Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.läßt freylich den Liebesgott ein Parlament von seinen Baronen zusammenrufen; aber diese poetische Fiktion beweist nichts für ihr wirkliches Daseyn, und vielmehr gegen ihre festgesetzte Organisation. Die Romanenschreiber, welche einen so vortheilhaften Gebrauch von dieser Sitte hätten machen können, nutzen sie gar nicht. Petrarka behandelt sie nicht mit demjenigen Ernste, den ein so ehrwürdiges Sitteninstitut erfordert haben würde, und deutet ganz offenbar auf eine gesellige Belustigung hin. Die Jeux floreaux, die im Jahre 1324 zu Toulouse errichtet wurden, haben sehr vieles mit den sogenannten Cours d'amours gemein, sind aber offenbar eine poetische Akademie, die sich in die Angelegenheiten der wirklichen Welt gewiß nicht mischte. Johann Boccaz, der im vierzehnten Jahrhunderte neben dem Petrarka lebte, hat uns die Auflösung von dreyzehn Streitfragen über die Liebe aufbewahrt. 40) Sie dient zur Unterhaltung einer Gesellschaft, die zufällig zusammenkommt, und des Dichters Geliebte, Fiametta, zur Königin wählt. Jedes Mitglied der Gesellschaft erzählt einen Fall, und wirft eine Frage zur Entscheidung auf. Die Königin giebt diese, der Erzähler macht Einwendungen, und zuletzt erfolgt das Endurtheil. Die Fragen sind höchst allgemein, und die Fälle betreffen nicht die Personen der Anwesenden. 41) 40) Ich habe eine französische Uebersetzung vor mir. Treizes elegantes Demandes d'amours premierement composees par le tresfaconde Poete Jehan Bocace et depuis translatees en Francois 1541 a Paris in 16. 41) Z. B. Es wird gefragt, wer den Vorzug in der Liebe verdiene, der Tapfere oder der Weise? Wer die größten Aufopferungen
läßt freylich den Liebesgott ein Parlament von seinen Baronen zusammenrufen; aber diese poetische Fiktion beweist nichts für ihr wirkliches Daseyn, und vielmehr gegen ihre festgesetzte Organisation. Die Romanenschreiber, welche einen so vortheilhaften Gebrauch von dieser Sitte hätten machen können, nutzen sie gar nicht. Petrarka behandelt sie nicht mit demjenigen Ernste, den ein so ehrwürdiges Sitteninstitut erfordert haben würde, und deutet ganz offenbar auf eine gesellige Belustigung hin. Die Jeux floreaux, die im Jahre 1324 zu Toulouse errichtet wurden, haben sehr vieles mit den sogenannten Cours d’amours gemein, sind aber offenbar eine poetische Akademie, die sich in die Angelegenheiten der wirklichen Welt gewiß nicht mischte. Johann Boccaz, der im vierzehnten Jahrhunderte neben dem Petrarka lebte, hat uns die Auflösung von dreyzehn Streitfragen über die Liebe aufbewahrt. 40) Sie dient zur Unterhaltung einer Gesellschaft, die zufällig zusammenkommt, und des Dichters Geliebte, Fiametta, zur Königin wählt. Jedes Mitglied der Gesellschaft erzählt einen Fall, und wirft eine Frage zur Entscheidung auf. Die Königin giebt diese, der Erzähler macht Einwendungen, und zuletzt erfolgt das Endurtheil. Die Fragen sind höchst allgemein, und die Fälle betreffen nicht die Personen der Anwesenden. 41) 40) Ich habe eine französische Uebersetzung vor mir. Treizes élegantes Demandes d’amours premierement composées par le trèsfaconde Poëte Jéhan Bocace et depuis translatées en François 1541 à Paris in 16. 41) Z. B. Es wird gefragt, wer den Vorzug in der Liebe verdiene, der Tapfere oder der Weise? Wer die größten Aufopferungen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0242" n="242"/> läßt freylich den Liebesgott ein Parlament von seinen Baronen zusammenrufen; aber diese poetische Fiktion beweist nichts für ihr wirkliches Daseyn, und vielmehr gegen ihre festgesetzte Organisation. Die Romanenschreiber, welche einen so vortheilhaften Gebrauch von dieser Sitte hätten machen können, nutzen sie gar nicht. Petrarka behandelt sie nicht mit demjenigen Ernste, den ein so ehrwürdiges Sitteninstitut erfordert haben würde, und deutet ganz offenbar auf eine gesellige Belustigung hin. Die <hi rendition="#aq">Jeux floreaux,</hi> die im Jahre 1324 zu Toulouse errichtet wurden, haben sehr vieles mit den sogenannten <hi rendition="#aq">Cours d’amours</hi> gemein, sind aber offenbar eine poetische Akademie, die sich in die Angelegenheiten der wirklichen Welt gewiß nicht mischte. Johann Boccaz, der im vierzehnten Jahrhunderte neben dem Petrarka lebte, hat uns die Auflösung von dreyzehn Streitfragen über die Liebe aufbewahrt. <note place="foot" n="40)">Ich habe eine französische Uebersetzung vor mir. <hi rendition="#aq">Treizes élegantes Demandes d’amours premierement composées par le trèsfaconde Poëte Jéhan Bocace et depuis translatées en François 1541 à Paris in 16.</hi></note> Sie dient zur Unterhaltung einer Gesellschaft, die zufällig zusammenkommt, und des Dichters Geliebte, Fiametta, zur Königin wählt. Jedes Mitglied der Gesellschaft erzählt einen Fall, und wirft eine Frage zur Entscheidung auf. Die Königin giebt diese, der Erzähler macht Einwendungen, und zuletzt erfolgt das Endurtheil. Die Fragen sind höchst allgemein, und die Fälle betreffen nicht die Personen der Anwesenden. <note xml:id="note-0242" next="note-0243" place="foot" n="41)">Z. B. Es wird gefragt, wer den Vorzug in der Liebe verdiene, der Tapfere oder der Weise? Wer die größten Aufopferungen</note></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [242/0242]
läßt freylich den Liebesgott ein Parlament von seinen Baronen zusammenrufen; aber diese poetische Fiktion beweist nichts für ihr wirkliches Daseyn, und vielmehr gegen ihre festgesetzte Organisation. Die Romanenschreiber, welche einen so vortheilhaften Gebrauch von dieser Sitte hätten machen können, nutzen sie gar nicht. Petrarka behandelt sie nicht mit demjenigen Ernste, den ein so ehrwürdiges Sitteninstitut erfordert haben würde, und deutet ganz offenbar auf eine gesellige Belustigung hin. Die Jeux floreaux, die im Jahre 1324 zu Toulouse errichtet wurden, haben sehr vieles mit den sogenannten Cours d’amours gemein, sind aber offenbar eine poetische Akademie, die sich in die Angelegenheiten der wirklichen Welt gewiß nicht mischte. Johann Boccaz, der im vierzehnten Jahrhunderte neben dem Petrarka lebte, hat uns die Auflösung von dreyzehn Streitfragen über die Liebe aufbewahrt. 40) Sie dient zur Unterhaltung einer Gesellschaft, die zufällig zusammenkommt, und des Dichters Geliebte, Fiametta, zur Königin wählt. Jedes Mitglied der Gesellschaft erzählt einen Fall, und wirft eine Frage zur Entscheidung auf. Die Königin giebt diese, der Erzähler macht Einwendungen, und zuletzt erfolgt das Endurtheil. Die Fragen sind höchst allgemein, und die Fälle betreffen nicht die Personen der Anwesenden. 41)
40) Ich habe eine französische Uebersetzung vor mir. Treizes élegantes Demandes d’amours premierement composées par le trèsfaconde Poëte Jéhan Bocace et depuis translatées en François 1541 à Paris in 16.
41) Z. B. Es wird gefragt, wer den Vorzug in der Liebe verdiene, der Tapfere oder der Weise? Wer die größten Aufopferungen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |