Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.zu erklären. Es ist unmöglich, euch zu loben, weil das Wahre das Unwahre brauchen müßte, um sich deutlich zu, machen, und die Vernunft dasjenige, was sie für vernünftig erkennt, verwerfen muß. Demungeachtet verdiene ich Entschuldigung wegen meiner Schuld, weil mich meine große Schuld entschuldigt." - "Ich fühle mich frey in meinem Gefängnisse, sicher in meiner Gefahr, im Widerspruche mit mir selbst bey meiner Entschlossenheit. Die Liebe ist für mich ein freudiger Schmerz, eine unvernünftige Vernunft, eine muthige Furchtsamkeit, ein langweiliges Vergnügen, ein finsteres Licht, ein unbelobter Ruhm, ein kränkliches Wohlseyn. Sie hört nicht auf, mich zu verbrennen, und verwandelt mich doch nicht in Asche." u. s. w. Eine solche fade Uebertreibung der Abhängigkeit von dem geliebten Gegenstande, verbunden mit der Begierde, durch Witz zu glänzen, wo die Empfindung reden sollte, ist der Hauptcharakter der spanischen Galanterie, die sich sogar in ihr Theater eingeschlichen hatte, und die sich bald über alle Länder von Europa ausbreitete. Inzwischen findet man auch unter ihnen Spuren einer leichteren Behandlungsart der Liebe, und besonders sehr viel List, und sehr viel pomphafte Intrigue, als Mittel gebraucht, um aus den Geschlechtsverbindungen eine gesellige Unterhaltung zu ziehen. Von einer willkührlichen Beschränkung auf geistigen Genuß findet man wenig oder nichts in ihren Dichtern; allein der Zustand eines unglücklichen und verzweifelnden Liebhabers nimmt jenen Genuß als eine Schadloshaltung zu erklären. Es ist unmöglich, euch zu loben, weil das Wahre das Unwahre brauchen müßte, um sich deutlich zu, machen, und die Vernunft dasjenige, was sie für vernünftig erkennt, verwerfen muß. Demungeachtet verdiene ich Entschuldigung wegen meiner Schuld, weil mich meine große Schuld entschuldigt.“ – „Ich fühle mich frey in meinem Gefängnisse, sicher in meiner Gefahr, im Widerspruche mit mir selbst bey meiner Entschlossenheit. Die Liebe ist für mich ein freudiger Schmerz, eine unvernünftige Vernunft, eine muthige Furchtsamkeit, ein langweiliges Vergnügen, ein finsteres Licht, ein unbelobter Ruhm, ein kränkliches Wohlseyn. Sie hört nicht auf, mich zu verbrennen, und verwandelt mich doch nicht in Asche.“ u. s. w. Eine solche fade Uebertreibung der Abhängigkeit von dem geliebten Gegenstande, verbunden mit der Begierde, durch Witz zu glänzen, wo die Empfindung reden sollte, ist der Hauptcharakter der spanischen Galanterie, die sich sogar in ihr Theater eingeschlichen hatte, und die sich bald über alle Länder von Europa ausbreitete. Inzwischen findet man auch unter ihnen Spuren einer leichteren Behandlungsart der Liebe, und besonders sehr viel List, und sehr viel pomphafte Intrigue, als Mittel gebraucht, um aus den Geschlechtsverbindungen eine gesellige Unterhaltung zu ziehen. Von einer willkührlichen Beschränkung auf geistigen Genuß findet man wenig oder nichts in ihren Dichtern; allein der Zustand eines unglücklichen und verzweifelnden Liebhabers nimmt jenen Genuß als eine Schadloshaltung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0233" n="233"/> zu erklären. Es ist unmöglich, euch zu loben, weil das Wahre das Unwahre brauchen müßte, um sich deutlich zu, machen, und die Vernunft dasjenige, was sie für vernünftig erkennt, verwerfen muß. Demungeachtet verdiene ich Entschuldigung wegen meiner Schuld, weil mich meine große Schuld entschuldigt.“ – „Ich fühle mich frey in meinem Gefängnisse, sicher in meiner Gefahr, im Widerspruche mit mir selbst bey meiner Entschlossenheit. Die Liebe ist für mich ein freudiger Schmerz, eine unvernünftige Vernunft, eine muthige Furchtsamkeit, ein langweiliges Vergnügen, ein finsteres Licht, ein unbelobter Ruhm, ein kränkliches Wohlseyn. Sie hört nicht auf, mich zu verbrennen, und verwandelt mich doch nicht in Asche.“ u. s. w.</p> <p>Eine solche fade Uebertreibung der Abhängigkeit von dem geliebten Gegenstande, verbunden mit der Begierde, durch Witz zu glänzen, wo die Empfindung reden sollte, ist der Hauptcharakter der spanischen Galanterie, die sich sogar in ihr Theater eingeschlichen hatte, und die sich bald über alle Länder von Europa ausbreitete.</p> <p>Inzwischen findet man auch unter ihnen Spuren einer leichteren Behandlungsart der Liebe, und besonders sehr viel List, und sehr viel pomphafte Intrigue, als Mittel gebraucht, um aus den Geschlechtsverbindungen eine gesellige Unterhaltung zu ziehen. Von einer willkührlichen Beschränkung auf geistigen Genuß findet man wenig oder nichts in ihren Dichtern; allein der Zustand eines unglücklichen und verzweifelnden Liebhabers nimmt jenen Genuß als eine Schadloshaltung </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0233]
zu erklären. Es ist unmöglich, euch zu loben, weil das Wahre das Unwahre brauchen müßte, um sich deutlich zu, machen, und die Vernunft dasjenige, was sie für vernünftig erkennt, verwerfen muß. Demungeachtet verdiene ich Entschuldigung wegen meiner Schuld, weil mich meine große Schuld entschuldigt.“ – „Ich fühle mich frey in meinem Gefängnisse, sicher in meiner Gefahr, im Widerspruche mit mir selbst bey meiner Entschlossenheit. Die Liebe ist für mich ein freudiger Schmerz, eine unvernünftige Vernunft, eine muthige Furchtsamkeit, ein langweiliges Vergnügen, ein finsteres Licht, ein unbelobter Ruhm, ein kränkliches Wohlseyn. Sie hört nicht auf, mich zu verbrennen, und verwandelt mich doch nicht in Asche.“ u. s. w.
Eine solche fade Uebertreibung der Abhängigkeit von dem geliebten Gegenstande, verbunden mit der Begierde, durch Witz zu glänzen, wo die Empfindung reden sollte, ist der Hauptcharakter der spanischen Galanterie, die sich sogar in ihr Theater eingeschlichen hatte, und die sich bald über alle Länder von Europa ausbreitete.
Inzwischen findet man auch unter ihnen Spuren einer leichteren Behandlungsart der Liebe, und besonders sehr viel List, und sehr viel pomphafte Intrigue, als Mittel gebraucht, um aus den Geschlechtsverbindungen eine gesellige Unterhaltung zu ziehen. Von einer willkührlichen Beschränkung auf geistigen Genuß findet man wenig oder nichts in ihren Dichtern; allein der Zustand eines unglücklichen und verzweifelnden Liebhabers nimmt jenen Genuß als eine Schadloshaltung
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