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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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"Jede von diesen wird, wenn sie rechtschaffen gelebt hat, eines bessern; hat sie aber Unrecht gethan, eines schlechtern Looses theilhaftig: doch können die Seelen vor Ablauf von Zehntausend Jahren nicht wieder zum Sitze der Götter gelangen. In kürzerer Zeit wächset das Gefieder der Seele nicht, außer bey Philosophen und solchen, die Jünglinge mit Weisheit geliebt haben. Diese kehren, wenn sie ihrer Bestimmung dreymahl binnen Dreytausend Jahren treu geblieben sind, zum Himmel zurück. Die andern werden nach Vollendung des ersten Lebens gerichtet, und auf tausend Jahre in unterirdische Oerter eingekerkert, und gezüchtigt, oder zu einer Stäte des Himmels empor gehoben, wo ihr Zustand mit dem Leben, welches sie in menschlicher Gestalt geführt haben, im Verhältnisse steht. Beyde Arten kommen nach Tausend Jahren zur Bestimmung und Wahl eines zweyten Lebens zurück. Die Wahl steht jeder Seele frey. Einige gehen in ein thierisches Leben über, andere werden Menschen: doch kann dieß letzte Loos nur denjenigen wiederfahren, welche die Wahrheit wirklich geschauet haben. Denn der Mensch muß viele einzelne Wahrnehmungen in einen allgemeinen Begriff durch Vernunft zusammenfassen können. Diese allgemeinen Begriffe sind Erinnerungen jener Wahrheiten, die unsere Seele im Gefolge Gottes geschauet hat, als sie von ihrer Höhe herab auf Dinge sah, die wir Menschen für Wesen halten, und diese dann beym Blick in die Höhe mit demjenigen verglich, was das Wesen der Wesen ist.

Der Mann, der diese Erinnerungen recht anwendet, entreißt sich menschlichen Bestrebungen, versenkt sich in das Göttliche, und wird leicht von der Menge

„Jede von diesen wird, wenn sie rechtschaffen gelebt hat, eines bessern; hat sie aber Unrecht gethan, eines schlechtern Looses theilhaftig: doch können die Seelen vor Ablauf von Zehntausend Jahren nicht wieder zum Sitze der Götter gelangen. In kürzerer Zeit wächset das Gefieder der Seele nicht, außer bey Philosophen und solchen, die Jünglinge mit Weisheit geliebt haben. Diese kehren, wenn sie ihrer Bestimmung dreymahl binnen Dreytausend Jahren treu geblieben sind, zum Himmel zurück. Die andern werden nach Vollendung des ersten Lebens gerichtet, und auf tausend Jahre in unterirdische Oerter eingekerkert, und gezüchtigt, oder zu einer Stäte des Himmels empor gehoben, wo ihr Zustand mit dem Leben, welches sie in menschlicher Gestalt geführt haben, im Verhältnisse steht. Beyde Arten kommen nach Tausend Jahren zur Bestimmung und Wahl eines zweyten Lebens zurück. Die Wahl steht jeder Seele frey. Einige gehen in ein thierisches Leben über, andere werden Menschen: doch kann dieß letzte Loos nur denjenigen wiederfahren, welche die Wahrheit wirklich geschauet haben. Denn der Mensch muß viele einzelne Wahrnehmungen in einen allgemeinen Begriff durch Vernunft zusammenfassen können. Diese allgemeinen Begriffe sind Erinnerungen jener Wahrheiten, die unsere Seele im Gefolge Gottes geschauet hat, als sie von ihrer Höhe herab auf Dinge sah, die wir Menschen für Wesen halten, und diese dann beym Blick in die Höhe mit demjenigen verglich, was das Wesen der Wesen ist.

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[178/0178] „Jede von diesen wird, wenn sie rechtschaffen gelebt hat, eines bessern; hat sie aber Unrecht gethan, eines schlechtern Looses theilhaftig: doch können die Seelen vor Ablauf von Zehntausend Jahren nicht wieder zum Sitze der Götter gelangen. In kürzerer Zeit wächset das Gefieder der Seele nicht, außer bey Philosophen und solchen, die Jünglinge mit Weisheit geliebt haben. Diese kehren, wenn sie ihrer Bestimmung dreymahl binnen Dreytausend Jahren treu geblieben sind, zum Himmel zurück. Die andern werden nach Vollendung des ersten Lebens gerichtet, und auf tausend Jahre in unterirdische Oerter eingekerkert, und gezüchtigt, oder zu einer Stäte des Himmels empor gehoben, wo ihr Zustand mit dem Leben, welches sie in menschlicher Gestalt geführt haben, im Verhältnisse steht. Beyde Arten kommen nach Tausend Jahren zur Bestimmung und Wahl eines zweyten Lebens zurück. Die Wahl steht jeder Seele frey. Einige gehen in ein thierisches Leben über, andere werden Menschen: doch kann dieß letzte Loos nur denjenigen wiederfahren, welche die Wahrheit wirklich geschauet haben. Denn der Mensch muß viele einzelne Wahrnehmungen in einen allgemeinen Begriff durch Vernunft zusammenfassen können. Diese allgemeinen Begriffe sind Erinnerungen jener Wahrheiten, die unsere Seele im Gefolge Gottes geschauet hat, als sie von ihrer Höhe herab auf Dinge sah, die wir Menschen für Wesen halten, und diese dann beym Blick in die Höhe mit demjenigen verglich, was das Wesen der Wesen ist. Der Mann, der diese Erinnerungen recht anwendet, entreißt sich menschlichen Bestrebungen, versenkt sich in das Göttliche, und wird leicht von der Menge

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/178>, abgerufen am 23.11.2024.