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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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zu können, die seinige mit der Hand eines andern verschränken.

Aesthetische Verschönerung der Liebe suche ich da, wo die Zartheit und die Fülle der Empfindung, als äußere Form der Gesinnung auf ein Herz zurückführt, das fähig wäre, das Glück des Geliebten seinem eigenen vorzuziehen, weil es den Werth eines andern Herzens ganz zu fühlen im Stande ist: wo folglich mit dem Bilde des feinsten und üppigsten Instinkts, der unserm Instinkte schmeichelt, zugleich das unzweydeutige Bild der Liebe erweckt wird.

Aesthetisch schön erscheint daher die Liebe beym La Fontaine in jener liebenden Buhlerin, die nach unzähligen Genüssen der bloßen Sinnlichkeit ihre Freuden zum ersten Mahle in den Armen des Geliebten zu kosten glaubt. Zum ersten Mahle? fragt der Dichter. Ja! setzt er hinzu: wer geliebt hat, der antworte! - Vergleicht dieß Bild sinnlicher Freuden, denen das Herz den höchsten Reitz giebt, mit demjenigen, das die niedergedrückten Grasspitzen bey einer Sappho erweckten, um die nähere Uebereinstimmung mit dem Begriffe der Liebe zu fühlen. *)

*) Einem meiner Freunde, der Gelehrsamkeit und Geschmack mit einem Herzen verbindet, das sich im spätern Alter noch gleich wirksam und lebhaft bey ihm erhält, und mit dem ich oft über meinen Begriff von der Liebe geredet hatte, verdanke ich folgendes Epigramm, in dem gewiß die Liebe in einer ästhetisch schönen Form erscheint:

zu können, die seinige mit der Hand eines andern verschränken.

Aesthetische Verschönerung der Liebe suche ich da, wo die Zartheit und die Fülle der Empfindung, als äußere Form der Gesinnung auf ein Herz zurückführt, das fähig wäre, das Glück des Geliebten seinem eigenen vorzuziehen, weil es den Werth eines andern Herzens ganz zu fühlen im Stande ist: wo folglich mit dem Bilde des feinsten und üppigsten Instinkts, der unserm Instinkte schmeichelt, zugleich das unzweydeutige Bild der Liebe erweckt wird.

Aesthetisch schön erscheint daher die Liebe beym La Fontaine in jener liebenden Buhlerin, die nach unzähligen Genüssen der bloßen Sinnlichkeit ihre Freuden zum ersten Mahle in den Armen des Geliebten zu kosten glaubt. Zum ersten Mahle? fragt der Dichter. Ja! setzt er hinzu: wer geliebt hat, der antworte! – Vergleicht dieß Bild sinnlicher Freuden, denen das Herz den höchsten Reitz giebt, mit demjenigen, das die niedergedrückten Grasspitzen bey einer Sappho erweckten, um die nähere Uebereinstimmung mit dem Begriffe der Liebe zu fühlen. *)

*) Einem meiner Freunde, der Gelehrsamkeit und Geschmack mit einem Herzen verbindet, das sich im spätern Alter noch gleich wirksam und lebhaft bey ihm erhält, und mit dem ich oft über meinen Begriff von der Liebe geredet hatte, verdanke ich folgendes Epigramm, in dem gewiß die Liebe in einer ästhetisch schönen Form erscheint:
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[59/0059] zu können, die seinige mit der Hand eines andern verschränken. Aesthetische Verschönerung der Liebe suche ich da, wo die Zartheit und die Fülle der Empfindung, als äußere Form der Gesinnung auf ein Herz zurückführt, das fähig wäre, das Glück des Geliebten seinem eigenen vorzuziehen, weil es den Werth eines andern Herzens ganz zu fühlen im Stande ist: wo folglich mit dem Bilde des feinsten und üppigsten Instinkts, der unserm Instinkte schmeichelt, zugleich das unzweydeutige Bild der Liebe erweckt wird. Aesthetisch schön erscheint daher die Liebe beym La Fontaine in jener liebenden Buhlerin, die nach unzähligen Genüssen der bloßen Sinnlichkeit ihre Freuden zum ersten Mahle in den Armen des Geliebten zu kosten glaubt. Zum ersten Mahle? fragt der Dichter. Ja! setzt er hinzu: wer geliebt hat, der antworte! – Vergleicht dieß Bild sinnlicher Freuden, denen das Herz den höchsten Reitz giebt, mit demjenigen, das die niedergedrückten Grasspitzen bey einer Sappho erweckten, um die nähere Uebereinstimmung mit dem Begriffe der Liebe zu fühlen. *) *) Einem meiner Freunde, der Gelehrsamkeit und Geschmack mit einem Herzen verbindet, das sich im spätern Alter noch gleich wirksam und lebhaft bey ihm erhält, und mit dem ich oft über meinen Begriff von der Liebe geredet hatte, verdanke ich folgendes Epigramm, in dem gewiß die Liebe in einer ästhetisch schönen Form erscheint:

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/59>, abgerufen am 24.11.2024.