Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.die Liebe mit jeder Leidenschaft theilt. Hero, die diesen Contrast fühlt und darstellt, giebt dadurch ihren geselligen Empfindungen einen feinen und reitzenden Schmuck; aber der Liebe gehört er nur sehr zufällig an. Der gefangene Maupertuis wird vor die Kaiserin, Maria Theresia, geführt. Auf ihre Frage: "ist es wirklich wahr, daß die Prinzessin Amalia von Preussen die schönste Dame ihres Zeitalters sey?" antwortet er: "Bis auf diesen Tag hab' ich es geglaubt!" - St. Aulaire wird von der Herzogin de Maine ihr Apollo genannt. "Wenn ich es wäre, antwortete er, so würden Sie nicht meine Muse seyn. Sie würden Thetis seyn, und der Tag würde endigen!" - Ich brauche nicht zu sagen, daß dieser feine, reitzende Ausdruck geselliger Empfindungen nicht der Liebe gehöre. Es wird daher die Liebe nicht dadurch verschönert. Minder auffallend wird eine solche Verwechselung veredelter und verschönerter Liebe mit bloßer veredelter oder verschönerter Geschlechtssympathie, oder einem andern veredelten und verschönerten geselligen Triebe in folgenden Beyspielen. Die Samniter setzen das schönste Mädchen zum Preis für den tapfersten Krieger. - Die Normänner glauben, daß man nur durch tapfere Thaten das Herz des schönsten Weibes gewinnen könne. Wie? ist die Liebe, jenes wonnevolle Streben nach der Ueberzeugung von eines andern Glück, dadurch veredelt? Im geringsten nicht! Jene Samniter betrachten das schöne Mädchen als das Mittel zu einem sinnlichen Genuß, dessen Hoffnung ihren Muth entflammt; diese Normänner setzen an die Stelle des gröberen Genusses den feineren der üppigen Eitelkeit und des Stolzes auf den Besitz. Das Glück, die Liebe mit jeder Leidenschaft theilt. Hero, die diesen Contrast fühlt und darstellt, giebt dadurch ihren geselligen Empfindungen einen feinen und reitzenden Schmuck; aber der Liebe gehört er nur sehr zufällig an. Der gefangene Maupertuis wird vor die Kaiserin, Maria Theresia, geführt. Auf ihre Frage: „ist es wirklich wahr, daß die Prinzessin Amalia von Preussen die schönste Dame ihres Zeitalters sey?“ antwortet er: „Bis auf diesen Tag hab’ ich es geglaubt!“ – St. Aulaire wird von der Herzogin de Maine ihr Apollo genannt. „Wenn ich es wäre, antwortete er, so würden Sie nicht meine Muse seyn. Sie würden Thetis seyn, und der Tag würde endigen!“ – Ich brauche nicht zu sagen, daß dieser feine, reitzende Ausdruck geselliger Empfindungen nicht der Liebe gehöre. Es wird daher die Liebe nicht dadurch verschönert. Minder auffallend wird eine solche Verwechselung veredelter und verschönerter Liebe mit bloßer veredelter oder verschönerter Geschlechtssympathie, oder einem andern veredelten und verschönerten geselligen Triebe in folgenden Beyspielen. Die Samniter setzen das schönste Mädchen zum Preis für den tapfersten Krieger. – Die Normänner glauben, daß man nur durch tapfere Thaten das Herz des schönsten Weibes gewinnen könne. Wie? ist die Liebe, jenes wonnevolle Streben nach der Ueberzeugung von eines andern Glück, dadurch veredelt? Im geringsten nicht! Jene Samniter betrachten das schöne Mädchen als das Mittel zu einem sinnlichen Genuß, dessen Hoffnung ihren Muth entflammt; diese Normänner setzen an die Stelle des gröberen Genusses den feineren der üppigen Eitelkeit und des Stolzes auf den Besitz. Das Glück, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="54"/> die Liebe mit jeder Leidenschaft theilt. Hero, die diesen Contrast fühlt und darstellt, giebt dadurch ihren geselligen Empfindungen einen feinen und reitzenden Schmuck; aber der Liebe gehört er nur sehr zufällig an.</p> <p>Der gefangene Maupertuis wird vor die Kaiserin, Maria Theresia, geführt. Auf ihre Frage: „ist es wirklich wahr, daß die Prinzessin Amalia von Preussen die schönste Dame ihres Zeitalters sey?“ antwortet er: „Bis auf diesen Tag hab’ ich es geglaubt!“ – St. Aulaire wird von der Herzogin de Maine ihr Apollo genannt. „Wenn ich es wäre, antwortete er, so würden Sie nicht meine Muse seyn. Sie würden Thetis seyn, und der Tag würde endigen!“ – Ich brauche nicht zu sagen, daß dieser feine, reitzende Ausdruck geselliger Empfindungen nicht der Liebe gehöre. Es wird daher die Liebe nicht dadurch verschönert.</p> <p>Minder auffallend wird eine solche Verwechselung veredelter und verschönerter Liebe mit bloßer veredelter oder verschönerter Geschlechtssympathie, oder einem andern veredelten und verschönerten geselligen Triebe in folgenden Beyspielen.</p> <p>Die Samniter setzen das schönste Mädchen zum Preis für den tapfersten Krieger. – Die Normänner glauben, daß man nur durch tapfere Thaten das Herz des schönsten Weibes gewinnen könne. Wie? ist die Liebe, jenes wonnevolle Streben nach der Ueberzeugung von eines andern Glück, dadurch veredelt? Im geringsten nicht! Jene Samniter betrachten das schöne Mädchen als das Mittel zu einem sinnlichen Genuß, dessen Hoffnung ihren Muth entflammt; diese Normänner setzen an die Stelle des gröberen Genusses den feineren der üppigen Eitelkeit und des Stolzes auf den Besitz. Das Glück, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0054]
die Liebe mit jeder Leidenschaft theilt. Hero, die diesen Contrast fühlt und darstellt, giebt dadurch ihren geselligen Empfindungen einen feinen und reitzenden Schmuck; aber der Liebe gehört er nur sehr zufällig an.
Der gefangene Maupertuis wird vor die Kaiserin, Maria Theresia, geführt. Auf ihre Frage: „ist es wirklich wahr, daß die Prinzessin Amalia von Preussen die schönste Dame ihres Zeitalters sey?“ antwortet er: „Bis auf diesen Tag hab’ ich es geglaubt!“ – St. Aulaire wird von der Herzogin de Maine ihr Apollo genannt. „Wenn ich es wäre, antwortete er, so würden Sie nicht meine Muse seyn. Sie würden Thetis seyn, und der Tag würde endigen!“ – Ich brauche nicht zu sagen, daß dieser feine, reitzende Ausdruck geselliger Empfindungen nicht der Liebe gehöre. Es wird daher die Liebe nicht dadurch verschönert.
Minder auffallend wird eine solche Verwechselung veredelter und verschönerter Liebe mit bloßer veredelter oder verschönerter Geschlechtssympathie, oder einem andern veredelten und verschönerten geselligen Triebe in folgenden Beyspielen.
Die Samniter setzen das schönste Mädchen zum Preis für den tapfersten Krieger. – Die Normänner glauben, daß man nur durch tapfere Thaten das Herz des schönsten Weibes gewinnen könne. Wie? ist die Liebe, jenes wonnevolle Streben nach der Ueberzeugung von eines andern Glück, dadurch veredelt? Im geringsten nicht! Jene Samniter betrachten das schöne Mädchen als das Mittel zu einem sinnlichen Genuß, dessen Hoffnung ihren Muth entflammt; diese Normänner setzen an die Stelle des gröberen Genusses den feineren der üppigen Eitelkeit und des Stolzes auf den Besitz. Das Glück,
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