Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

zweckmäßig, so war er auch schön; und überhaupt gab nur dasjenige dem Menschen Werth, was er durch Anstrengung, Ausbildung, Leitung seiner Kräfte, besonders auch der körperlichen, sich zu eigen machte. Alles Uebrige war zufällig, und dem Menschen fremd. - -

Laßt uns bemerken, daß bey den Griechen die Untersuchung über die Liebe beynahe immer mit Untersuchungen über das Schöne und Begehrungswerthe verbunden waren.

Das Gespräch wird nun auf die Vorzüge hingeleitet, um derentwillen sich jeder der Gäste schätzen zu können glaubt. Alle nach der Reihe geben an, was den Grund ihres Stolzes ausmacht. Kritobulus rühmt sich seiner Schönheit. "Kannst du uns dadurch besser machen?" fragt Sokrates, "nur das allein bestimmt den Werth des Menschen!" - Jetzt ein schöner Zug von dem jungen Autolycus: ein wichtiger Beytrag zur Charakteristik seiner Sittsamkeit, und der keuschen, aber begeisterten Liebe, die Kallias für ihn empfindet!

Der Vater des jungen Menschen, Lycon, wird gefragt, worauf er stolz sey? "Auf meinen Sohn," sagt dieser. "Vielleicht," fragt ein anderer, "weil er in den gymnastischen Spielen den Preis davon getragen hat?" - Autolykus erröthet, und indem er das Wort für seinen Vater nimmt, antwortet er bescheiden: "Gewiß! darauf kann er nur wenig Werth legen!" Alle freuen sich, den Knaben reden zu hören, und nun wird auch er gefragt, worauf er sich denn etwas einbilde? "Auf meinen Vater," antwortet dieser, und schmiegt sich schmeichelnd an diesen an. Bey diesem Anblick ruft sein Liebhaber, Kallias, voll Begeisterung

zweckmäßig, so war er auch schön; und überhaupt gab nur dasjenige dem Menschen Werth, was er durch Anstrengung, Ausbildung, Leitung seiner Kräfte, besonders auch der körperlichen, sich zu eigen machte. Alles Uebrige war zufällig, und dem Menschen fremd. – –

Laßt uns bemerken, daß bey den Griechen die Untersuchung über die Liebe beynahe immer mit Untersuchungen über das Schöne und Begehrungswerthe verbunden waren.

Das Gespräch wird nun auf die Vorzüge hingeleitet, um derentwillen sich jeder der Gäste schätzen zu können glaubt. Alle nach der Reihe geben an, was den Grund ihres Stolzes ausmacht. Kritobulus rühmt sich seiner Schönheit. „Kannst du uns dadurch besser machen?“ fragt Sokrates, „nur das allein bestimmt den Werth des Menschen!“ – Jetzt ein schöner Zug von dem jungen Autolycus: ein wichtiger Beytrag zur Charakteristik seiner Sittsamkeit, und der keuschen, aber begeisterten Liebe, die Kallias für ihn empfindet!

Der Vater des jungen Menschen, Lycon, wird gefragt, worauf er stolz sey? „Auf meinen Sohn,“ sagt dieser. „Vielleicht,“ fragt ein anderer, „weil er in den gymnastischen Spielen den Preis davon getragen hat?“ – Autolykus erröthet, und indem er das Wort für seinen Vater nimmt, antwortet er bescheiden: „Gewiß! darauf kann er nur wenig Werth legen!“ Alle freuen sich, den Knaben reden zu hören, und nun wird auch er gefragt, worauf er sich denn etwas einbilde? „Auf meinen Vater,“ antwortet dieser, und schmiegt sich schmeichelnd an diesen an. Bey diesem Anblick ruft sein Liebhaber, Kallias, voll Begeisterung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0157" n="157"/>
zweckmäßig, so war er auch schön; und überhaupt gab nur dasjenige dem Menschen Werth, was er durch Anstrengung, Ausbildung, Leitung seiner Kräfte, besonders auch der körperlichen, sich zu eigen machte. Alles Uebrige war zufällig, und dem Menschen fremd. &#x2013; &#x2013;</p>
          <p>Laßt uns bemerken, daß bey den Griechen die Untersuchung über die Liebe beynahe immer mit Untersuchungen über das Schöne und Begehrungswerthe verbunden waren.</p>
          <p>Das Gespräch wird nun auf die Vorzüge hingeleitet, um derentwillen sich jeder der Gäste schätzen zu können glaubt. Alle nach der Reihe geben an, was den Grund ihres Stolzes ausmacht. Kritobulus rühmt sich seiner Schönheit. &#x201E;Kannst du uns dadurch besser machen?&#x201C; fragt Sokrates, &#x201E;nur das allein bestimmt den Werth des Menschen!&#x201C; &#x2013; Jetzt ein schöner Zug von dem jungen Autolycus: ein wichtiger Beytrag zur Charakteristik seiner Sittsamkeit, und der keuschen, aber begeisterten Liebe, die Kallias für ihn empfindet!</p>
          <p>Der Vater des jungen Menschen, Lycon, wird gefragt, worauf er stolz sey? &#x201E;Auf meinen Sohn,&#x201C; sagt dieser. &#x201E;Vielleicht,&#x201C; fragt ein anderer, &#x201E;weil er in den gymnastischen Spielen den Preis davon getragen hat?&#x201C; &#x2013; Autolykus erröthet, und indem er das Wort für seinen Vater nimmt, antwortet er bescheiden: &#x201E;Gewiß! darauf kann er nur wenig Werth legen!&#x201C; Alle freuen sich, den Knaben reden zu hören, und nun wird auch er gefragt, worauf er sich denn etwas einbilde? &#x201E;Auf meinen Vater,&#x201C; antwortet dieser, und schmiegt sich schmeichelnd an diesen an. Bey diesem Anblick ruft sein Liebhaber, Kallias, voll Begeisterung
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0157] zweckmäßig, so war er auch schön; und überhaupt gab nur dasjenige dem Menschen Werth, was er durch Anstrengung, Ausbildung, Leitung seiner Kräfte, besonders auch der körperlichen, sich zu eigen machte. Alles Uebrige war zufällig, und dem Menschen fremd. – – Laßt uns bemerken, daß bey den Griechen die Untersuchung über die Liebe beynahe immer mit Untersuchungen über das Schöne und Begehrungswerthe verbunden waren. Das Gespräch wird nun auf die Vorzüge hingeleitet, um derentwillen sich jeder der Gäste schätzen zu können glaubt. Alle nach der Reihe geben an, was den Grund ihres Stolzes ausmacht. Kritobulus rühmt sich seiner Schönheit. „Kannst du uns dadurch besser machen?“ fragt Sokrates, „nur das allein bestimmt den Werth des Menschen!“ – Jetzt ein schöner Zug von dem jungen Autolycus: ein wichtiger Beytrag zur Charakteristik seiner Sittsamkeit, und der keuschen, aber begeisterten Liebe, die Kallias für ihn empfindet! Der Vater des jungen Menschen, Lycon, wird gefragt, worauf er stolz sey? „Auf meinen Sohn,“ sagt dieser. „Vielleicht,“ fragt ein anderer, „weil er in den gymnastischen Spielen den Preis davon getragen hat?“ – Autolykus erröthet, und indem er das Wort für seinen Vater nimmt, antwortet er bescheiden: „Gewiß! darauf kann er nur wenig Werth legen!“ Alle freuen sich, den Knaben reden zu hören, und nun wird auch er gefragt, worauf er sich denn etwas einbilde? „Auf meinen Vater,“ antwortet dieser, und schmiegt sich schmeichelnd an diesen an. Bey diesem Anblick ruft sein Liebhaber, Kallias, voll Begeisterung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/157
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/157>, abgerufen am 03.05.2024.