Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

bin?" - Ein sanftes Lächeln überglänzte hier der Geliebten Antlitz. "Du hast stets mein Herz gehabt, sprach sie. Aber das Uebermaß deiner Leidenschaft erlaubte mir nicht, mich dem Ausbruch der meinigen zu überlassen. Ich mußte dir den wahren Zustand meines Herzens verhehlen, um unsern Ruf und unsere Seelen zu retten. Tausendmahl war der Ausdruck des Zorns auf meinem Gesichte, und brennende Liebe in meinem Herzen. Ach! die Gefühle, welche die Vernunft zu verhehlen befiehlt, sind nicht selten gewaltsamer, als diejenigen, die man ausläßt! Wie oft warf ich dir einen Blick voll Güte zu, wenn ich dich der Verzweiflung nahe sah! Wie oft drückten sich Schmerz und Furcht über deinen Zustand in meinen Mienen aus! Erinnre dich des Tages, da wir allein waren, und ich die Verse gütig aufnahm, die du mir mit den Worten überreichtest:" das ist Alles, was die Liebe sagen darf! "Durfte die meinige mehr sagen? Nichts mißfiel mir in deiner Leidenschaft, als das Uebermaß. Deine Aufführung machte sie der ganzen Welt kund. Ich wechselte oft mit strenger und sanfter Behandlung ab; aber dieser Kunstgriff war nöthig, um dich und meine Tugend meinem Herzen zu sichern. Beydes nehm' ich mit mir von der Erde weg, und das macht mein Glück und meinen Stolz aus. Mein Nahme ist durch deine Gedichte überall hin verbreitet: er wird mich überleben. Ich danke dem Schicksal: nur hätte ich in deinem Italien geboren werden mögen! Doch sollte mir das Land nicht gefallen, worin ich dir habe gefallen können? Wer weiß, ob nicht dein Herz, das jetzt meinen ganzen Stolz ausmacht, an diesem Aufenthalte deiner Jugend für einen andern Gegenstand entbrannt

bin?“ – Ein sanftes Lächeln überglänzte hier der Geliebten Antlitz. „Du hast stets mein Herz gehabt, sprach sie. Aber das Uebermaß deiner Leidenschaft erlaubte mir nicht, mich dem Ausbruch der meinigen zu überlassen. Ich mußte dir den wahren Zustand meines Herzens verhehlen, um unsern Ruf und unsere Seelen zu retten. Tausendmahl war der Ausdruck des Zorns auf meinem Gesichte, und brennende Liebe in meinem Herzen. Ach! die Gefühle, welche die Vernunft zu verhehlen befiehlt, sind nicht selten gewaltsamer, als diejenigen, die man ausläßt! Wie oft warf ich dir einen Blick voll Güte zu, wenn ich dich der Verzweiflung nahe sah! Wie oft drückten sich Schmerz und Furcht über deinen Zustand in meinen Mienen aus! Erinnre dich des Tages, da wir allein waren, und ich die Verse gütig aufnahm, die du mir mit den Worten überreichtest:“ das ist Alles, was die Liebe sagen darf! „Durfte die meinige mehr sagen? Nichts mißfiel mir in deiner Leidenschaft, als das Uebermaß. Deine Aufführung machte sie der ganzen Welt kund. Ich wechselte oft mit strenger und sanfter Behandlung ab; aber dieser Kunstgriff war nöthig, um dich und meine Tugend meinem Herzen zu sichern. Beydes nehm’ ich mit mir von der Erde weg, und das macht mein Glück und meinen Stolz aus. Mein Nahme ist durch deine Gedichte überall hin verbreitet: er wird mich überleben. Ich danke dem Schicksal: nur hätte ich in deinem Italien geboren werden mögen! Doch sollte mir das Land nicht gefallen, worin ich dir habe gefallen können? Wer weiß, ob nicht dein Herz, das jetzt meinen ganzen Stolz ausmacht, an diesem Aufenthalte deiner Jugend für einen andern Gegenstand entbrannt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0221" n="221"/>
bin?&#x201C; &#x2013; Ein sanftes Lächeln überglänzte hier der Geliebten Antlitz. &#x201E;Du hast stets mein Herz gehabt, sprach sie. Aber das Uebermaß deiner Leidenschaft erlaubte mir nicht, mich dem Ausbruch der meinigen zu überlassen. Ich mußte dir den wahren Zustand meines Herzens verhehlen, um unsern Ruf und unsere Seelen zu retten. Tausendmahl war der Ausdruck des Zorns auf meinem Gesichte, und brennende Liebe in meinem Herzen. Ach! die Gefühle, welche die Vernunft zu verhehlen befiehlt, sind nicht selten gewaltsamer, als diejenigen, die man ausläßt! Wie oft warf ich dir einen Blick voll Güte zu, wenn ich dich der Verzweiflung nahe sah! Wie oft drückten sich Schmerz und Furcht über deinen Zustand in meinen Mienen aus! Erinnre dich des Tages, da wir allein waren, und ich die Verse gütig aufnahm, die du mir mit den Worten überreichtest:&#x201C; das ist Alles, was die Liebe sagen darf! &#x201E;Durfte die meinige mehr sagen? Nichts mißfiel mir in deiner Leidenschaft, als das Uebermaß. Deine Aufführung machte sie der ganzen Welt kund. Ich wechselte oft mit strenger und sanfter Behandlung ab; aber dieser Kunstgriff war nöthig, um dich und meine Tugend meinem Herzen zu sichern. Beydes nehm&#x2019; ich mit mir von der Erde weg, und das macht mein Glück und meinen Stolz aus. Mein Nahme ist durch deine Gedichte überall hin verbreitet: er wird mich überleben. Ich danke dem Schicksal: nur hätte ich in deinem Italien geboren werden mögen! Doch sollte mir das Land nicht gefallen, worin ich dir habe gefallen können? Wer weiß, ob nicht dein Herz, das jetzt meinen ganzen Stolz ausmacht, an diesem Aufenthalte deiner Jugend für einen andern Gegenstand entbrannt
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0221] bin?“ – Ein sanftes Lächeln überglänzte hier der Geliebten Antlitz. „Du hast stets mein Herz gehabt, sprach sie. Aber das Uebermaß deiner Leidenschaft erlaubte mir nicht, mich dem Ausbruch der meinigen zu überlassen. Ich mußte dir den wahren Zustand meines Herzens verhehlen, um unsern Ruf und unsere Seelen zu retten. Tausendmahl war der Ausdruck des Zorns auf meinem Gesichte, und brennende Liebe in meinem Herzen. Ach! die Gefühle, welche die Vernunft zu verhehlen befiehlt, sind nicht selten gewaltsamer, als diejenigen, die man ausläßt! Wie oft warf ich dir einen Blick voll Güte zu, wenn ich dich der Verzweiflung nahe sah! Wie oft drückten sich Schmerz und Furcht über deinen Zustand in meinen Mienen aus! Erinnre dich des Tages, da wir allein waren, und ich die Verse gütig aufnahm, die du mir mit den Worten überreichtest:“ das ist Alles, was die Liebe sagen darf! „Durfte die meinige mehr sagen? Nichts mißfiel mir in deiner Leidenschaft, als das Uebermaß. Deine Aufführung machte sie der ganzen Welt kund. Ich wechselte oft mit strenger und sanfter Behandlung ab; aber dieser Kunstgriff war nöthig, um dich und meine Tugend meinem Herzen zu sichern. Beydes nehm’ ich mit mir von der Erde weg, und das macht mein Glück und meinen Stolz aus. Mein Nahme ist durch deine Gedichte überall hin verbreitet: er wird mich überleben. Ich danke dem Schicksal: nur hätte ich in deinem Italien geboren werden mögen! Doch sollte mir das Land nicht gefallen, worin ich dir habe gefallen können? Wer weiß, ob nicht dein Herz, das jetzt meinen ganzen Stolz ausmacht, an diesem Aufenthalte deiner Jugend für einen andern Gegenstand entbrannt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/221
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/221>, abgerufen am 23.11.2024.