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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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und gut. Wo der Körper allein schön ist, müssen wir nur wenig lieben: wo der Geist schön ist müssen wir standhaft lieben. Wo aber beydes zusammen schön ist, dürfen wir uns ganz der Liebe überlassen."

"Was liegt aber bey unserm Zuge zur Schönheit zum Grunde? Die Lust an der himmlischen Schönheit. Diese findet sich theils in der göttlichen Intelligenz, oder in den göttlichen Ideen, die sich nicht mit der Materie verbunden haben, theils in der Welt, oder in Allem, was nach jenen Ideen von Gott geschaffen ist. Die Lust an der Erkenntniß jener ersten Schönheit ist die himmlische Venus; die Lust an der Zeugung solcher Formen, welche einen Abglanz der himmlischen Schönheit an sich tragen, ist die zweyte Venus. In beyden ist also Liebe vorhanden: in der ersten ein Verlangen, das Geistige anzuschauen, in der zweyten ein Verlangen, das Schöne hervorzubringen. Beyde Arten zu lieben, sind ehrbringende: beyde folgen dem göttlichen Bilde. Wenn aber Jemand die körperliche Zeugung der geistigen, oder die Gestalt des Körpers der Schönheit des Geistes vorzieht; so ist dieß ein tadelnswürdiger Mißbrauch der Liebe."

"Es giebt eine einfache und eine wechselseitige Liebe. In der ersten stirbt sich der Liebende selbst ab, um für den Andern zu leben. In der zweyten leben zwey Liebende einer für den andern. Diejenigen, die sich wechselseitig lieben, suchen Schönheit an einander zu genießen. Aber nur durch den innern Sinn und durch das Auge. Das Verlangen nach Berührung ist nicht Liebe, sondern ungeordnete Begierde, Perturbazion eines knechtischen Gemüths. Der Genuß der Schönheit des Geistes ist viel edler, als der der Schönheit der Körper."

und gut. Wo der Körper allein schön ist, müssen wir nur wenig lieben: wo der Geist schön ist müssen wir standhaft lieben. Wo aber beydes zusammen schön ist, dürfen wir uns ganz der Liebe überlassen.“

„Was liegt aber bey unserm Zuge zur Schönheit zum Grunde? Die Lust an der himmlischen Schönheit. Diese findet sich theils in der göttlichen Intelligenz, oder in den göttlichen Ideen, die sich nicht mit der Materie verbunden haben, theils in der Welt, oder in Allem, was nach jenen Ideen von Gott geschaffen ist. Die Lust an der Erkenntniß jener ersten Schönheit ist die himmlische Venus; die Lust an der Zeugung solcher Formen, welche einen Abglanz der himmlischen Schönheit an sich tragen, ist die zweyte Venus. In beyden ist also Liebe vorhanden: in der ersten ein Verlangen, das Geistige anzuschauen, in der zweyten ein Verlangen, das Schöne hervorzubringen. Beyde Arten zu lieben, sind ehrbringende: beyde folgen dem göttlichen Bilde. Wenn aber Jemand die körperliche Zeugung der geistigen, oder die Gestalt des Körpers der Schönheit des Geistes vorzieht; so ist dieß ein tadelnswürdiger Mißbrauch der Liebe.“

„Es giebt eine einfache und eine wechselseitige Liebe. In der ersten stirbt sich der Liebende selbst ab, um für den Andern zu leben. In der zweyten leben zwey Liebende einer für den andern. Diejenigen, die sich wechselseitig lieben, suchen Schönheit an einander zu genießen. Aber nur durch den innern Sinn und durch das Auge. Das Verlangen nach Berührung ist nicht Liebe, sondern ungeordnete Begierde, Perturbazion eines knechtischen Gemüths. Der Genuß der Schönheit des Geistes ist viel edler, als der der Schönheit der Körper.“

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[172/0172] und gut. Wo der Körper allein schön ist, müssen wir nur wenig lieben: wo der Geist schön ist müssen wir standhaft lieben. Wo aber beydes zusammen schön ist, dürfen wir uns ganz der Liebe überlassen.“ „Was liegt aber bey unserm Zuge zur Schönheit zum Grunde? Die Lust an der himmlischen Schönheit. Diese findet sich theils in der göttlichen Intelligenz, oder in den göttlichen Ideen, die sich nicht mit der Materie verbunden haben, theils in der Welt, oder in Allem, was nach jenen Ideen von Gott geschaffen ist. Die Lust an der Erkenntniß jener ersten Schönheit ist die himmlische Venus; die Lust an der Zeugung solcher Formen, welche einen Abglanz der himmlischen Schönheit an sich tragen, ist die zweyte Venus. In beyden ist also Liebe vorhanden: in der ersten ein Verlangen, das Geistige anzuschauen, in der zweyten ein Verlangen, das Schöne hervorzubringen. Beyde Arten zu lieben, sind ehrbringende: beyde folgen dem göttlichen Bilde. Wenn aber Jemand die körperliche Zeugung der geistigen, oder die Gestalt des Körpers der Schönheit des Geistes vorzieht; so ist dieß ein tadelnswürdiger Mißbrauch der Liebe.“ „Es giebt eine einfache und eine wechselseitige Liebe. In der ersten stirbt sich der Liebende selbst ab, um für den Andern zu leben. In der zweyten leben zwey Liebende einer für den andern. Diejenigen, die sich wechselseitig lieben, suchen Schönheit an einander zu genießen. Aber nur durch den innern Sinn und durch das Auge. Das Verlangen nach Berührung ist nicht Liebe, sondern ungeordnete Begierde, Perturbazion eines knechtischen Gemüths. Der Genuß der Schönheit des Geistes ist viel edler, als der der Schönheit der Körper.“

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/172>, abgerufen am 28.04.2024.