Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

an Galanterie, und bezeichnete eine Art von Buhlerey, welche die gute Gesellschaft dulden zu können glaubte, weil der äußere Anstand geschont wurde. Jetzt wie ehmahls bestand ihr Wesen in einer ungebundenen Aufwartung des schönen Geschlechts, die auf Rechnung einer bloß geselligen Unterhaltung und unschuldigen Verehrung der Alles beherrschenden Schönheit gesetzt werden konnte. Nur mit dem Unterschiede, daß ehmahls diese Form, eben weil sie durch Uebertreibung und Umständlichkeit zu viel verkündigte, nur wenig sagte: jetzt, da sie unter einer leichten Behandlung zu wenig errathen lassen wollte, alles vermuthen ließ.

Ein entnervtes, leichtsinniges, eitles Volk begnügt sich überall mit dem Schein, und läßt sich leicht bewegen, bey ähnlichen Wirkungen gleiche Ursachen anzunehmen. Das Feuer, das Schüchterne, die Gefälligkeit, die Beharrlichkeit der Begierde, gilt ihm für Stärke und Wahrheit liebender Empfindungen, für Zärtlichkeit und Standhaftigkeit. Aber wo sollte es selbst jene Vorzüge unter Personen finden, die von Jugend auf angelernt sind, Gesinnungen zu heucheln, die sie nicht haben, und die sich willkührlich betrügen, um nur dem gröbsten Vergnügen nicht alle diejenigen Reitze zu entziehen, die ihm der Anstand leiht? Seht alle Darstellungen nach, welche uns die Marivaux, die Riccoboni, die Graffigny, die Crebillon, die Voltaire, die Bernard und selbst noch die Marmontel von wahrer und schöner Liebe liefern! Woher nehmen sie ihre Helden? Aus dem Stande der Neulinge unter den Jünglingen und der unerfahrnen

an Galanterie, und bezeichnete eine Art von Buhlerey, welche die gute Gesellschaft dulden zu können glaubte, weil der äußere Anstand geschont wurde. Jetzt wie ehmahls bestand ihr Wesen in einer ungebundenen Aufwartung des schönen Geschlechts, die auf Rechnung einer bloß geselligen Unterhaltung und unschuldigen Verehrung der Alles beherrschenden Schönheit gesetzt werden konnte. Nur mit dem Unterschiede, daß ehmahls diese Form, eben weil sie durch Uebertreibung und Umständlichkeit zu viel verkündigte, nur wenig sagte: jetzt, da sie unter einer leichten Behandlung zu wenig errathen lassen wollte, alles vermuthen ließ.

Ein entnervtes, leichtsinniges, eitles Volk begnügt sich überall mit dem Schein, und läßt sich leicht bewegen, bey ähnlichen Wirkungen gleiche Ursachen anzunehmen. Das Feuer, das Schüchterne, die Gefälligkeit, die Beharrlichkeit der Begierde, gilt ihm für Stärke und Wahrheit liebender Empfindungen, für Zärtlichkeit und Standhaftigkeit. Aber wo sollte es selbst jene Vorzüge unter Personen finden, die von Jugend auf angelernt sind, Gesinnungen zu heucheln, die sie nicht haben, und die sich willkührlich betrügen, um nur dem gröbsten Vergnügen nicht alle diejenigen Reitze zu entziehen, die ihm der Anstand leiht? Seht alle Darstellungen nach, welche uns die Marivaux, die Riccoboni, die Graffigny, die Crebillon, die Voltaire, die Bernard und selbst noch die Marmontel von wahrer und schöner Liebe liefern! Woher nehmen sie ihre Helden? Aus dem Stande der Neulinge unter den Jünglingen und der unerfahrnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0282" n="282"/>
an Galanterie, und bezeichnete eine Art von Buhlerey, welche die gute Gesellschaft dulden zu können glaubte, weil der äußere Anstand geschont wurde. Jetzt wie ehmahls bestand ihr Wesen in einer ungebundenen Aufwartung des schönen Geschlechts, die auf Rechnung einer bloß geselligen Unterhaltung und unschuldigen Verehrung der Alles beherrschenden Schönheit gesetzt werden konnte. Nur mit dem Unterschiede, daß ehmahls diese Form, eben weil sie durch Uebertreibung und Umständlichkeit zu viel verkündigte, nur wenig sagte: jetzt, da sie unter einer leichten Behandlung zu wenig errathen lassen wollte, alles vermuthen ließ.</p>
          <p>Ein entnervtes, leichtsinniges, eitles Volk begnügt sich überall mit dem Schein, und läßt sich leicht bewegen, bey ähnlichen Wirkungen gleiche Ursachen anzunehmen. Das Feuer, das Schüchterne, die Gefälligkeit, die Beharrlichkeit der Begierde, gilt ihm für Stärke und Wahrheit liebender Empfindungen, für Zärtlichkeit und Standhaftigkeit. Aber wo sollte es selbst jene Vorzüge unter Personen finden, die von Jugend auf angelernt sind, Gesinnungen zu heucheln, die sie nicht haben, und die sich willkührlich betrügen, um nur dem gröbsten Vergnügen nicht alle diejenigen Reitze zu entziehen, die ihm der Anstand leiht? Seht alle Darstellungen nach, welche uns die Marivaux, die Riccoboni, die Graffigny, die Crebillon, die Voltaire, die Bernard und selbst noch die Marmontel von wahrer und schöner Liebe liefern! Woher nehmen sie ihre Helden? Aus dem Stande der Neulinge unter den Jünglingen und der unerfahrnen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0282] an Galanterie, und bezeichnete eine Art von Buhlerey, welche die gute Gesellschaft dulden zu können glaubte, weil der äußere Anstand geschont wurde. Jetzt wie ehmahls bestand ihr Wesen in einer ungebundenen Aufwartung des schönen Geschlechts, die auf Rechnung einer bloß geselligen Unterhaltung und unschuldigen Verehrung der Alles beherrschenden Schönheit gesetzt werden konnte. Nur mit dem Unterschiede, daß ehmahls diese Form, eben weil sie durch Uebertreibung und Umständlichkeit zu viel verkündigte, nur wenig sagte: jetzt, da sie unter einer leichten Behandlung zu wenig errathen lassen wollte, alles vermuthen ließ. Ein entnervtes, leichtsinniges, eitles Volk begnügt sich überall mit dem Schein, und läßt sich leicht bewegen, bey ähnlichen Wirkungen gleiche Ursachen anzunehmen. Das Feuer, das Schüchterne, die Gefälligkeit, die Beharrlichkeit der Begierde, gilt ihm für Stärke und Wahrheit liebender Empfindungen, für Zärtlichkeit und Standhaftigkeit. Aber wo sollte es selbst jene Vorzüge unter Personen finden, die von Jugend auf angelernt sind, Gesinnungen zu heucheln, die sie nicht haben, und die sich willkührlich betrügen, um nur dem gröbsten Vergnügen nicht alle diejenigen Reitze zu entziehen, die ihm der Anstand leiht? Seht alle Darstellungen nach, welche uns die Marivaux, die Riccoboni, die Graffigny, die Crebillon, die Voltaire, die Bernard und selbst noch die Marmontel von wahrer und schöner Liebe liefern! Woher nehmen sie ihre Helden? Aus dem Stande der Neulinge unter den Jünglingen und der unerfahrnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/282
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/282>, abgerufen am 13.05.2024.