Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.des Wahnsinns beschuldigt. In diese Art von Begeisterung gerathen wir hiernieden beym Anblick des Schönen, das uns an die obere Wahrheit erinnert. Die Seele wird dann wieder befiedert, und strebt empor. Aber unvermögend dazu, zieht sie sich durch Vernachläßigung dessen, was sie umgiebt, und durch das Hinaufschauen nach dem, was dem Blicke anderer entzogen ist, sehr leicht den Verdacht des Wahnsinns zu. Inzwischen ist diese Entzückung die schönste und heilsamste von allen, und derjenige, der Liebe zum Schönen damit verbindet, ist ein Liebhaber. Des Auges Wahrnehmung ist die schärfste von allen, die uns durch die Sinne zu Theil werden. Freylich sind wir unfähig, die Weisheit so wie die übrigen liebenswürdigen Vollkommenheiten, die wir oben erschauet haben, dadurch zu sehen. Wer diese im Bilde erblicken könnte, zu welcher gewaltigen Liebe würde der entflammt werden! Aber die Schönheit, welche das Auge erblickt, ist doch die auffallendste und die holdeste Erinnerung an jene Urschönheit. Diejenigen, welche nur wenig Erinnerungen davon übrig behalten haben, erblicken ihr Abbild hiernieden ohne Ehrfurcht, geben dem Reitze zur Wollust Raum, und überlassen sich frech thierischen Ausschweifungen. Hingegen derjenige, bey dem jene Erinnerung lebhaft ist, geräth beym Anblick eines götterähnlichen Antlitzes, des treuen Nachbildes der Urschönheit, in ein ehrfurchtvolles Staunen, wie bey der Annäherung an die Gottheit selbst: und wenn er nicht den Vorwurf eines offenbaren Wahnsinns scheute; er würde dem Geliebten als wie dem Bildnisse eines Gottes opfern. des Wahnsinns beschuldigt. In diese Art von Begeisterung gerathen wir hiernieden beym Anblick des Schönen, das uns an die obere Wahrheit erinnert. Die Seele wird dann wieder befiedert, und strebt empor. Aber unvermögend dazu, zieht sie sich durch Vernachläßigung dessen, was sie umgiebt, und durch das Hinaufschauen nach dem, was dem Blicke anderer entzogen ist, sehr leicht den Verdacht des Wahnsinns zu. Inzwischen ist diese Entzückung die schönste und heilsamste von allen, und derjenige, der Liebe zum Schönen damit verbindet, ist ein Liebhaber. Des Auges Wahrnehmung ist die schärfste von allen, die uns durch die Sinne zu Theil werden. Freylich sind wir unfähig, die Weisheit so wie die übrigen liebenswürdigen Vollkommenheiten, die wir oben erschauet haben, dadurch zu sehen. Wer diese im Bilde erblicken könnte, zu welcher gewaltigen Liebe würde der entflammt werden! Aber die Schönheit, welche das Auge erblickt, ist doch die auffallendste und die holdeste Erinnerung an jene Urschönheit. Diejenigen, welche nur wenig Erinnerungen davon übrig behalten haben, erblicken ihr Abbild hiernieden ohne Ehrfurcht, geben dem Reitze zur Wollust Raum, und überlassen sich frech thierischen Ausschweifungen. Hingegen derjenige, bey dem jene Erinnerung lebhaft ist, geräth beym Anblick eines götterähnlichen Antlitzes, des treuen Nachbildes der Urschönheit, in ein ehrfurchtvolles Staunen, wie bey der Annäherung an die Gottheit selbst: und wenn er nicht den Vorwurf eines offenbaren Wahnsinns scheute; er würde dem Geliebten als wie dem Bildnisse eines Gottes opfern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0179" n="179"/> des Wahnsinns beschuldigt. In diese Art von Begeisterung gerathen wir hiernieden beym Anblick des Schönen, das uns an die obere Wahrheit erinnert. Die Seele wird dann wieder befiedert, und strebt empor. Aber unvermögend dazu, zieht sie sich durch Vernachläßigung dessen, was sie umgiebt, und durch das Hinaufschauen nach dem, was dem Blicke anderer entzogen ist, sehr leicht den Verdacht des Wahnsinns zu. Inzwischen ist diese Entzückung die schönste und heilsamste von allen, und derjenige, der Liebe zum Schönen damit verbindet, ist ein Liebhaber.</p> <p>Des Auges Wahrnehmung ist die schärfste von allen, die uns durch die Sinne zu Theil werden. Freylich sind wir unfähig, die Weisheit so wie die übrigen liebenswürdigen Vollkommenheiten, die wir oben erschauet haben, dadurch zu sehen. Wer diese im Bilde erblicken könnte, zu welcher gewaltigen Liebe würde der entflammt werden! Aber die Schönheit, welche das Auge erblickt, ist doch die auffallendste und die holdeste Erinnerung an jene Urschönheit.</p> <p>Diejenigen, welche nur wenig Erinnerungen davon übrig behalten haben, erblicken ihr Abbild hiernieden ohne Ehrfurcht, geben dem Reitze zur Wollust Raum, und überlassen sich frech thierischen Ausschweifungen.</p> <p>Hingegen derjenige, bey dem jene Erinnerung lebhaft ist, geräth beym Anblick eines götterähnlichen Antlitzes, des treuen Nachbildes der Urschönheit, in ein ehrfurchtvolles Staunen, wie bey der Annäherung an die Gottheit selbst: und wenn er nicht den Vorwurf eines offenbaren Wahnsinns scheute; er würde dem Geliebten als wie dem Bildnisse eines Gottes opfern.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0179]
des Wahnsinns beschuldigt. In diese Art von Begeisterung gerathen wir hiernieden beym Anblick des Schönen, das uns an die obere Wahrheit erinnert. Die Seele wird dann wieder befiedert, und strebt empor. Aber unvermögend dazu, zieht sie sich durch Vernachläßigung dessen, was sie umgiebt, und durch das Hinaufschauen nach dem, was dem Blicke anderer entzogen ist, sehr leicht den Verdacht des Wahnsinns zu. Inzwischen ist diese Entzückung die schönste und heilsamste von allen, und derjenige, der Liebe zum Schönen damit verbindet, ist ein Liebhaber.
Des Auges Wahrnehmung ist die schärfste von allen, die uns durch die Sinne zu Theil werden. Freylich sind wir unfähig, die Weisheit so wie die übrigen liebenswürdigen Vollkommenheiten, die wir oben erschauet haben, dadurch zu sehen. Wer diese im Bilde erblicken könnte, zu welcher gewaltigen Liebe würde der entflammt werden! Aber die Schönheit, welche das Auge erblickt, ist doch die auffallendste und die holdeste Erinnerung an jene Urschönheit.
Diejenigen, welche nur wenig Erinnerungen davon übrig behalten haben, erblicken ihr Abbild hiernieden ohne Ehrfurcht, geben dem Reitze zur Wollust Raum, und überlassen sich frech thierischen Ausschweifungen.
Hingegen derjenige, bey dem jene Erinnerung lebhaft ist, geräth beym Anblick eines götterähnlichen Antlitzes, des treuen Nachbildes der Urschönheit, in ein ehrfurchtvolles Staunen, wie bey der Annäherung an die Gottheit selbst: und wenn er nicht den Vorwurf eines offenbaren Wahnsinns scheute; er würde dem Geliebten als wie dem Bildnisse eines Gottes opfern.
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