einem Herzen, so zur Liebe geformt, noch nie eine Leidenschaft für einen bestimmten Gegenstand empfunden hätte. Ich wollte nicht sterben, ohne das erste Bedürfniß meines Lebens befriedigt, ohne geliebt zu haben.“ Aber Liebe von der gewöhnlichen Art, die würde ihn nicht befriedigt haben. Er schuf sich also ein imaginäres Wesen, und verliebte sich in dieß. Verhältnisse, unter denen er sich mit ihm vereinigen konnte, mußte er gleichfalls haben, und so entstand ein Roman: zuerst in seinem Kopfe, dann auf dem Papier, dann in der Absicht ihn ins Publikum gehen zu lassen, endlich verbunden mit dem Zweck, die Vermuthung zu erwecken, daß ihm selbst die darin dargestellten Begebenheiten wiederfahren wären. Mithin setzte er auf das Titelblatt der ersten Ausgabe seiner neuen Heloyse folgende zwey Verse aus dem Petrarka. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0306" n="306"/> zu interessieren. Denn an dem Interesse für seine Person lag ihm vielleicht noch mehr, als an dem für seine Schriften. Beydes ließ sich aber mit einander vereinigen; ja! beydes konnte sich wechselseitig unterstützen. Er mußte einen Roman von der Liebe schreiben, und dieser Roman mußte einen Mann zeigen, der so zu lieben verstand, wie kein anderer. Bey dieser Bemühung würde er sich selbst, vermöge seiner Imagination, in eine leidenschaftliche Stimmung versetzen, und man würde ihm die Gefühle beylegen, die in seinem Buche vorkämen, und noch mehr, sogar die Begebenheiten.</p> <p>Daß ich R. hierin gar nicht Unrecht thue, beweiset die ganze Art, wie er selbst die Entstehung seiner Heloyse angiebt. „Zuerst fühlte ich, daß mir noch etwas zur Ausfüllung meiner Bestimmung fehlte, daß ich begabt mit so entzündbaren Sinnen, mit einem Herzen, so zur Liebe geformt, noch nie eine Leidenschaft für einen bestimmten Gegenstand empfunden hätte. Ich wollte nicht sterben, ohne das erste Bedürfniß meines Lebens befriedigt, ohne geliebt zu haben.“</p> <p>Aber Liebe von der gewöhnlichen Art, die würde ihn nicht befriedigt haben. Er schuf sich also ein imaginäres Wesen, und verliebte sich in dieß. Verhältnisse, unter denen er sich mit ihm vereinigen konnte, mußte er gleichfalls haben, und so entstand ein Roman: zuerst in seinem Kopfe, dann auf dem Papier, dann in der Absicht ihn ins Publikum gehen zu lassen, endlich verbunden mit dem Zweck, die Vermuthung zu erwecken, daß ihm selbst die darin dargestellten Begebenheiten wiederfahren wären. Mithin setzte er auf das Titelblatt der ersten Ausgabe seiner neuen Heloyse folgende zwey Verse aus dem Petrarka.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [306/0306]
zu interessieren. Denn an dem Interesse für seine Person lag ihm vielleicht noch mehr, als an dem für seine Schriften. Beydes ließ sich aber mit einander vereinigen; ja! beydes konnte sich wechselseitig unterstützen. Er mußte einen Roman von der Liebe schreiben, und dieser Roman mußte einen Mann zeigen, der so zu lieben verstand, wie kein anderer. Bey dieser Bemühung würde er sich selbst, vermöge seiner Imagination, in eine leidenschaftliche Stimmung versetzen, und man würde ihm die Gefühle beylegen, die in seinem Buche vorkämen, und noch mehr, sogar die Begebenheiten.
Daß ich R. hierin gar nicht Unrecht thue, beweiset die ganze Art, wie er selbst die Entstehung seiner Heloyse angiebt. „Zuerst fühlte ich, daß mir noch etwas zur Ausfüllung meiner Bestimmung fehlte, daß ich begabt mit so entzündbaren Sinnen, mit einem Herzen, so zur Liebe geformt, noch nie eine Leidenschaft für einen bestimmten Gegenstand empfunden hätte. Ich wollte nicht sterben, ohne das erste Bedürfniß meines Lebens befriedigt, ohne geliebt zu haben.“
Aber Liebe von der gewöhnlichen Art, die würde ihn nicht befriedigt haben. Er schuf sich also ein imaginäres Wesen, und verliebte sich in dieß. Verhältnisse, unter denen er sich mit ihm vereinigen konnte, mußte er gleichfalls haben, und so entstand ein Roman: zuerst in seinem Kopfe, dann auf dem Papier, dann in der Absicht ihn ins Publikum gehen zu lassen, endlich verbunden mit dem Zweck, die Vermuthung zu erwecken, daß ihm selbst die darin dargestellten Begebenheiten wiederfahren wären. Mithin setzte er auf das Titelblatt der ersten Ausgabe seiner neuen Heloyse folgende zwey Verse aus dem Petrarka.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |